Sie stellen Nudeln her und produzieren Kaffee: Am 27. Mai eröffnet in Korntal das Kornhaus. Die Mitarbeiter sind junge Flüchtlinge. Sie sollen die deutsche Arbeitswelt kennenlernen und ihre Sprachkenntnisse im Kontakt mit Kunden verbessern.

Korntal-Münchingen - Yassir Eric erinnert sich noch genau an seine ersten Tage in Deutschland, und wie fremd ihm damals noch die hiesigen Gewohnheiten, Sitten und Lebensweisen waren. Dem gebürtigen Sudanesen, der seit 1999 in Korntal lebt, fallen zwei Wörter ein: „Kehrwoche und Pünktlichkeit.“ Es habe eine Weile gebraucht, bis er sich heimisch gefühlt habe. „Ich hatte aber großes Glück“, sagt Eric, „es gab Menschen, die mich begleitet haben.“ Sein damaliges Glück will der Vorstandsvorsitzende des gemeinnützigen Vereins Saatkorn nun weitergeben.

 

Am Samstag, 27. Mai, eröffnet um 11 Uhr deshalb das von seinem Verein initiierte Projekt Café Kornhaus in der Martin-Luther-Straße 33 in Korntal seine Türen. Acht ehemalige unbegleitete minderjährige Flüchtlinge werden dort die Arbeit aufnehmen. Die 18- bis 24-Jährigen servieren dort nicht nur Kaffee: Angeschlossen an das Café ist auch eine Nudelmanufaktur, in der sie ihre eigenen Nudeln herstellen.

Junge Flüchtlinge brauchen Unterstützung

Zusammen mit dem Koch Carsten Gunsilius haben die Flüchtlinge bereits mit der Produktion begonnen. „Wir haben bisher zehn Kilo produziert“, berichtet Gunsilius. Das Kilogramm soll acht Euro kosten. Insgesamt wird es sieben verschiedene Nudelsorten geben, darunter auch eine, die aussieht wie das Korn-Logo des Hauses. „Die Spritzform haben wir extra produzieren lassen“, sagt Gunsilius.

Erst im Dezember hatte Yassir Eric mit Hilfe von Monika Klotz, der Vizevorsitzenden von Saatkorn, die sechs Syrer und zwei Afghanen in zwei Privatwohnungen untergebracht, die nur 250 Meter vom künftigen Arbeitsplatz entfernt liegen – damals mit dem Ziel, den Flüchtlingen den Eintritt in die Gesellschaft zu erleichtern. „In dem Café sollen sie nun das Arbeitsleben in Deutschland kennenlernen, und ihre Sprachkenntnisse im Kontakt mit den Kunden verbessern“, sagt Eric.

Das Café sei „einzigartig“, ist Monika Klotz überzeugt. Nicht nur, weil es mit den „schönen“ Cafés in Stuttgart mithalten soll. Sie kenne auch kein anderes Projekt, das junge Menschen, die den Status der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge verlieren, weiter betreut.

„Wenn sie ihr 18. Lebensjahr erreichen, fällt die Unterstützung einfach weg“, so Klotz. „Aber das heißt noch lange nicht, dass sie auch auf eigenen Füßen stehen können“, ergänzt Yassir Eric, der darauf hinweist, dass in der arabischen Kultur das Familienkollektiv sehr prägend sei.

Nur ein kleiner Tropfen

Es sei wichtig, so Klotz, den jungen Menschen weiterhin eine sinnvolle Unterstützung zu bieten. „Deshalb engagieren wir uns für sie auch auf dem Arbeitsmarkt, wollen Ausbildungs- oder Praktikumsstellen vermitteln“, sagt Eric. Außerdem soll das Kornhaus eine „Begegnung auf Augenhöhe“ ermöglichen. „Die Kunden sollen die Flüchtlinge nicht nur als Migranten sehen, sondern als gewöhnliche Mitarbeiter eines Cafés“, formuliert es Eric.

Eric, der auch das 2013 gegründete Europäische Institut für Migration, Integration und Islamthemen in Korntal leitet, sagt, dass man Parallelgesellschaften nur verhindern könne, wenn man auf die Flüchtlinge zugehe: „Jemand muss ihnen ihre Rechte, aber auch ihre Pflichten in diesem Land beibringen.“ Das Kornhaus-Projekt sei nur ein Tropfen. Aber Eric hofft, dass er dem einen oder anderen Mitarbeiter in ein paar Jahren wieder begegnet und er dann sagen kann: „Er hat es geschafft, sein Leben ist gelungen.“

Wohnen und Arbeiten – ein Projekt für Flüchtlinge

Der Verein Saatkorn Projekt e.V. ist eine Privatinitiative, die mit der Stadt Korntal-Münchingen, den Kirchen und lokalen Vereinen eng vernetzt ist. Die Wohnungen der Flüchtlinge und die Ladenfläche können laut Monika Klotz, der zweiten Vorsitzenden des Vereins, mit den Mietunterstützungen des Jobcenters finanziert werden. Zudem sind für das Projekt Firmenspenden vorgesehen.

Das Konzept, das dem Kornhaus-Projekt zugrunde liegt, nennt Klotz „Wohnen und Arbeiten für Flüchtlinge“. Viele hätten sich dafür beworben. Sollte der Verein neue Wohnräume in Korntal finden, könnten weitere Projekte zur Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt auf die Beine gestellt werden, sagt Klotz.