Gerlingen betritt Neuland: Räume der Stadt gibt es für politische Veranstaltungen nur, wenn Berichterstatter dabei sein dürfen.

Gerlingen - Es ist nur ein neuer Satz in der sogenannten Hallenordnung, aber dieser soll weitreichende Folgen haben. „Bei politischen Veranstaltungen muss die Teilnahme von Vertretern der Medienberichterstattung (Fernsehen, Radio, Zeitung, Internet) gestattet sein.“ So steht es vom 1. Juni an im Paragrafen Eins der „Allgemeinen Bestimmungen für die Überlassung von Räumen der Stadt Gerlingen“. Die Verwaltung und der Gemeinderat wollen verhindern, dass politische Gruppierungen in Räumen der Stadt unter sich bleiben und Medienvertretern den Zutritt verweigern können. Dies betonte der Bürgermeister Georg Brenner am Mittwoch im Gemeinderat, als die Verwaltung dem Gremium einen Beschlussantrag vorlegte. Er nannte aber den Namen der AfD ausdrücklich nicht.

 

Nach den Erfahrungen anderer Städte habe man sich im Rathaus gefragt, so der 62-jährige Bürgermeister, „was sagt unsere Hallenordnung aus und müssen wir nachjustieren“. Man habe erkannt, dass ein Zusatz angebracht sei und dessen Formulierung mit dem Städtetag abgestimmt.

Rathaus will eine Rechtsgrundlage haben

Brenner nannte den Namen der AfD nicht explizit, sondern berief sich auf „eine besondere Partei“. Er verwies aber auf die Absage einer Parteiveranstaltung in Esslingen, die dann in Nürtingen stattfand. Diese Absage hatte den Parteitag der AfD betroffen, der für Februar in Esslingen geplant war, dann aber im Januar in Nürtingen abgehalten werden musste. „Wir wollen, dass Medienberichterstattung zugelassen ist“, so Brenner. Dafür wolle man eine Rechtsgrundlage haben. Für Verstöße seien Sanktionen vorgesehen. Denn die Stadt müsse Räume an Parteien vermieten, wenn entsprechende Anfragen kämen – Parteien hätten ein „Zugriffsrecht“. Ablehnungen seien von Verwaltungsgerichten zurückgewiesen worden, Kollegen, so Brenner, hätten bereits „entsprechende Erfahrungen machen dürfen“.

Der Gemeinderat stimmte dem Vorschlag einstimmig zu. Robin Kruck (Junge Gerlinger) dankte der Verwaltung für „gute Eigeninitiative“. Die zugrunde liegende Debatte beschäftige die Jungen Gerlinger. „Ein Verbot politischer Parteien in städtischen Hallen“ wäre keine gesunde Lösung.

„Die erste Anfrage“

Norbert Brugger, Dezernent beim Städtetag Baden-Württemberg, hat Gerlingen zu diesem Thema beraten. Es sei „Neuland“ und die erste diesbezügliche Anfrage gewesen, sagt er. Städtische Hallen seien öffentliche Einrichtungen, Parteien bei deren Nutzung gleich zu behandeln. „Bestimmte Nutzergruppen kann man nicht ausschließen“, so Brugger, „aber bestimmte Nutzungen“. Dazu gehörten politische Veranstaltungen. So lasse nach einer Umfrage des Innenministeriums von 2009 ein Drittel aller befragten Kommunen politische Veranstaltungen in ihren Räumen nicht zu. Wenn man die Nutzung regeln wolle, sei eine Zulassung unter Bedingungen der geringere rechtliche Eingriff als ein generelles Verbot. „Das Signal soll sein, wir wollen politische Veranstaltungen für die Öffentlichkeit zugänglich machen.“ Der Städtetag trage die von Gerlingen gewählte Formulierung mit, „wir halten sie für rechtlich zulässig“.

Teil der demokratischen Kultur

Da Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken, so die Landesvorsitzende des Deutschen Journalistenverbandes, Dagmar Lange, gehöre es zur demokratischen Kultur, dass die Öffentlichkeit sich unabhängig und uneingeschränkt über die Positionen der Parteien informieren könne. Dies setze voraus, dass Journalisten sich direkt vor Ort ein Bild machen könnten und sie „nicht durch vorgefilterte Informationen wie Presseinformationen abgespeist“ würden. Durch den Beschluss in Gerlingen könne aber nicht verhindert werden, so Lange weiter, „dass einzelne Parteien Akkreditierungen für Journalisten nur selektiv erteilen“.

Info: Wo die AfD und Co. unterkommen

Korntal-Münchingen
Der Ortsverband der AfD hat am 26. April in der Stadthalle in Korntal den Bundestagswahlkampf eröffnet. Dabei wurde der AfD-Kandidat im Wahlkreis Ludwigsburg, Martin Hess, vorgestellt. Das Thema des Polizeihauptkommissars lautete „Innere Sicherheit in Gefahr?“ Die Presse war da.

Bietigheim-Bissingen
Aktuell hat die AfD laut der Stadt angefragt, das Kronenzentrum für eine Parteiveranstaltung mieten zu können.

Ludwigsburg
Mehrere Veranstaltungen von politisch rechts stehenden Gruppierungen im Hotel Krauthof in Ludwigsburg-Hoheneck haben 2016 für Aufsehen gesorgt. Dort trat im November der AfD-Politiker Björn Höcke aus Thüringen auf. Zu dieser Veranstaltung waren Presse und Publikum nicht zugelassen. 150 Personen demonstrierten.

Kreis Böblingen
Die Stadt Böblingen hat Jörg Meuthen im Februar 2016 ausgeladen. Der AfD-Bundesvorsitzende sprach dann vor 200 Gästen im katholischen Gemeindehaus in Weil der Stadt.

Esslingen/Nürtingen
Die AfD wollte am 18. und 19. Februar 2017 im Neckarforum Esslingen einen Parteitag abhalten. Dazu erließ die Stadt Sicherheitsvorschriften, um die Durchgänge von der Halle zu einem benachbarten Hotel zu kontrollieren. Die Partei sagte deswegen ab und mietete für den 21. und 22. Januar die Stadthalle Nürtingen. Journalisten waren nicht zugelassen.

Weinheim
Eine von der AfD in städtischen Räumen geplante Wahlkampfveranstaltung am 3. März 2016 sagte die Stadt Weinheim ab. Der Mietvertrag war geschlossen worden, bevor der Gemeinderat die Hallennutzungsordnung änderte. Danach müssen Parteiveranstaltungen einen orts- oder kreispolitischen Bezug haben. Der Grund für die Änderung waren Versammlungen der NPD in der Stadt, die von Ausschreitungen begleitet waren.