Im Herbst hatte die Polizei in einer Notunterkunft in Rutesheim einen Syrer wegen Terrorverdachts festgenommen. Der 24-Jährige streitet die Vorwürfe ab.

Stuttgart/Rutesheim - Ende September des vergangenen Jahres hat ein spektakulärer Polizeieinsatz in Rutesheim für überregionale Schlagzeilen gesorgt. Ein 24-jähriger Syrer, der sich in einer Notunterkunft des Landkreises aufhielt, war unter Terrorverdacht festgenommen worden. Die Ermittler hatten bei ihm einschlägiges Propagandamaterial entdeckt.

 

Der Syrer war zuvor in einer Sporthalle in Leonberg untergebracht und dann nach Rutesheim verlegt worden. Bei einer Durchsuchung der Unterkunft stellten die Beamten weiteres Material sicher.

Jetzt steht er in Stuttgart vor dem Oberlandesgericht und versteht die Welt nicht mehr. „Ich bin nicht nach Deutschland gekommen, um im Gefängnis zu sitzen“, sagt der Syrer vor dem 3. Strafsenat . Schon bei der Polizei hatte er sein Unverständnis geäußert. Er habe gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS) gekämpft. Daran sei doch nichts falsch.

Ankläger Eckard Maak von der Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart sieht das anders. „Dass der Angeklagte gegen den IS gekämpft hat, wird bei der Strafzumessung berücksichtigt werden müssen“, sagt der Oberstaatsanwalt. Allerdings habe der 25-Jährige dies als Mitglied der Al-Nusra-Front getan. Und die Jabhat al-Nusra sei seit 2013 als terroristische Vereinigung im Ausland eingestuft.

Der Häftling tritt in Hungerstreik

Der Syrer, der vor seiner Festnahme in Rutesheim in einer Unterkunft wohnte, hat die Behörden vor Probleme gestellt. Mitte Januar war er in einen Hungerstreik getreten. „Ich wollte ein Leben außerhalb des Gefängnisses führen“, sagt er vor Gericht.

Er wurde ins Vollzugskrankenhaus Hohenasperg verlegt. Irgendwann lehnte er die Infusionen ab und kam in ein Krankenhaus. Dort wurde er zwangsernährt und im Drei-Schicht-Betrieb rund um die Uhr von der Polizei bewacht. Der Prozess gegen ihn musste warten. Doch der Syrer änderte seine Haltung. „Der Hungerstreik war ein Fehler“, sagt er vor Gericht. Er müsse leben und anderen Menschen helfen.

Angeklagter will Pfleger werden

Jetzt steht der schmächtige Mann erst einmal vor Gericht. Ihm wird vorgeworfen, er habe zwischen September 2013 und Mai 2014 als Al-Nusra-Mann gekämpft. An zwei bewaffneten Einsätzen soll er teilgenommen und Wache geschoben haben.

Der Angeklagte bestreitet die Vorwürfe nicht. „Er stand aber unter Zwang“, sagt sein Verteidiger Daniel Wolff. Als sein Mandant die Gelegenheit gehabt habe, sich aus der Zwangssituation zu befreien, sei er nach Deutschland geflüchtet: „Wir werden auf einen Freispruch hinarbeiten.“

Ankläger nennt den Mann einen „Pechvogel“

Als 2011 die Unruhen in Syrien ausgebrochen seien, habe sich die syrische Armee des Machthabers Assad aus seinem Heimatort Hadjim zurückgezogen, sagt der Angeklagte. Er habe sich einer Gruppe junger Männer angeschlossen, die die Stadt beschützen wollte. Wie er dann zur Al-Nusra-Front gekommen ist, will er im Laufe des Prozesses berichten. Jedenfalls reiste er am 25. September 2014 als Flüchtling nach Deutschland ein und landete erst in Leonberg und dann in Rutesheim, wo er am 19. September 2016 festgenommen wurde. Der Prozess wird fortgesetzt.