Vor einem Vierteljahrhundert fiel die Mauer, und die DDR öffnete die Grenzen. Um dieses Jubiläum zu feiern, kommen nicht nur Vertreter der thüringischen Partnergemeinde Saalburg-Ebersdorf, sondern auch der Ex-Ministerpräsident Erwin Teufel.

Renningen - Pfarrer Franz Pitzal kennt viele Menschen – Erwin Teufel etwa, mit dem er seit der gemeinsamen Zeit in der katholischen Jugendbewegung befreundet ist. Vor 25 Jahren, als am 9. November 1989 die Mauer in Berlin aufhörte, eine unüberwindbare Grenze zu sein, war Teufel Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion und von 1991 an Regierungschef. In der gut besetzten Stegwiesenhalle hielt der 75-jährige Politiker jetzt eine flammende Rede für die Freiheit.

 

„Eine solche Nacht, solche Tage und Wochen vergisst man nicht“, sagte Teufel, der den 9. November 1989 in Konstanz bei einer internationalen Bodenseekonferenz erlebt hat. Sein Sohn sei in dieser Nacht noch spontan nach Berlin gefahren, um selbst bei diesem Ereignis dabei zu sein. „Wir verdanken Michael Gorbatschow viel“, sagte er mit Blick auf den damaligen sowjetischen Präsidenten, der dafür gesorgt habe, dass die Panzer in den Kasernen blieben, als immer mehr Menschen in der DDR auf die Straßen gingen.

„Wir verdanken aber auch den USA, dass unser Land frei ist und dass wir einen Neuanfang machen konnten“, betonte Teufel. Freiheit sei ebenso wie Demokratie und Frieden kein gesicherter Besitz. „Gerade den jungen Menschen müssen wir das immer wieder sagen“, so sein Plädoyer dafür, Verantwortung in der Gesellschaft zu übernehmen.

Ehrenamtlicher Stadtbaumeister

Bürgermeister Wolfgang Faißt fragte einige Zeitzeugen, wie sie die Öffnung der Grenzen erlebt haben. Bernward Müller, Lehrer, späterer Bundestagsabgeordneter und Kultusminister in Thüringen, sagte dazu: „Wir spürten längst, dass sich etwas verändern muss.“ Noch im Wendejahr wurde Müller Schulrat und stand vor der Frage, wie man jetzt Schule anders gestalten soll. „Wir brauchten neue Strukturen, zum Teil neue Lehrer, neue Fächer wie etwa den Religionsunterricht.“

Renningens Bürgermeister erinnerte daran, dass Mitarbeiter der Stadtverwaltung in großem Umfang zum Wiederaufbau der Stadt Saalburg beigetragen haben – „und zwar nicht im Sinne von Besserwisserei, sondern von Zupacken und Mithelfen“, sagte Faißt. Einer von ihnen war Günther Siegloch, Stadtbaumeister in Renningen von 1956 bis 1995, ab 1993 Technischer Beigeordneter. Für den heute 84-Jährigen ist die Zeit Anfang der 90er Jahre noch sehr lebendig. Kurz vor dem Mauerfall war er mit dem Gemeinderat durch die DDR gereist. „Wir haben erlebt, wie abgewirtschaftet das Land war.“ Als er im Frühjahr 1990 mit dem Gemeinderat das südostthüringische Städtchen Saalburg besuchte, sei er beeindruckt gewesen von der Offenheit der Menschen. Zusammen mit dem damaligen Bürgermeister Uwe Zimmermann habe man beraten, wie Renningen Saalburg in Verwaltungs- und Finanzangelegenheiten unterstützen könne. So wurde Günther Siegloch quasi „ehrenamtlicher Stadtbaumeister von Saalburg“, wie ihn Wolfgang Faißt bezeichnete. Rund 60 Mal war er in der auf die Wende folgenden Zeit im Touristenort an der Bleilochtalsperre. „Ich bin heute noch dem damaligen Bürgermeister Bernhard Maier dankbar, dass er mir das ermöglicht hat“, sagte Siegloch, der über seine Zeit in Thüringen sogar ein Buch geschrieben hat. „Diese Aufgabe, dort Aufbauarbeit zu leisten, war für mich persönlich, für mein Leben, eine Bereicherung“, meinte Siegloch. An Uwe Zimmermann gewandt sagte er spürbar bewegt: „Da haben Sie mit Ihren Leuten Großartiges geleistet. Ich bin dankbar, dass ich dabei sein durfte.“

Am Anfang war ein Gefühlschaos

Der so Gelobte war damals gerade 30 Jahre alt und saß mit seiner vierjährigen Tochter ungläubig vor dem Fernseher, als die Mauer fiel. „Für mich war das ein Gefühlschaos, eine innere Leere,“ beschreibt er seine Empfindungen zu jener Zeit. „Was wird kommen, und wird es besser“, fragte er sich. Doch Zimmermann fasste Mut und brachte sich als Bürger ein. Schon zu DDR-Zeiten Mitglied der Liberalen – „damit die Genossen mich in Ruhe gelassen haben“ – wurde er 1990 für neun Jahre Bürgermeister von Saalburg. Noch heute sitzt er dort im Stadtrat. „Über Nacht kam die kommunale Selbstverwaltung auf uns zu,“ erinnert er sich. „Wir wussten gar nicht, was das ist. Die SED war ja für alles zuständig.“ Sein erster Besuch in Renningen im Sommer 1990 beeindruckte ihn: „Das war eine saubere, geordnete Stadt.“ Besonders das Klärwerk hatte es ihm angetan. „Die ließen geklärtes Wasser in einer Qualität ab, wie sie bei uns oft aus dem Wasserhahn kam.“

Die wirtschaftliche Entwicklung im heutigen Saalburg-Ebersdorf möchte er eher nicht als zweites Wirtschaftswunder verstanden wissen. „Wir sind ein ländliches Gebiet. An der Abwicklung der Betriebe durch die Treuhand sind viele Menschen kaputtgegangen. Die haben das nicht verstanden“, so seine Einschätzung. Das Fazit des früheren Bürgermeisters in der Rückschau ist dennoch positiv: „Fakt ist: Es hat uns gutgetan.“ Heute setzt die Stadt als staatlich anerkannter Erholungsort am nach eigenen Angaben größten Stausee Deutschlands auf den Tourismus.