Zwischen Schulzentrum und Rankbach trafen sich am Wochenende wieder Ritter, Händler und Handwerker zu einem höchst lebendigen Stelldichein. Geboten wurde diesmal auch eine modische Zeitreise durch frühere Jahrhunderte.

Renningen - Wenn abends der Geruch von vielen Lagerfeuern über der Stadt liegt, dann ist es wieder so weit: Renningen ist per Zeitreise ins Mittelalter zurückgekehrt. Ritter mit ihren Pferden, edle Damen, Landsknechte, Handwerker und viel Fußvolk hauchten dem Spektakel Leben ein. Rund 12 000 Besucher tauchten drei Tage in das Leben früherer Jahrhunderte ein. Viele Familien mit Kindern waren darunter, aber auch Menschen jeden Alters, die „korrekt gewandet“ waren, sprich, mit einem Outfit, das an vergangene Zeiten erinnert. „Immer mehr Leute kommen in Mittelalter-Kleidung“, sagte Verena Weidmann-Reisser.

 

Im bürgerlichen Leben ist sie die Konrektorin der Malmsheimer Friedrich-Silcher-Schule. Im Mittelalter führen sie und ihr Mann Andreas Reisser als Truchsessen zu Hefingen die Freyen Rittersleut zu Randingen an. Der Verein hat sich besonders der Zeit des 13. bis 15. Jahrhunderts verschrieben. Doch so eng wird das beim Spektakel, das es in der Rankbachstadt seit acht Jahren gibt, nicht gesehen.

Ein Kettenhemd für den Mann, feine Borten für die Dame

Schon bei der großen Modenschau am Samstag tauchten auf der großen Wiese, auf der zuvor die Ritter ihre Kämpfe ausgetragen hatten, die Wikinger auf, wie sie vielleicht um das Jahr 850 herum ausgesehen haben: der Mann mit Kettenhemd, die Frau mit fein gewebten Borten und vielen Bernsteinketten. Besonder schwer zu tragen hatte der Leibgardist eines Königs von Böhmen. Er war mit einem Panzer aus Metall ausgestattet, der 30 bis 35 Kilogramm wog. Ein Deutschordensritter in weißem Gewand mit schwarzem Kreuz und einer Kettenrüstung darunter beeindruckte die vielen Zuschauer ebenso wie ein Ritter aus der Zeit der Hochgotik mit seinem Reiterharnisch.

Aber auch die Damen hatten modisch einiges zu bieten, die Bürgerfrau mit der typischen Wulsthaube im blutroten Leinenkleid etwa – mit austauschbaren Ärmeln für die Hausarbeit. Oder die Adelige aus dem Burgund, die um 1475 herum ein schwarzes Kleid mit weißer Pelzverbrämung trug. Elegant über den Laufsteg schritten zwei besonders prächtig gekleidete Paare der Tanzgruppe Domenico mit Kostümen aus der Zeit der Renaissance, die auf das Mittelalter folgte.

Eher praktischer Natur waren hingegen die Gewänder der vielen Handwerker und Händler auf dem Markt. An über 70 Ständen präsentierten sie alte Fertigkeiten und Produkte mit Mittelalter-Feeling. „Wir wollen nicht nur erzählen, sondern auch zeigen, wie früher gearbeitet wurde“, sagte Verena Weidmann-Reisser. Die Nachfrage von Handwerkern und Händlern sei groß. „Wir mussten einigen absagen und ebenso 20 Rittergruppen, die bei uns mitmachen wollten.“ Der Platz sei begrenzt. Das Spektakel solle räumlich nicht weiter ausgedehnt werden.

Gutes Leder lässt sich kompostieren

Während die Händler, die etwa Bernsteinschmuck von der Kurischen Nehrung, Trockenfrüchte-Pralinen, duftende Seifen, Kräuter, Stoffe, Aladin-Schuhe oder Steinskulpturen verkauften, auf eigene Rechnung arbeiteten, bekamen viele Handwerker eine Gage vom Verein, um ihre alte Kunst zu präsentieren. So knüpfte der Seiler Andreas Exner aus Illertissen große Fischernetze, während seine Frau Inge filigrane Haarbedeckungen anfertigte.

Um einen Platz beworben hatte sich auch Ulrich Köhler, dessen Familie schon im 19. Jahrhundert das Gerberhandwerk ausübte. Er hat sich der Bio-Gerberei verschrieben. „Wir arbeiten ohne chemische Stoffe“, sagte der Mann aus Zittau. „Gutes Leder kann man kompostieren“, fügte er hinzu. Ein Teddybär mit Kettenhemd? „Warum nicht“, sagten Tobias Pischek und seine Begleiterin lachend. Der Sarwürker, also der Hersteller von Kettenhemden, braucht zwei Jahre, um ein großes Hemd mit 40 000 Ringen herzustellen, die auch noch alle einzeln vernietet sind, wenn sie gut gemacht sind. Da geht es bei einem Teil für ein kleines Kuscheltier schon flotter.

Zwar führte Johann Franzisko sein Handwerk auf dem Markt nicht vor, er war aber mit Verkaufen gut beschäftigt, denn an seinem Stand gab es alles für kleine Ritter und Burgfräulein: Helme aus Pappe, Holzschwerter, Korkschleudern, geflochtene Haarschleier. Jedes Wochenende bietet er auf Märkten das an, was er mit drei Mitarbeitern in Hirschhorn herstellt. Nach Renningen komme er besonders gern. Die Stadt habe sich in letzter Zeit sehr verändert, sagte er. Die neue Stadtmitte gefalle ihm richtig gut.

Noch vor der großen Feuershow am Samstagabend hatte sich viel Volk um den Turnierplatz versammelt. Tobias Buschik wollte einen neuen Weltrekord im Feuerspucken aufstellen, der derzeit bei 189 Flammen pro Minute liegt. Im zweiten Versuch wurden respektable 170 Feuerstöße gezählt. Ist der Versuch damit gescheitert? Das steht noch aus. Denn die kleinen Feuerbälle kamen so rasant, dass erst die ganz unmittelalterliche Auszählung der Videoaufnahmen endgültig Aufschluss geben kann.