Mehr als 600 Zuschauer beobachten an zwei Abenden die Kandidaten für die Wahl des Bürgermeisters.

Renningen - Wer sich im Vorfeld ein wenig mit der Bürgermeisterwahl beschäftigt hat, der hat bei der offiziellen Kandidatenvorstellung in Renningen und in Malmsheim viel Bekanntes von den Bewerbern erfahren. Alle anderen bekommen einen umfassenden Überblick über die Pläne und Zukunftsvisionen von Wolfgang Faißt, Helmut Epple, Dennis Metzulat und Ulrich Raisch. Allein Alfred Wilhelm von der Nein-Idee ist aus gesundheitlichen Gründen nicht erschienen. Das Interesse der Bürger ist groß, fast 350 beziehungsweise 300 Zuschauer erscheinen bei den zwei Versammlungen.

 

Besonderes Interesse hegen die Zuhörer am direkten Vergleich der Meinungen von Amtsinhaber Wolfgang Faißt und seinem Renninger Gegenkandidaten Dennis Metzulat. In wesentlichen Punkten, das wird bereits bei ihrer Vorstellungsrede deutlich, sind sie sich einig: Lärmschutz hat Priorität, der Kontakt zu den Bürgern ist wichtig. Und: Renningen braucht das Wachstum, damit junge Leute und Familien, die hier verwurzelt sind, eine Perspektive haben und hier auch später leben können. Über die konkrete Umsetzung gehen ihre Ansichten jedoch auseinander.

Ein Zuhörer nennt das Beispiel Rutesheim, wo kleine Baugebiete ausgewiesen würden, in denen gebürtige Rutesheimer den Vorzug erhielten. „Warum ist so was nicht auch in Renningen möglich?“, will er wissen. „Genau das ist mein Konzept“, meint Metzulat, „dass ich mir auch andere Städte anschaue, wie es dort funktioniert.“

Metzulat für kleine Wohngebiete

Er stehe hinter dem Prinzip der kleinen Wohngebiete von zwei bis vier Hektar, die sich leichter verwirklichen ließen. „Die Umsetzung von Schnallenäcker II dauert jetzt schon sieben Jahre“, beklagt er.

Faißt gibt zu bedenken: Die nächsten Baugebiete seien deutlich kleiner, vor allem der Stadtteilpark mache Schnallenäcker II so großflächig. Die Plätze dort seien fast ausschließlich an Renninger gegangen. „Aber zu kleine Baugebiete sind in der Erschließung nicht wirtschaftlich“, warnt er. Wenn die Bauplätze dadurch teurer würden, hätten die Familien nichts davon. Hier sieht Metzulat die Stadt in der Pflicht, entsprechend zu investieren.

Die Sporthalle nennt Metzulat auf Anfrage ebenfalls als dringende Anschaffung, die er möglichst bald verwirklichen möchte. „Die Sporthalle brauchen wir“, findet ebenso der Amtsinhaber. Geduld sei aber gefragt. Viele große Investitionen stünden in den nächsten Jahren an, „die niedrigen Zinsen dürfen uns nicht dazu verleiten, in die Schuldenfalle zu tappen“.

In Sachen Hesse-Bahn sind sich beide einig: Malmsheim darf nicht abgehängt werden. Während Wolfgang Faißt sich aktiv für eine Verlängerung der S 6 bis Calw einsetzt, ist dieser Zug in Metzulats Augen bereits abgefahren. „Das werden wir nie bekommen“, glaubt er. Stattdessen möchte er sich dafür stark machen, dass auch Malmsheim von der Hesse-Bahn angefahren wird – nur möglichst nicht mit Dieselloks.

Raisch und Epple meist außen vor

Die Kandidaten Raisch und Epple werden in den großen Fragerunden meist außen vor gelassen. Ihren Standpunkt können beide dennoch ausreichend darlegen. Ulrich Raisch, Musiker und Pädagoge aus Stuttgart, stellt gleich klar: Er gehe davon aus, dass der Amtsinhaber erneut gewinnen wird. Er trete dennoch an – für alle Wähler, die ihr Vertrauen in ihn setzen.

Diese sollten ihn nicht an konkreten Vorhaben messen, sagt er, sondern an seinen Prinzipien. Mit ihnen will er Renningen „in eine Mustergemeinde verwandeln“. Klare Ansagen gibt es von Helmut Epple. Vor allem müsse mehr „Action“ sein, wenn es darum gehe, sich für die Belange der Stadt einzusetzen. Das Land zu verklagen und Abgeordneten auf die Füße zu treten, ist seine Problemlösungsstrategie für vieles. Außerdem will der Weissacher mehr Sicherheit erreichen. Unter anderem sollten Baugebiete schneller eine Straßenbeleuchtung erhalten, sagt er, weil Frauen sich nachts nicht sicher fühlten, wenn überall Flüchtlinge unterwegs seien. Vom Publikum gab’s dafür die Quittung in Form von lauten Protest- und Buhrufen.

Was heißt eigentlich „maßvoll wachsen“?

Mittlerweile haben die Renninger jede Menge Möglichkeiten erhalten, sich über die fünf Bürgermeisterkandidaten zu informieren. Zum Abschluss hat die Leonberger Kreiszeitung die Bewerber Wolfgang Faißt, Dennis Metzulat, Helmut Epple, Ulrich Raisch und Alfred Wilhelm noch einmal einzeln zu Wort gebeten, um sich – auf maximal elf Zeilen – zu drei Fragen zu äußern.

Herr Faißt, Sie haben 2015 als Landrat kandidiert. Was hat Sie dazu bewogen? Glauben Sie, dass manche Renninger Ihnen das noch nachtragen?
Faißt: Nachdem ich aus dem Rems-Murr-Kreis angefragt worden war, war es keine Entscheidung gegen Renningen, dass ich mich als Landrat beworben hatte, sondern der Reiz der neuen Aufgabenstellung. Als es dann nicht klappte, brach für mich keine Welt zusammen, sondern ich bleibe gerne mit Herz und Seele Bürgermeister. Die vielen aufrichtig positiven Reaktionen darauf, dass ich in Renningen bleibe, machten mir deutlich, wo ich hingehöre.
Herr Metzulat, Sie haben, bis auf Besuche im Gemeinderat, keine politische Vorerfahrung. Wie möchten Sie das ausgleichen?
Metzulat: Ich beschäftige mich seit Jahren mit der großen Politik und der Politik in unserer Gemeinde. Es geht darum, Interessengruppen zusammenzubringen, Kompromisse auszuloten und mit diplomatischem Fingerspitzengefühl Strömungen zu erkennen. Als Betriebsrat war ich zwei Jahre für die Verhinderung des Stellenabbaus von 700 Mitarbeitern verantwortlich. Als Assistent in der Geschäftsleitung habe ich meine Fähigkeiten abgerundet.
Herr Epple, Ihre erste Bürgermeisterkandidatur verlief nicht sehr erfolgreich, im ersten Wahlgang in Weissach 2014 waren es 0,5 Prozent. Warum versuchen Sie es erneut, und was soll diesmal anders werden?
Epple: Kleines Zwischentief, nach dem Hoch beim erfolgreichen Bürgerentscheid 2007 und gutem Ergebnis bei der Kommunalwahl 2009. Jetzt guter Zuspruch in Renningen 2016 durch sehr unzufriedene Bürger. Der Noch-Amtsinhaber scheint mehr vom „Landrats-Posten“ zu träumen, statt Verkehrslärm, Verkehrsstaus, Hesse-Bahn, Sicherheitsdefizite im öffentlichen Raum, Frauen- und Kinderschutz-Beauftragte mit Erfolg anzugehen.
Herr Raisch, beim LKZ-Kandidatentalk sagten Sie, dass Sie sich mit spezifischen Themen, die Renningen bewegen, noch nicht auseinandergesetzt haben. Denken Sie nicht, dass das von einem Bürgermeisterkandidaten erwartet wird, oder spielen diese Themen für Ihr Wahlprogramm keine Rolle ?
Raisch: Sachthemen von Bürgermeisterwahlkämpfen sind im Kern sehr ähnlich, wenn auch jeweils mit lokalen Besonderheiten. Zu allen Sachthemen habe ich meine Positionen grundsätzlich formuliert in meinem Prospekt, die jeweiligen lokalen Besonderheiten recherchiere ich regelmäßig über die Gemeindeverwaltungen.
Herr Wilhelm, beim LKZ-Kandidatentalk wurde von einigen geschmunzelt, als Sie die Nein-Idee vorgestellt haben. Warum, glauben Sie, ist das so? Erleben Sie das öfter?
Wilhelm: Wenn die vorgegebenen Spielregeln eingehalten werden, nicht. Es waren fünf Minuten Redezeit vorgesehen. Ich habe noch nie in einer Minute die NEIN!-Idee vorstellen müssen.
[Anm. d. Red.: Aus Zeitgründen wurde die Redezeit der Kandidaten auf je eine Minute pro Frage festgelegt. Dies wurde den Bewerbern vor der Veranstaltung mitgeteilt.]

Fragen zur Bürgermeisterwahl

In Zusammenhang mit neuen Baugebieten in Renningen ist immer wieder die Rede von „maßvollem Wachstum“. Was genau bedeutet das in Ihren Augen, wie stark kann und soll Renningen in den nächsten Jahren wachsen, dass es noch als maßvoll gilt?
Faißt: Maßvolles Wachstum kann man nicht in Quadratmetern messen. Maßvoll heißt: Wir müssen bedarfsgerecht Baugrund und Wohnraum anbieten. Dabei wollen wir junge Familien und Einkommenschwächere begünstigen. Maßvoll wachsen heißt auch: Es muss Zeit bleiben, dass Neubürger sich in die Stadtgesellschaft integrieren können. Außerdem muss unsere Infrastruktur mit dem Wachstum Schritt halten.
Metzulat: Maßvolles Wachstum bedeutet vor allem, dass die Lebensqualität im Vordergrund steht. Wohngebiete werden offener und kleiner gestaltet. Die Außen- und Innenentwicklung gehen Hand in Hand. Die Infrastruktur kann nachziehen. Maßvoll ist es dann, wenn wir es schaffen, den Charme unserer Stadt beizubehalten und die Menschen miteinander in Kontakt kommen zu lassen.
Epple: Den Rahmen für ein maßvolles und nachhaltiges Wachstum legt der VRS-Regionalplan mit 1,5 Prozent Zuwachs an Baulandfläche pro Fünf-Jahreszeitraum fest. Mehr wäre unangemessen und weniger würde die ohnehin hohen Preise durch die sprichwörtliche „Decke jagen“. Wichtig ist, dass Interessenten sich Häuser oder Wohnungen im Bestand erwerben und renovieren, um den Flächenverbrauch im Außenbereich zu begrenzen.
Raisch: Das Wachstum einer Gemeinde auch bei neuen Baugebieten ergibt sich prinzipiell aus den Maßgaben der Regionalplanung und des Flächennutzungsplans.
Wilhelm: Sinnvoll wäre, das Wachstum der Baugebiete beziehungsweise das Wohnungsangebot an das Wirtschaftswachstum in Renningen anzupassen, damit die Menschen nicht reisen müssen und ihren Arbeitsplatz zu Fuß erreichen können.
Nennen Sie drei Projekte, die Sie in den nächsten acht Jahren gerne verwirklichen oder anstoßen möchten.
Faißt: Erstens: Verstärkte Innenentwicklung zur Schaffung attraktiven und bezahlbaren Wohnraums in den Ortsmitten, verbunden mit Förderungen für Familien mit Kindern sowie betreutem Wohnen für Senioren. Zweitens: Realisieren der vordringlichen Verkehrsprojekte: Lärmschutz, Lückenschluss B 295/B 464, Verlängerung der S 6 bis Calw. Drittens: Konsequente Weiterentwicklung unserer Bildungsstätten und Kinderbetreuung.
Metzulat: In den nächsten acht Jahren möchte ich den Wohnbau neu denken. Die Gebiete Schnallenäcker III und Neuwiesenäcker sind realisiert. Ein Biergarten bereichert unsere Stadt. Die Sporthalle ist gebaut, und kein Verein trainiert mehr auswärts. Ein ergänzendes Verkehrs- und Lärmschutzkonzept bietet neue Möglichkeiten, unsere Stadt vor dem Verkehr und dem Lärm zu schützen.
Epple: Erstens: Schnellstmögliche Staufreiheit durch einen lärmfreien, möglichst umweltverträglichen Ausbau zum B 295-/B 464-Lückenschluss! Zweitens: Keine die S 6 behindernde Lärm-und Diesel-Abgase-Hesse-Bahn! Drittens: 100-Prozent-Kosten-Ersatz vom Land für die Kleinkinderbetreuung, Schulhausbau und Anschluss-Unterbringung von Flüchtlingen statt unverschämtem Griff in Renninger und Malmsheimer Bürgers Geldbeutel!
Raisch: Einführung der Doppik (kaufmännische Buchführung in der Verwaltung, die Red.), Entwicklung des Prototyps eines Musikkindergartens und Etablierung eines permanenten Verbesserungsprozesses.
Wilhelm: Da ich, wie schon gesagt, die Sachlage in Renningen nicht kenne, sollte in erster Linie gegen eine Verschuldung der Gemeindemitglieder vorgegangen werden, sofern eine solche vorliegt. Andere Projekte sind dann zweitrangig.