Obwohl das Gerichtsurteil über das Gebiet Breitloh-West II schon eine Weile zurückliegt, bleibt es im Gemeinderat ein großes Thema. Doch was bedeutet der ungültige Bebauungsplan eigentlich für die Beteiligten?

Wimsheim - Die Diskussionen um die Goldscheideanstalt C. Hafner und das Baugebiet Breitloh-West in Wimsheim reißen nicht ab. Zuletzt brachten Mitglieder der Liste Bürgerinitiative das Thema in einer Gemeinderatssitzung wieder aufs Tapet und äußerten einige kritische Fragen. Während diese Einwürfe wohl eher als politischer Schachzug zu verstehen sind, stehen bei den Bürgern bestimmt tatsächlich noch so manche Fragezeichen hinter der Entwicklung um das Gerichtsurteil, mit dem der Bebauungsplan „Breitloh-West II“ für unwirksam erklärt wurde.

 

Was ist passiert?

Die Gemeinde Wimsheim hat einst das Gebiet ganz im Süden des Ortes als ein „eingeschränktes Industriegebiet“ ausgewiesen – vor dem Hintergrund, dass die Goldscheideanstalt C. Hafner sich dort ansiedeln und gegebenenfalls erweitern kann. Der Bebauungsplan trat im März 2014 in Kraft, Hafner feierte die Eröffnung seines Betriebs im Herbst 2015. Die Ansiedlung war von Anfang an umstritten, Gegner des Projekts strengten sogar eine Klage an und warfen der Gemeinde Formfehler bei der Erstellung des Planes vor. Das bestätigte der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Anfang 2017, die anschließenden Einsprüche der Gemeinde hatten keinen Erfolg. Damit ist der Plan offiziell unwirksam und Breitloh-West II kein Industriegebiet.

Wieso wurde der Bebauungsplan gekippt?

Zunächst: Das Urteil hatte nichts mit der Firma Hafner zu tun, weder mit deren aktuellen oder zukünftig vielleicht zu erwartenden Emissionen. Vielmehr ist es bei der Erstellung des Plans zu einem folgenschweren Formfehler gekommen. In dem Plan ist nämlich festgelegt, dass in Breitloh-West II „erheblich belästigende Betriebe der Edelmetall- und Nichteisenmetallverarbeitung“ zulässig sind. Zwar bildete den Anlass für diese Entscheidung die konkrete Anfrage der Firma Hafner, deren Schadstoffwerte in der Produktion die Gemeinde für unbedenklich befunden hatte. In dem Bebauungsplan steht jedoch nichts davon, dass die Ansiedlung nur für C. Hafner erlaubt ist. Dafür hätte der Plan „vorhabenbezogen“ sein müssen. Stattdessen wurde er allgemein gehalten, was bedeutet, dass sich jede andere Firma aus derselben Branche ebenfalls dort hätte ansiedeln können. Deren Emissionen hätten natürlich noch einmal ganz anders – vor allem höher – ausfallen können, was die Gemeinde aber nicht berücksichtigt hatte.

Wo liegt der Unterschied zwischen einem Industriegebiet und zum Beispiel einem Gewerbegebiet?

In einem Industriegebiet sind grundsätzlich höhere Emissionen zulässig, zum Beispiel höhere Lärm- oder Schadstoffwerte, und werden deshalb – anders als Gewerbegebiete mit kleineren Handwerksbetrieben oder Verwaltungsgebäuden – immer in gewisser Entfernung zu Wohngebieten angelegt. Nun können die Werte von Industriebetrieben sehr unterschiedlich sein, was sich auch auf die notwendige Entfernung zu Wohnhäusern auswirken kann. Im Abstandserlass des Ministeriums für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft findet sich eine Orientierung, welche Abstände für gewöhnlich gefordert werden. So sollten zum Beispiel Erdöl-Raffinerien oder Kraftwerke ab einer bestimmten Leistung mindestens 1,5 Kilometer von Wohnhäusern entfernt stehen, Anlagen zur Herstellung von Schwefel oder Kunststoffen einen Kilometer, Anlagen zum Umschmelzen von Altmetall 700 Meter.

Welche Folgen hat das Urteil für C. Hafner?

Auf den Ist-Stand hat das Urteil keine Auswirkungen. Der Betrieb ist so, wie er jetzt ist, baurechtlich genehmigt – Bebauungsplan hin oder her. Die Produktion kann normal weiterlaufen. Allerdings könnte sich das Urteil auf die Zukunft auswirken, falls Hafner seinen Betrieb irgendwann erweitern möchte. Die Bürgerinitiative Wimsheim äußerte vor allem massive Bedenken, was passieren könnte, wenn Hafner seine gesamte Produktion, inklusive der Anlage zur Veraschung von Metallrückständen, nach Wimsheim verlegen möchte. Bei einem Industriegebiet wäre das recht unkompliziert möglich gewesen. Allerdings liegen vonseiten der Firma C. Hafner aktuell keine Anträge in diese Richtung vor.

Muss die Gemeinde jetzt einen neuen Bebauungsplan aufstellen?

Nein, nicht zwingend. Mit dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs sind keine Auflagen verbunden. Aktuell gilt Breitloh-West II als „unbeplanter Innenbereich“, erklärt der Wimsheimer Bürgermeister Mario Weisbrich. Nicht, wie oft angenommen werde, bereits als Gewerbegebiet. Das bedeute aber nicht, dass dort niemand mehr irgendetwas bauen dürfe. „Es steht trotzdem jedem frei, einen Bauantrag zu stellen.“ Ob dieser dann genehmigungsfähig ist, steht auf einem anderen Papier. „Im Moment sehe ich für einen neuen Bebauungsplan keine zwingende Notwendigkeit“, so Weisbrich. Sollte der Bedarf aber entstehen, müsse natürlich alles Hand und Fuß haben. Entsprechende Verfahren ziehen sich außerdem über mehrere Jahre. Jede weitere Entscheidung hinsichtlich Breitloh-West II muss auf jeden Fall durch den Gemeinderat.

Hintergründe zu Breitloh-West II

Die Goldscheideanstalt C. Hafner ist ein Pforzheimer Familienunternehmen, das im 19. Jahrhundert gegründet wurde und in Deutschland führend bei der Goldverarbeitung ist. Im Oktober 2015 wurde der neue Firmensitz in Breitloh-West II offiziell in Betrieb genommen – nach fünf Jahren der Planung. Insgesamt investierte die Firma 37 Millionen Euro in den neuen Standort. Die Gekrätzveraschung und die Scheiderei sind noch in Pforzheim untergebracht, sollten nach ursprünglichem Plan aber später nach Wimsheim umziehen.

Die Bürgerinitiative Wimsheim gründete sich als Bewegung gegen die Ansiedlung Hafners, da „die Ausweisung eines Industriegebietes in Wimsheim den dörflichen Charakter unserer Gemeinde zerstören“ würde, heißt es auf der Internetseite der Gruppe. Die Initiative hat drei Plätze im Wimsheimer Gemeinderat.