Fünf Bundestagskandidaten legen bei einer Diskussion im Haus der Begegnung ihre Standpunkte dar.

Leonberg - Christen sind keine Besserwisser, aber wir übernehmen Verantwortung und mischen uns für das Wohl des Gemeinwesens ein“, sagte Stadtpfarrer Matthias Krack. Mit einem Grußwort hat er die Podiumsdiskussion mit den Bundestagskandidaten aus dem Kreis Böblingen, Tobias Bacherle (Die Grünen), Marc Biadacz (CDU), Jasmina Hostert (SPD), Richard Pitterle (Die Linke) und Florian Toncar (FDP) vor rund 150 Interessierten im Haus der Begegnung eröffnet. Die Moderation hatten Catharina Vögele, Kommunikationswissenschaftlerin an der Uni Hohenheim, und Dekan Wolfgang Vögele inne.

 

Warum engagieren sich die fünf politisch? Weil: „Demokratie vom Mitmachen lebt“ (Bacherle); „Ich der Heimat etwas zurückgeben will, von dem, was sie mir geschenkt hat“ (Biadacz); „Ich soziale Gerechtigkeit will und gegen eine Ellenbogengesellschaft bin“ (Hostert); „Jemand für die Menschen da sein muss, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen“ (Pitterle); „Im Bundestag eine Stimme fehlt, die sagt, dass der Staat nicht alles richten kann“ (Toncar).

Unterschiedliche Beweggründe

Viele Menschen würden in der Bewältigung der Flüchtlingsproblematik und ihrer Integration die große Herausforderung der nächsten Jahre sehen. „Reicht da ein ,Das schaffen wir’ der Kanzlerin?“, wollten die Moderatoren wissen. „Die Politik bekämpft nicht die Ursachen der Flucht, die ungerechte Weltwirtschaftordnung, die die Lebensgrundlagen der Menschen kaputt macht“, sagt dazu Richard Pitterle. „Der Klimawandel gehört auch zu den Wurzeln der Flucht“, ist Tobias Bacherle überzeugt.

„Die Kanzlerin hat einen guten Job gemacht“, sagt Marc Biadacz. Doch es gelte, nicht die Menschen nach Europa zu bringen, sondern vor Ort zu helfen. „Ein Marshall-Plan für Afrika steht auf Platz eins der Agenda.“ Wichtig seien auch kommunale Patenschafen nach Afrika, ist der CDU-Kandidat überzeugt. Dem widerspricht Jasmina Hostert. „Ein Marshall-Plan nützt nur privaten Investoren und ist keine Hilfe.“ Es gelte, vorher Verantwortung zu übernehmen, bevor irgendwo ein Konflikt ausbricht, machte sie am Beispiel ihrer alten Heimat Bosnien deutlich.

Alle Kandidaten sehen die Integration der Flüchtlinge als eine sehr wichtige Aufgabe. Dazu gehöre von ihnen die deutsche Sprache abzuverlangen (Hostert), Integrationswillige zu unterstützen (Bacherle), sie mit unseren Werten und der Kultur vertraut zu machen, ihnen eine Weiterbildung ermöglichen (Biadacz). „Das Bleiberecht soll das Ergebnis einer guten Integration sein“, sagt Toncar. Er will strukturierte Einwanderungsregelungen mit drei Türen. Eine sei das Asylrecht, die zweite ein befristeter Aufenthalt für Kriegsflüchtlinge und die dritte ein Zuwanderungsgesetz. Für alle anderen heiße es, wieder ausreisen. „Keine Abschiebung, etwa nach Afghanistan“, sagt Pitterle. „Dann können wir auch die radikalen Türken der Grauen Wölfe in die Türkei abschieben, dort werden sie nicht verfolgt, sondern von Erdogan als Helden gefeiert“, schlägt er vor.

Ansichten haben sich geändert

Eine interessante Entwicklung nahm die Diskussion beim Thema Arbeit. Während die SPD-Frau bekannte, dass sie auf die Agenda 2010 nicht stolz sei, verteidigten Toncar und Biadacz die Reform des deutschen Sozialsystems und Arbeitsmarktes, die von 2003 bis 2005 vom Kabinett Schröder (SPD und Grüne) initiiert wurde. Hostert will die sachgrundlose Befristung abschaffen, die Leiharbeit und die „Katastrophe mit den Mini-Jobs“. Die Kandidaten von FDP und CDU sind sich einig, dass erst diese Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt zum Erfolg der deutschen Wirtschaft in den letzten Jahren beigetragen habe.

Auch Klimaschutz war ein Thema. „Deutschland ist weltweit ein Vorbild für den Atomausstieg“, lobt Biadacz seine Partei. „Der Staat soll Ziele und nicht Technologien vorgeben“, meint Toncar. „Wir wollen bis 2050 ein treibhausgasfreie Gesellschaft“, sagt Hostert. „Kapitalismus und Klimaschutz geht nicht, solange Profit das Ziel allen Wirkens ist“, formuliert es Richard Pitterle überzeugt. „Unser Ziel ist die Mobilitätswende und emissionsfreies Fahren“, so Bacherle.