Handwerkskunst aus dem Schützengraben: Das Heimatmuseum in Malmsheim zeigt eine Sonderausstellung zum Thema „Grabenkunst“ aus dem Ersten Weltkrieg.

Renningen - Hunderttausende deutsche Soldaten sind im Ersten Weltkrieg an die Westfront aufgebrochen. Nachdem der Geländegewinn rasch ins Stocken geriet, kauerten die Männer in den ausgehobenen Schützengräben. Aus dem blutigen Angriffskrieg wurde ein verlustreicher Stellungskrieg. „Die Soldaten waren einer ständigen Mischung aus Erschöpfung, Kampfbereitschaft und Langeweile ausgesetzt“, berichtet Eberhard Scheck, Vorsitzender des Heimatmuseums in Malmsheim. „Wenn die Kanonen schwiegen, gingen sie kunstwerkhandlichen Tätigkeiten nach, um ihre Nerven zu beruhigen und sich von der Gefahr abzulenken.“

 

Randgebiet als Schwerpunkt

Was die Männer aus Kriegsschrott machten, das zeigt nun die Sonderausstellung „Grabenkunst 1914 – 1918“, die dem 100-jährigen Jubiläum des Kriegsausbruchs gewidmet ist. „Weil die meisten Ausstellungen zum Ersten Weltkrieg einen militärischen Charakter haben, legten wir den Schwerpunkt bewusst auf ein Randgebiet“, sagt Scheck über die Ausstellung, die mehrere hundert Exponate aus dem Stellungskrieg in Belgien und Frankreich umfasst. Der Großteil der historischen Stücke stammt aus Beständen des Heimatvereins Rankbachtal und des Stadtarchivs Renningen sowie von privaten Sammlern im Altkreis.

Kunstobjekte und Alltägliches

An entsprechendem Material fehlte es an der Front nicht. Aus Geschosshülsen, Kartuschen, Granatsplittern und Leuchtraketenringen feilten, bastelten und bördelten die Soldaten ausgefallene Kunstobjekte und praktische Gebrauchsartikel. Die Zigarettenspitzenabschneider, Trinkglocken und Eierbecher aus Granatzündern, Blumenvasen aus Patronenhülsen, Kerzenleuchter aus Bajonetts oder diverse Kupferdolche, Ringe sowie Bilderrahmen ließen sie später den Daheimgebliebenen quasi als Souvenir von der Schlacht zukommen. Kitschiger Krimskrams, der auch Jahrzehnte nach dem Krieg so manchen Kaminsims oder Nippesregal eroberte.

„Heißhunger nach geistiger Nahrung“

„Im Laufe der Jahre wurde vieles aber nicht mehr an der Front hergestellt, sondern industriell gefertigt“, erklärt Rolf Mayer, der die Ausstellung konzipiert hat. Firmenvertreter der findigen Schmuckindustrie – auch aus Pforzheim – brachten die Kunstobjekte in Musterkoffern direkt in die Kampfesgebiete. Nicht selten wurden sie vor Ort nach Wunsch graviert. „Bei Aufträgen mussten die Soldaten aber immer per Vorkasse bezahlen. Dass sie die Lieferung überleben, konnte niemand garantieren“, so Mayer.

„Heißhunger nach geistiger Nahrung“

Die Ausstellung in der ehemaligen Scheuer aus dem 18. Jahrhundert beherbergt auch zahlreiche Bücher, die von Volksbildungsvereinen und anderen karitativen Organisation an das deutsche Heer verschickt wurden. „Die Soldaten hatten einen regelrechten Heißhunger nach geistiger Nahrung“, berichtet Helmut Günter, stellvertretender Vorsitzender des Museums. „Im Rahmen der ‚fahrbaren Kriegsbücherei’ gingen Millionen Bücher an die Front, neben anspruchsvoller Literatur auch Gesangs- oder Gebetsbücher.“

Wer die Ausstellung besucht, der findet auch eine Vielzahl an lokalhistorischen Exponaten. Dazu gehört neben Feldpostkarten und Federzeichnungen des inMalmsheim aufgewachsenen Malers Oskar Elsässer auch eine vom Renninger Ernst Hirche aufwendig gestaltete Ehrenchronik für die aus der damaligen Gemeinde an die Front gezogenen Soldaten. „Insgesamt waren 500 aufgebrochen, über 100 kehrten nicht zurück“, sagt Rolf Mayer. Bestaunen lässt sich hinter Glas auch ein „Telegramm zur Mobilmachung“ vom 2. August 1914, der „eine sofortige ortsübliche Bekanntmachung“ in der 2000 Einwohner großen Gemeinde anordnete. Dass sich bei Kriegsausbruch die Euphorie vor allem bei Menschen auf dem Lande in Grenzen hielt, das betont Mayer mit Nachdruck: „Die Renninger hatten damals andere Probleme, denn die Ernte stand bevor