Die Korntaler Brüdergemeinde stellt sich gegen die Wahl des Regensburger Anwalts und Aufklärers bei den Domspatzen. Die Aufarbeitung ihres eigenen Missbrauchsprozesses verzögert sich auf unbestimmte Zeit.

Korntal-Münchingen - Eine mehrstündige Beratung von Vertretern der ehemaligen Korntaler Heimkinder und der evangelischen Brüdergemeinde zusammen mit zwei Mediatoren ist am Samstag ohne Ergebnis geblieben. Ein Aufklärer, der die Vorfälle von physischer und psychischer Gewalt in Kinderheimen der evangelischen Brüdergemeinde Korntal untersuchen soll, wurde nicht gewählt. Dass diese Aufgabe der Regensburger Anwalt Ulrich Weber übernehmen soll, hatte bis vor Kurzem noch als Formsache gegolten.

 

„Es ist keine Entscheidung gefällt worden, obwohl sich alle Opfervertreter einig waren, Herrn Weber zu nehmen“, fasste Gerald Kammerl vom Opferverband Netzwerk Betroffenenforum das Ergebnis der Beratung zusammen. Es sei eine „tragische Entwicklung“ sagte Wolfgang Schulz, der Sprecher der anderen Opfergruppe, der Arbeitsgemeinschaft Heimopfer, über am Mittwoch in Korntal bekannt gewordene Vorwürfe gegen Weber, die in Medien erhoben wurden. „Aber ich kann verstehen, dass die Mediatoren und die Brüdergemeinde dem eine größere Bedeutung beimessen als wir.“

Teilnehmern zufolge hat der Laienvorsteher der Brüdergemeinde, Klaus Andersen, über die Risiken und von mangelndem Vertrauen gesprochen. Weber werde vorgeworfen, er habe nichts über die Korruptionsaffäre in Regensburg gesagt, in der er dem Bayerischen Rundfunk zufolge involviert sein soll. In der Affäre soll der inzwischen suspendierte Regensburger Oberbürgermeister Joachim Wolbergs eine Firma bei einer Grundstücksvergabe bevorzugt haben. Im Gegenzug soll der ebenfalls beschuldigte Bauunternehmer an die Regensburger SPD Spenden gezahlt und Wolbergs Vorteile verschafft haben. Der BR berichtete über Weber, Beschuldigte hätten sich „in den Räumen des Rechtsanwalts und Fußballfunktionärs getroffen, um auf einen Zeugen Einfluss zu nehmen“.

Laienvorsteher soll von mangelndem Vertrauen gesprochen haben

Detlev Zander sieht Wünsche der Betroffenen nicht berücksichtigt

Aufgrund dieses Berichts verkündete die Mediatorin im Korntaler Missbrauchsskandal – ohne Rücksprache mit den ehemaligen Heimkindern – die Wahl Webers könne nicht stattfinden. Stattdessen solle Weber zunächst die Möglichkeit gegeben werden, sich zu den Vorwürfen zu äußern. Die Betroffenen erfuhren davon aus der Presse. Weber sagte am Samstag, er habe eine „gebotene Stellungnahme“ zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen abgegeben. „Ich werde nicht verdächtigt, und gegen mich wird auch nicht ermittelt.“ Über die dennoch erfolgte Berichterstattung sagte er: „Für die Motivlage hier wie dort habe ich keine Erklärung.“

Ulrich Weber war ursprünglich eingeladen worden, um vor seiner geplanten Wahl noch offene Fragen zu seinem Vorgehen im Aufklärungsprozess zu beantworten. „Diese habe ich in Gänze beantwortet“, sagt Weber. Wie es weitergeht, ist unklar, in zwei Wochen will die Brüdergemeinde laut Kammerl einen Zwischenbericht vorlegen.

Das ehemalige Heimkind Detlev Zander hatte den Missbrauch vor drei Jahren publik gemacht. „So einig waren wir uns noch nie“, sagte er dazu, dass die Opfer Weber wollten. „Dass unsere Wünsche nicht berücksichtigt werden, lasse ich nicht zu“, schimpfte er. Dabei hätte er sich gar nicht äußern dürfen: „Es darf nur raus, was in der Beratungsgruppe abgestimmt wurde.“ Die Brüdergemeinde äußerte sich nicht. Die Mediatoren bewerteten den neuerlichen Zeitverzug am Sonntag als tragisch.