Mit dem Beginn der ersten Gemeinschaftsschule in der Stadt verbinden sich viele Hoffnungen und Erwartungen. 63 Fünftklässler starten an der August-Lämmle-Schule mit der neuen Unterrichtsform. Das sind dreimal so viele wie im vorherigen Jahrgang.

Leonberg - Die 21 Kinder sitzen in einem Stuhlkreis in ihrem neuen Klassenzimmer in der August-Lämmle-Schule. Ihre neue Klassenlehrerin Martina Meyer verteilt Kärtchen. „Ich möchte, dass ihr darauf schreibt, was ihr euch für dieses Schuljahr wünscht“, sagt sie. Dann dürfen sich die Schüler der 5a einen Luftballon aussuchen und das Kärtchen daran befestigen. Wünsche nach guten Noten werden wohl nicht drauf stehen, denn die gibt es für die Schüler nicht mehr, sondern nur noch Beurteilungen.

 

Die 5a ist eine von drei Klassen, die gestern mit der Gemeinschaftsschule begonnen haben. Insgesamt 63 neue Fünftklässler zählt die August-Lämmle-Schule. „Im vergangenen Schuljahr hatten wir nur eine Klasse mit 20 Schülern“, sagt Karl Heinz Wetterauer, der pünktlich zum Schuljahresbeginn vom Konrektor zum Schulleiter der ALS befördert wurde. „Wir haben zwar keine Zahlen von anderen Gemeinschaftsschulen zum Vergleichen. Aber wenn man die vielfältige Schullandschaft in Leonberg betrachtet, stehen wir sehr gut da.“

Die neue Schulform scheint also anzukommen. Die alte – die Werkrealschule – dagegen nicht. Das zeigen auch die Zahlen der anderen Werkrealschule in der Stadt, der Schellingschule. Dort hatte es im März nur eine Handvoll Anmeldungen gegeben, weshalb keine fünfte Klasse gebildet wurde. „Machen wir uns nichts vor. Wären wir nicht Gemeinschaftsschule geworden, würde es uns jetzt ebenso ergehen“, meint der Schulleiter. Seitdem die Verbindlichkeit der Schulempfehlung weggefallen ist, streben immer mehr Eltern nach einem höheren Schulabschluss für ihren Nachwuchs.

Und den kann man an der ALS jetzt auch erreichen. Der Lehrplan orientiert sich am Realschulabschluss. Unterrichtet werden die Inhalte dann auf drei verschiedenen Niveaustufen von Hauptschule bis Gymnasium, je nach Können und Wissen der Kinder. „Wir brauchen dazu genau die richtige Mischung, also ein Drittel von jedem Niveau. Wir haben zwar auch Schüler mit Gymnasialempfehlung, aber da sind wir noch nicht bei einem Drittel“, erklärt Wetterauer. Wie schwierig die Entscheidung auch für die sei, zeigten die zahlreichen Gespräche, die der Schulleiter und seine Fachlehrer vor der Anmeldephase mit den Eltern geführt haben. „Mein Kind hatte zwar eine Realschulprognose, aber der Lehrer war sich nicht sicher, ob es das in allen Fächern schafft. Deshalb war die Empfehlung, das Kind dahin zu schicken, wo es die Schule in den kommenden Jahren nicht wechseln muss“, sagt eine Mutter bei der Einführungsveranstaltung für die neuen Fünftklässler am Montagabend. Ein Vater, der sich sehr ausführlich mit der Gemeinschaftsschule beschäftigt hat, sieht den Hauptgrund für diese Schulform in den verschiedenen Niveaustufen. „Mein Sohn etwa ist in allen Fächer gut, nur Deutsch klappt nicht so gut. An der Realschule hätte er da sicher Probleme bekommen. Hier aber kann er sich auf seinem Niveau weiterentwickeln“, erklärt er.

Auch für die Kinder ist die neue Schulform noch sehr verwirrend. „Meine Eltern haben es mir erklärt, aber ich habe nicht so viel verstanden“, meint ein Mädchen aus der 5a. In der kommenden Woche erhalten die Schüler ihr „Lern-Navi“, das sie durch das Schuljahr führen soll. Dort stehen die mit den Lehrern vereinbarten Wochenziele drin, die Kinder tragen ein, was und auf welchem Niveau sie lernen wollen. „Am Anfang natürlich in enger Absprache mit den Lehrern“, merkt der Schulleiter an. Neben den drei Klassenlehrern kümmern sich zwei weitere Lehrer intensiv um die Fünftklässler.

Die Gemeinschaftsschule sei kein Kaltstart. „Wir haben vieles davon schon im vergangenen Schuljahr im Unterricht probiert“, sagt die Klassenlehrerin Martina Meyer. Kollegin Nicole Müller gibt zu, etwas nervös zu sein. Aber sie freut sich. „Jetzt können wir endlich in der Praxis umsetzen, was wir in der Theorie gelernt haben“, sagt sie. Doch bevor der Unterricht richtig losgeht, steht noch ein Punkt auf dem Programm. Unter großem Staunen lassen die Kinder ihre Luftballons in den Abendhimmel steigen.