Niemand im Land bezieht die Sitze edler Karossen kunstvoller als Rebecca Becht aus Höfingen.

Leonberg - Als ein Kunde die Sitze seines Boliden mit Leder von Louis Vuitton beziehen lassen wollte, ist auch der Ausbildungsbetrieb von Rebecca Becht, die Techart GmbH in Höfingen, beinahe an seine Grenzen gestoßen, weil das Material einfach nicht zu bekommen ist. Also kaufte der Porsche-Veredler einfach sehr viele Handtaschen und zerlegte sie. „Das war unfassbar teuer“, sagt die 20-Jährige. Sie hat dort ihre Ausbildung zur Fahrzeugsattlerin erfolgreich beendet und ist jetzt als landesweit Beste geehrt worden. Beim Bundeswettbewerb schaffte sie den Silberrang.

 

Der international agierende Betrieb kümmert sich um die individuelle Personalisierung von Sportwagen der Marke Porsche. Ausgefallene Wünsche stehen hier an der Tagesordnung, sogar Elefantenleder wurde schon verarbeitet. Neben den Scheichs kommen die meisten Kunden übrigens aus der Schweiz, verrät die Sattlerin.

Arbeitsteilung mit dem Freund

Jetzt besucht Rebecca Becht die Kerschensteinerschule in Stuttgart-Feuerbach. Dort macht sie zurzeit ihren Meister. In Vollzeit, „damit ich alles gleich an einem Stück durchziehen kann“. Denn die 20-Jährige hat großes Pläne: eine eigene Firma, am liebsten zusammen mit ihrem Freund. Der ist passenderweise Kfz-Meister. „Er kümmert sich dann quasi um das ganze Äußere des Fahrzeugs und ich mich um das Innenleben“, sagt sie und lacht. Doch wie kommt eine junge Frau eigentlich auf die Idee, Sattlerin zu werden? Denn auch wenn Frauen im Handwerker längst keine Ausnahme mehr sind, gilt es dennoch als etwas Besonderes, dass schöne Geschlecht dort anzutreffen. Für Rebecca Becht war schon immer klar, dass sie nach dem Hauptschulabschluss einen Beruf im Handwerk ergreifen würde. Kein Wunder, bei der Familie. Ihr Bruder war der jüngste Meister Deutschlands. Er ist Raumausstatter und Gründer von drei eigenen Firmen. Auch ihr Vater, ebenfalls Raumausstatter, und ihre Mutter, Goldschmiedemeisterin, hatten vor dem Ruhestand eigene Unternehmen. „Ich konnte schon immer gut nähen und bin total autoverrückt“, sagt die 20-Jährige„deshalb ist Sattler einfach der perfekte Beruf für mich.“

Raumausstatterin wollte sie nie werden, dort kommt für sie das Nähen zu kurz. Außerdem wird dort noch mehr körperlich gearbeitet, als es im Sattlerhandwerk der Fall ist. „Manchmal muss ich meine männlichen Kollegen fragen, ob sie mir kurz helfen können. Wenn man einen Autositz beziehen muss, zum Beispiel“, sagt sie. Schlimm findet die 20-Jährige das aber nicht. Und mit Männern kommt sie sowieso besser zurecht als mit Frauen. Die haben ihr den Erfolg oft geneidet. „Klar, muss man einiges abhaben können in einer Werkstatt und darf nicht zimperlich sein. Aber wenn man sich erst mal bewiesen hat, nehmen die Männer einen auch ernst. Und sie sind ehrlich“, sagt sie. „Natürlich muss ich mir auch manchmal Sprüche anhören, weil ich so dünn bin beispielsweise, aber das macht mir nichts. Ich lache dann einfach mit.“

Klasse Noten

Sitze beziehen, Inneneinrichtungen anbringen und Verdecke nähen – das hat Rebecca Becht in ihrer Ausbildung gelernt. Und bei der Gesellenprüfung hat sie allen gezeigt, wie gut sie das kann. Für ihren Autositz hat sie die Note 1,1 bekommen. Aber damit nicht genug. Aus allen Absolventen wählt die zuständige Handwerkskammer jedes Jahr nämlich das beste Gesellenstück aus und schickt es dann zum Landeswettbewerb. Dort wird das Gewinner-Werkstück erneut bewertet, dieses Mal von einer anderen Fachjury. Und die Juroren waren sich einig: Der Sitz von Rebecca Becht ist das beste Gesellenstück Baden-Württembergs. Neben allerlei nützlichem Werkzeug hat sie damit auch ein Stipendium für die Meisterschule gewonnen. Besser geht es kaum. Oder doch? Ja, denn wenig später trudelt die Einladung zum Bundeswettbewerb ein. In Bremen treffen die besten Sattler des Landes aufeinander.

Und Rebecca Becht ist eine von ihnen. Sie stellt sich der Herausforderung: drei Werkstücke in zehn Stunden. „Ich wusste nicht, was auf mich zukommt. Also habe ich improvisiert“, sagt die Sattlerin. Und das scheint sie gut gemacht zu haben, denn die 20-Jährige ist nur wenig später die zweitbeste Sattlerin Deutschlands. Eine beeindruckende Leistung. Das finden auch ihre Lehrer an der Meisterschule. Seit ihrem Sieg war sie nicht mehr dort. Und während sie durch die Werkstätten der Schule spaziert, kommen aus jeder Ecke Glückwünsche. Ein fester Händedruck hier, eine schnelle Gratulation da oder einfach nur ein anerkennendes Kopfnicken. Ehrlich eben. So, wie es Rebecca Becht mag.