Das Angebot für die Ferienhäuser auf Rädern wird ausgebaut. So zu reisen, liegt im Trend. Stellflächen gibt es auch in Leonberg und Weil der Stadt.

Tourismus - Silvia und Hans-Walter Mengel sind oft die ersten Spieler auf dem Platz. Denn sie übernachten einfach an Ort und Stelle – in ihrem Wohnmobil. Der Golfclub Domäne Niederreutin in Bondorf ganz im Süden des Kreises Böblingen bietet seit Mai diese Möglichkeit an. „Unter Best-Agern ist es ein absoluter Trend“, sagt der IT-Manager im Vorruhestand über seine Altersgruppe der 50- bis 70-Jährigen. Er und seine Frau reisen viel durch Deutschland und nutzen die speziellen Stellplätze für Wohnmobile. „Bis man dagegen in einen Campingplatz eingecheckt hat, dauert es ewig“, sagt Silvia Mengel. Um Touristen wie die Mengels anzulocken, will Stuttgart zur wohnmobilfreundlichen Region werden. Im Kreis Böblingen entstehen gerade ein halbes Dutzend neuer Standorte.

 

Die Mengels betreiben seit zehn Jahren Golfplatz-Hopping. Sie fahren am Abend los und spielen am nächsten Morgen. „Als Wanderer will man ja auch nicht immer denselben Berg hinauf“, sagt Hans-Walter Mengel. Ein Parkplatz reicht ihnen eigentlich zum Übernachten. Denn sie sind zumindest vier Tage lang autark, was Strom und Wasser angeht. Trotzdem fahren sie gerne die Wohnmobilstellplätze an, weil es unkompliziert ist und sie die notwendige Infrastruktur bieten. Über eine App im Smartphone sucht sich der Vorruheständler die nächste Station aus. „Wenn es supertoll ist, bleiben wir zwei Tage“, sagt seine Frau. Meistens legen sie zwischen den Etappen nur Strecken von 50 bis 100 Kilometern zurück.

Relevante Gruppe im Tourismus

Als „eine wachsende und im Tourismus zunehmend relevante Gruppe“ hat Jürgen Wurmthaler, der Leitende Direktor des Verbands Region Stuttgart (VRS), die Wohnmobilisten ausgemacht. Vor zwei Jahren ist deshalb das Projekt für mehr Wohnmobilfreundlichkeit aufgelegt worden. Mittlerweile gibt es 70 Standorte für die rollenden Ferienhäuser. „Damit wird sich die Region Stuttgart als wohnmobilfreundlicher Verdichtungsraum profilieren können – eine ungewöhnliche Konstellation“, sagt Wurmthaler. Im Kreis Böblingen wird ihre Zahl mehr als verdoppelt. „So sind die freizeittouristischen Angebote und herrlichen Naturräume in Schönbuch und Heckengäu nun auch für Wohnmobilisten ein attraktives Ziel“, schwärmt das Landratsamt. Bislang konnten Wohnmobilisten das Sindelfinger Badezentrum anfahren, in Böblingen einen Sportplatz etwas außerhalb, in Waldenbuch und Herrenberg einen Parkplatz nutzen.

In Leonberg befinden sich vier Stellplätze direkt am Reiterstadion. Es ist grün und ruhig, man blickt direkt auf den Engelberg. Zu Fuß ist man schnell in der Altstadt oder am Leo-Center. Während des Pferdemarktes können die Anschlüsse von den Schaustellern genutzt werden. Dort zu stehen, kostet nichts, nur der Strom muss bezahlt werden. 800 Euro nimmt die Stadt im Jahr ein. Eine Stromsäule versorgt bis zu vier Gefährte. Die Nutzer zahlen direkt an der Säule, ähnlich wie bei einem Parkscheinautomaten.

Ähnlich funktioniert es in Weil der Stadt, wo es fünf kostenlose Stellflächen auf dem Festplatz gibt. Auch hier ist man ruckzuck im historischen Stadtkern, Einkaufsmöglichkeiten und Bahnhof sind nicht weit. Anders als in Leonberg gibt es hier gegen Gebühr aber auch Trinkwasser und eine Stelle, um Gebrauchswasser zu entsorgen. 2015 wurden die Stellplätze eingerichtet. „Seitdem werden sie von Jahr zu Jahr besser angenommen“, sagt Jana Schwarz von der Tourist-Info Weil der Stadt. Genaue Zahlen könne man aber nicht nennen.

Auf dem Bauernhof Rinderknecht können die Reisenden mit den Hühnern aufstehen: In Jettingen sind seit Oktober Wohnmobile willkommen. Auf die Idee hat Christa Rinderknecht der Bürgermeister gebracht, der einen Standort suchte. Ihr Bruder hat die Entscheidung leicht gemacht – weil er einmal im Jahr mit seiner fünfköpfigen Familie samt Hund im Wohnmobil bei der Verwandtschaft Ferien macht. „Die Kinder finden es ganz toll“, erzählt die 43-Jährige, sie dürfen dann Eier sammeln und mit zum Melken. Geld war nicht die Motivation – die Übernachtung kostet fünf Euro. „Für uns ist es Öffentlichkeitsarbeit für die Landwirtschaft“, sagt Christa Rinderknecht. Als Mitglieder im Verein Lernort Bauernhof freuen sich die Eheleute über Besuch.

Zehn Stellplätze am Naturfreibad

Mit einem Wohnmobilhafen lockt künftig Herrenberg diese Touristenklasse an: Für 185 000 Euro baut die Stadt beim Naturfreibad gleich zehn Stellplätze, der Verband schießt 34 000 Euro zu. Die Gäste haben einen unverstellten Blick auf die Altstadt – mit Anschluss an Strom, Wasser und Abwasser. „Es gehört mittlerweile fast schon zum Standard, solche Plätze vorzuhalten“, sagt Ulrike Kuder vom Amt für Wirtschaftsförderung. Die bisherigen, die einer Bebauung weichen mussten, seien von Durchreisenden und Tagestouristen auch gut genutzt worden.

Aber nicht alle Kommunen sind von ihrer touristischen Anziehungskraft überzeugt: Die Gemeinderäte von Weil im Schönbuch und Gärtringen stellten das Thema zurück. Die dafür veranschlagten Kosten von 200 000 Euro sollten „für dringendere Projekte“ ausgegeben werden, lautete das Argument der Weiler.

„Wir planen nichts“, sagt Silvia Mengel über ihre Reisen. In einer halben Stunde ist das Paar aus Tübingen abfahrbereit. Als IT-Manager saß ihr Mann Hans-Walter Mengel bis zu sechsmal in der Woche im Flieger – das ist für ihn kein Urlaub mehr. „Es geht uns um Entschleunigung“, erklärt seine Frau ihre Form des Reisens.

Neben den Golfplätzen heißen auch viele Thermen und Schwimmbäder sowie Winzer oder das Oktoberfest in München die Wohnmobilisten mit Stellplätzen willkommen.