Am Dienstagmorgen flieht ein Rind von einem Hof in Maichingen – und löst einen Großeinsatz von Polizei und Feuerwehr aus. Zeitweise ist sogar ein Hubschrauber im Einsatz.

Böblingen - Wie kommt ein Kuhfladen aufs Dach? Wer die Lösung dieses altehrwürdigen Witzes bisher nicht kannte, dem sei hier und jetzt weitergeholfen: indem die Kuh auf das Dach springt. Klingt unglaubwürdig? Nicht unbedingt, denn in Sindelfingen-Maichingen (Kreis Böblingen) hat eine Kuh, die auf dem Dach einer Garage stand, am Dienstag Polizei und Feuerwehr stundenlang auf Trab gehalten.

 

Das 600 Kilogramm schwere Tier war am Morgen gegen 8 Uhr von einem Bauernhof in Maichingen ausgebüxt. Die Kuh, die wegen ihres Kälbchens separat untergebracht gewesen war, sollte in eine andere Box verlegt werden. Dabei sei sie jedoch durchgegangen, sagt einer der Landwirte, die vor Ort waren. „Sie hat Panik bekommen.“ Mitsamt ihrem Kalb suchte die Kuh das Weite.

Die Kuh rannte zwei Landwirte um

Der Landwirt nahm mit mehreren Helfern die Verfolgung auf. Mit Traktoren versuchten sie, die Tiere, die sich im Bereich der Calwer Straße und der Gottlieb-Daimler-Straße aufhielten, von den dortigen Straßen fernzuhalten und zurück in den Stall zu lotsen. Mittlerweile war auch die Polizei zu Hilfe gerufen worden.

Die Tiere ließen sich jedoch nicht so schnell festsetzen: Als zwei Landwirte aus ihren Traktoren ausstiegen, rannte das Muttertier sie um und flüchtete gemeinsam mit seinem Kalb. „Zum Glück wurde dabei niemand verletzt“, sagt Frank Bechtle, der Leiter des Polizeipostens Maichingen. Um 8.45 Uhr gelang es einem der Helfer schließlich, das Kalb mit Hilfe einer Hundeschlinge einzufangen und zurück zum Stall zu bringen.

Das Muttertier streifte derweil durch das Maichinger Wohngebiet Krautgarten. Es wurde dabei von einem Polizeihubschrauber aus überwacht. Um die Anwohner vor der aggressiven, da sehr gestressten Kuh zu schützen, wurden sie gebeten, vorerst ihre Häuser nicht zu verlassen. Schließlich kam das Tier im Garten eines Mehrfamilienhauses in der Herrenberger Straße an und sprang auf das Dach einer angrenzenden Garage. Dort reicht der Boden bis auf gut einen Meter an die Oberkante der Garage heran – eine Höhe, die von einer Kuh durchaus bewältigt werden kann. Von diesem Posten aus besah das Tier sein Umfeld genau und zeigte sich weiterhin aggressiv, vorsichtshalber sperrte die Polizei die Gegend ab.

Werksfeuerwehr des Sindelfinger Mercedes-Benz-Werks wurde hinzugezogen

Tierärzte, die eilig herbeigerufen worden waren, betäubten die Kuh schließlich mit mehreren Pfeilen. „Die Dosis hätte für drei Bullen gereicht“, sagt die Tierärztin Stephanie Lesch aus Aichtal (Kreis Esslingen), die sich um die Tiere auf dem Hof kümmert. Das liege am Adrenalin, das wegen der Aufregung durch die Adern der Kuh gepumpt werde. Dann machte sich die Wirkung der Betäubung bemerkbar. Die Kuh sprang auf der Rückseite der Garage vom Dach und ließ sich unter einem Baum nieder. Die Polizei hatte allerdings auch schon für den Notfall vorgesorgt und ein Gewehr mitgebracht. Wäre die Kuh beispielsweise an der erheblich höheren Vorderseite der Garage heruntergesprungen und hätte sich schwer verletzt, wäre sie erschossen worden, sagt Ulf Dieter, der Einsatzleiter der Polizei Sindelfingen.

Zur Bergung des betäubten Tiers wurde die Werksfeuerwehr des Sindelfinger Mercedes-Benz-Werks hinzugezogen. Mit Hilfe eines speziellen Krans hievten die Einsatzkräfte die Kuh schließlich vom Garten über die Garage hinweg und in einen oben offenen Container auf einem Wechselladerfahrzeug. Die ersten beiden Versuche waren fehlgeschlagen, immer drohte die Kuh aus dem für Pferde gedachten Geschirr herauszurutschen. „Wenn sie uns runterfällt, ist sie tot“, sagte Rainer Just von der Sindelfinger Feuerwehr voller Sorge. Zur Not hatte er geplant, einen Hänger durch die angrenzenden Gärten zu bugsieren und dazu eben auch Bäume zu fällen und Zäune einzureißen.

Das Tier blieb soweit unverletzt

Beim dritten Versuch gegen 13 Uhr, bei dem die Kuh an den Fesseln aufgehängt wurde, gelang der knifflige Transport schließlich. Damit das bis dato bis auf einige Schürfwunden unverletzte Tier ruhig blieb, hatte noch mehr Betäubungsmittel verabreicht werden müssen.

Die Feuerwehr transportierte das Tier schließlich zurück in seinen Stall, wo es um 13.40 Uhr ankam. Nun hänge alles davon ab, wie die Kuh die Narkose verkrafte, so die Tierärztin Lesch. „Das ist Stress pur für sie.“ Ob das Tier seinen Ausflug überlebe, werde sich daher erst noch zeigen.