Anna Maria Theurer ist wohl nur den wenigsten Bewohnern der Rankbachstadt ein Begriff. Dabei griff die Auswanderin ihrer Heimatgemeinde finanziell unter die Arme. Nach der Ehrenbürgerin ist inzwischen auch eine Straße benannt.

Renningen - Dezember 1922: Die Not der Menschen in Deutschland nach dem Ende des Ersten Weltkriegs ist groß. Auch in Renningen fehlt es an allen Ecken und Enden. Doch ganz unverhofft geht kurz vor Weihnachten ein wahrer Geldsegen in der einstigen Gemeinde ein.

 

Mit 200 000 Mark greift eine Spenderin aus den USA dem damals neu gegründeten „Reichsbund für Kriegshinterbliebene“ unter die Arme. Schriftführer Eugen Ziegler berichtet später im Protokollbuch von „dankbaren Kriegerwaisen“ und einem „vollbesetzten Gabentisch“.

Bis heute die einzige Ehrenbürgerin Renningens

Die Wohltäterin war die aus Renningen stammende Anna Maria Theurer. Für ihr selbstloses Wirken bekam sie im Jahr 1933 die Ehrenbürgerwürde verliehen. Damit ist sie neben dem Lehrer Emil Höschele, dem Arzt Ernst Bauer sowie jüngst dem früheren Bürgermeister Bernhard Maier bis heute die einzige Frau, der diese höchste Auszeichnung zuteil wurde.

„Der Gemeinderat betrachtet diese Ehrung als wohlverdiente Anerkennung der Heimatgemeinde für ihre großzügige, nimmermüde Liebestätigkeit an den Bedürftigen der Gemeinde“, lautete damals die Begründung, wie Martin Frieß bei seinen Nachforschungen in Erfahrung bringen konnte. Der frühere Renninger Stadtarchivar und heutige Kreisarchivar in Calw befasste sich eingehend mit der Lebensgeschichte der großherzigen Frau.

Anna Maria Reich kam im Jahr 1854 in Renningen als zweite Tochter des Zimmermanns Johann Jakob Reich und Anna Maria Löffler auf die Welt. Mit drei Geschwistern wuchs sie in ärmlichen Verhältnissen auf. Das Geburtshaus stand bis zu einem Großbrand im Jahr 1855 in der heutigen Kronenstraße.

Später bezog die Familie ein Domizil in der Leonberger Straße. In der Hoffnung auf ein besseres Leben packte die junge Frau 1882 die Koffer und brach per Schiff von Antwerpen nach New York auf. Dort heiratete sie den ebenfalls aus Deutschland stammenden Johannes Theurer, mit dem sie fünf Kinder bekam. Der geschäftstüchtige Mann gründete eine eigene Wagnerei, die nach seinem Tod in Familienbesitz blieb, am Ende aber doch verkauft wurde. Das Geschäft boomte, und das Paar kam zu Wohlstand. Auch nach der Auswanderung blieb Anna Maria Theurer ihrer Heimatgemeinde verbunden und leistete regelmäßig finanzielle Hilfe.

Die Verteilung der eingegangenen Spenden verantwortete teilweise ihr Bruder Gottlob Heinrich Reich, der in Renningen blieb. Das Geld kam nicht nur Besitzlosen und Kranken zugute, ein beträchtlicher Teil floss in die Kirchengemeinde. So konnten mit ihrer Hilfe unter anderem neue Kirchenglocken angeschafft werden.

Ebenso wie nach Renningen hat das Paar den Kontakt nach Lustnau, der Heimat von Johannes Theurer, aufrecht erhalten. Auch dorthin gingen nach dem Ende des Krieges erhebliche Spenden. Infolgedessen wurde dem Geschäftsmann im Juni 1920 das Ehrenbürgerrecht verliehen.

Nach der Renningerin wurde inzwischen eine Straße im Neubaugebiet Schnallenäcker II benannt. „Die Frau ist ein Vorbild und würdig, erwähnt zu werden“, betont Rose Marie Fischer, die vor drei Jahren mit der Initiative „Frauen für Renningen“ einen entsprechenden Antrag im Gemeinderat gestellt hatte.

Legende über ihr Wirken fehlt noch am Schild

Was noch auf der Beschilderung fehlt, ist eine Legende mit dem Hinweis auf ihr Wirken. Für die Stadträtin war es höchste Zeit, den Namen der selbstlosen Frau im Stadtbild zu verankern.

„Bei ihrem Mann ging das recht schnell, bereits kurz nach seinem Tod wurde in Lustnau eine Straße nach ihm benannt“, weiß die Malmsheimerin, die von einem Ungleichgewicht spricht. In der Rankbachstadt sind aktuell 45 Straßen verdienten Männern gewidmet und nur sieben sind nach Frauen benannt.

Anna Maria Theurer starb im Januar 1939 mit 85 Jahren in dem Örtchen Weehawken im Bundesstaat New Jersey. In einem Brief an den Archivar Martin Frieß berichtete eine ihrer Enkelinnen von einer „großartigen Frau, die selbst in den tiefsten Zeiten der wirtschaftlichen Depression ihre Enkelkinder mit einer druckfrischen Dollarnote belohnte“.

Auch legte sie großen Wert auf Tradition. An Weihnachten durften die Geschenke erst dann geöffnet werden, wenn der „deutsche Nikolaus gekommen war“.

Dass die Ehrenbürgerwürde für Anna Maria Theurer gerechtfertigt ist, daran lässt Martin Frieß rückblickend keinen Zweifel. Er staunt dennoch über die Verleihung. „Zu der damaligen Zeit war eine solche Auszeichnung gerade an eine Frau etwas Besonderes“, betont der Archivar. Denn Frauen seien damals rechtlich noch lange nicht gleichgestellt gewesen.