Noch recht jung ist die Goethe-Adaption „Mit dem Faust aufs Auge“. Mit diesem Programm begeistert der Kabarettist Bernd Kohlhepp sein Publikum im Spitalhoftheater restlos. Da bleibt wirklich kein Auge trocken.

Leonberg - Die hinteren Reihen haben gut lachen: Zwei Stunden lang darf ab Reihe zwei über die da vorne gegreint und gewiehert, geprustet und gekichert werden. Bernd Kohlhepp kennen die meisten als überzwerchen Schwaben Hämmerle. Seit einigen Monaten ist der Kabarettist mit der Goethe-Adaption „Mit dem Faust aufs Auge“ unterwegs. Wie stets, kennt er auch an diesem fröhlichen Abend im Theater im Spitalhof mit den Menschen in der ersten Reihe kein Pardon. Die leisten kaum Widerstand gegen die geballte Energie von Mister-10 000-Volt.

 

Der vielfach mit Preisen überhäufte Meister beherrscht seine Kunst aus dem Effeff. Er weiß, wie er sein Publikum packt und nicht mehr loslässt. Hält es mit Running Gags bei Laune. Lässt es im Kanon singen und Bienen oder Zeisige mimen, wenn es die braucht. Verteilt Buzzer an die Mutigsten in der ersten Reihe.

Gute Miene zum spaßig-bösen Spiel macht Maximiliane, die von Bernd Kohlhepp zur Faust-Expertin und zur geheimen Hauptzielscheibe gekürt wird. Natürlich bekommt sie ständig Schelte, weil sie mal zu schnell, mal zu langsam, mal einfach nur falsch gebuzzert hat. Maximiliane selbst schiebt es schlagfertig auf „die lange Leitung“, mit der der Buzzer ausgestattet ist.

Er braucht für seine verschiedenen Rollen nicht viele Requisiten

Ein Umhang (Faust), eine Ledermotorradkappe (Mephistopheles), ein blonder Zopf (Gretchen), ein hässliches Kassenbrillengestell (Gretchens Bruder Valentin): Kohlhepp braucht nicht viel, um selbst die Hauptrollen des Faust auf die Bühne zu bringen. Schließlich gibt es da noch sein Talent für grotesk überzeichnete Mimik und Gestik, seine absurden Schnuten und Fratzen, seinen hinreißenden Gesang und seine lachhaften Bewegungen. Dazu kommt ein wenig Nebel aus dem Säulen-Stehpult und passende Sandzeichnungen auf dem Overhead-Projektor. Denn verpackt ist dieser „Faust“ in die Geschichte von Kohlhepp als engagiertem Deutschlehrer.

Der bringt textsicher große Teile des deutschen Bildungsguts und Dutzende der bekannten Zitate zu Gehör. Zerlegt andere in adrette Einzelteile, die er, mit modernem Zubehör wie Handys oder K.o.-Tropfen garniert, wieder unter die Leute bringt.

Kohlhepp hüpft, springt und spurtet in geradezu schwindelerregender Manier von einer Rolle in die andere. Er ist der gemütlich schwäbelnde Gott und der irrwitzige Dampfplauderer Mephisto – dem man deswegen gehör- und hirntechnisch nicht immer folgen kann. Mit bescheiden gesenktem Kopf ist er das schüchterne Gretchen und – nach dem Verjüngungstrunk – ein grotesk geckenhafter Macho-Faust, der „seine Pheromone selbst herstellt“. Als Valentin spricht er mit slawischem Akzent, als Schüler Özgür schwadroniert er im Türkensprech und als Kohlhepp schäkert er mit Hanna in der ersten Reihe.

Der personifizierte Aberwitz ist unheimlich spontan

Vollends aus dem Häuschen gerät das Publikum, wenn der personifizierte Aberwitz Einwürfe aus dem Publikum oder auch kleine Pannen im Ablauf ultraspontan in Reime, bei Gelegenheit auch mal englische, verpackt. „So wie Rainer kann’s keiner“, darf der Erotik-Buzzer-Betätiger Rainer mit nach Hause nehmen. Seinen eigenen Kampf mit dem sich im Umhang verfangenden Kopfbügelmikro kommentiert der Mime mit dem Spruch: „Hier an meinem Ohr, an meinem Haar, das bleibt nicht so wie es mal war.“

Noch etwas bleibt nicht wie es war: Kein Auge kommt hier trocken raus.