Roland Bernhard will dafür eintreten, dass die Hermann-Hesse-Bahn in Weil der Stadt endet. Diese überraschende Meinung hat er am Donnerstag geäußert.

Weil der Stadt/Renningen - Damit haben die Bürgerinitiatoren selbst nicht gerechnet. Am Donnerstag waren die Mitstreiter der Initiative „Pro S-Bahn-Verlängerung“ beim Böblinger Landrat Roland Bernhard. 2000 Unterschriften gegen die Hesse-Bahn hatten sie gesammelt, die sie dem Kreischef übergeben wollen.

 

Kaum hatte der Landrat den Ordner mit den Signaturen in der Hand, hob er zu seiner kurzen Rede an und warf kurzerhand seine Positionen über den Haufen, die er bisher so standhaft gegen den erbitterten Widerstand aus den Bürgermeisterzimmern und Gemeinderatssälen in Weil der Stadt und Renningen vertreten hatte.

„Der Verkehrsminister muss springen“, sagte Bernhard und forderte: „Wir müssen das Land dafür gewinnen, dass Fördergelder für die Hesse-Bahn in einem ersten Ausbauabschnitt nur bis Weil der Stadt freigegeben werden.“ Dafür wolle er, gemeinsam mit seinem Calwer Amtskollegen Helmut Riegger nach Stuttgart fahren und dort bei Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) vorsprechen.

Hesse-Bahnm nur mit Endstation Renningen wirtschaftlich

Der Knackpunkt der ganzen Diskussion sind die Millionen, mit denen das Land die Hesse-Bahn unterstützen will. Die sind an enge Bedingungen geknüpft. Ein Gutachten zur Wirtschaftlichkeit wurde dafür erstellt – und dabei war herausgekommen, dass die Hesse-Bahn nur wirtschaftlich sei, wenn sie von Calw bis Renningen fährt, nicht, wenn sie in Weil der Stadt endet.

Dagegen wehren sich Verkehrspolitiker, vor allem in Weil der Stadt, in Renningen und beim Verband Region Stuttgart. Sie fürchten, dass das ganze S-Bahn-Netz aus dem Takt kommt, wenn auf dem eingleisigen Stück bei Malmsheim auch noch die Hesse-Bahn pendelt. „Hesse-Bahn, ja gerne – aber nur bis Weil der Stadt“, hatten die Renninger und Weil der Städter mantraartig wiederholt und sich dabei mehr Unterstützung auch aus Böblingen gewünscht.

Jetzt stimmt der Böblinger Landrat in dieses Lied mit ein. Noch im Juli hatte er in einem Gespräch mit unserer Zeitung verkündet, seinen Kreistag dazu überreden zu wollen, die Hesse-Bahn mit 3,9 Millionen Euro zu unterstützen. „Wir können unsere Mitwirkung nicht auf die lange Bank schieben“, hatte er damals gesagt. Überzeugen konnte Bernhard seine Kreisräte offenbar nicht. Nach und nach waren immer mehr kritische Stimmen laut geworden. Noch nicht einmal auf eine Tagesordnung der Gremien hat es das Thema seitdem geschafft.

Landrat hat keine andere Wahl

Auch deshalb blieb dem Landrat am Ende nichts anderes übrig, als seine Meinung zu ändern. „Mein Angebot ist, dass ich das Gespräch suche“, versprach er nun den Vertretern der Bürgerinitiative. Voraussetzung sei ein Gutachten zur S-Bahn-Verlängerung, dessen Ergebnis für Mitte Dezember erwartet wird. Wenn dieses Gutachten eine Perspektive für eine S-Bahn-Verlängerung nach Calw eröffnet, trete er dafür ein, dass man das Stufenkonzept „modifiziert“, wie der Landrat es nannte. Also eine erste Ausbaustufe der Hesse-Bahn nur bis Weil der Stadt, und dann später die S-Bahn-Verlängerung nach Calw. Freilich wird all dies nicht in Böblingen entschieden, sondern in Calw, wo sich der Bauherr der Hesse-Bahn befindet, und in Stuttgart, wo die Landesregierung auf dem Fördertopf sitzt. Damit hat nicht nur das Verkehrs-, sondern auch das Finanzministerium über diese Frage zu befinden.

Der Böblinger Landrat Roland Bernhard könnte dennoch ein wichtiger Vermittler sein. Das hat er zuletzt bei der Frage um die höhere Förderung einer Eisenbahnbrücke über die Weil der Städter Südumfahrung gezeigt. Weil der Stadt hatte beim Land einen höheren Zuschuss beantragt, was der Verkehrsminister dem Vernehmen nach zunächst abgelehnt hat. Erst die Intervention von Roland Bernhard und die geschickte Verhandlung seiner damaligen Verkehrsdezernentin Roseli Eberhard konnten die Stuttgarter Beamten doch noch umstimmen und Weil der Stadt mehr Geld zubilligen.

Jetzt wird es komplex

Die Frage, die Roland Bernhard jetzt in Stuttgart diskutieren will, ist freilich ungleich komplexer – juristisch und politisch. Kann die Landesregierung ein Verkehrsprojekt fördern, dessen Wirtschaftlichkeit zumindest noch nicht gegeben ist? Also den Bau der Hesse-Bahn bis Weil der Stadt, mit späterer Verlängerung bis Renningen?

Die Vertreter der Bürgerinitiative jedenfalls sind begeistert, dass ihr Landrat seine Position geändert hat. „Sie nehmen dem Streit den Wind aus den Segeln“, lobt Peter Weiß, der Fraktionschef der CDU im Renninger Gemeinderat. „Ich finde Ihren Vorschlag sehr lobenswert“, ergänzt Silvia Tanczos-Lückge, die SDP-Gemeinderätin aus der Nachbarstadt. „Das ist das, was wir in Weil der Stadt immer wollten.“