Die Netzwerke innerhalb der rechten Szene werden schon anhand eines Prozesses wegen gefährlicher Körperverletzung in Leonberg augenscheinlich. Der Anwalt des Beschuldigten diente der NSU als Begleitmusik für eines ihrer Bekennervideos.

Leonberg - Ein 22-Jähriger aus der rechten Szene soll einem Jugendlichen aus dem linken Lager mit einer Gaspistole ins Gesicht geschossen haben. Das Opfer erlitt schwere Verletzungen und musste mehrfach operiert werden. Gegen den mutmaßlichen Schützen wird derzeit vor dem Leonberger Amtsgericht verhandelt. Am gestrigen Donnerstag fand der zweite Prozesstag statt.

 

„Das Opfer lag auf dem Gehweg. Er hatte schwarze Schmauchspuren und starke Schwellungen am Auge“, sagt ein Polizist, der gegen 1 Uhr am Morgen des 12. März 2011 in die Leonberger Altstadt gerufen wurde. Dem Schuss mit der Gaspistole war ein Wortgefecht zwischen drei Rechtsextremen und drei linksorientierten Jugendlichen voraus gegangen. „Ich habe mich mit dem Anführer der Gruppe gestritten“, sagte das Opfer am ersten Prozesstag vor einer Woche, „dann hat sich der Angeklagte eingemischt und ohne Vorwarnung aus kürzester Distanz auf mich geschossen.“

Was wie die Tat eines dumpfen Straßenschlägers aussieht, zeigt bei genauerem Hinsehen, wie gut die rechtsextreme Szene offenbar vernetzt ist. Der Anwalt des mutmaßlichen Täters ist in der Neonazi-Szene nicht nur als Strafverteidiger sondern vor allem als Musiker bekannt. Steffen Hammer hat sich als Kopf der Nazi-Rock-Band „Noie Werte“ einen Namen im braunen Milieu gemacht. Seine Lieder dienten den Mitgliedern der sogenannten Zwickauer Terrorzelle als musikalische Untermalung für eines ihrer Bekennervideos. Dabei gibt es noch weitere Verbindungen zur NSU. Nicole Schneiders, die ehemalige Kanzleikollegin Hammers in Stuttgart und Rastatt, steht dem mutmaßlichen Terrorhelfer Ralf Wohlleben als Verteidigerin zur Seite. Der ehemalige NPD-Funktionär sitzt in Untersuchungshaft. Er wird beschuldigt den NSU-Terroristen die Tatwaffe für neun Morde beschafft zu haben.

Ein Begleiter des Leonberger Angeklagten in der Tatnacht – nach eigener Aussage sein bester Freund – ist auch kein unbeschriebenes Blatt. Der Anführer der rechten Gruppe, mit dem sich das Schuss-Opfer ein Wortgefecht lieferte, musste sich vor Kurzem selbst vor Gericht verantworten. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Stuttgart war der heute 23-Jährige im April 2011 an einer Hetzjagd samt Brandanschlag auf eine Gruppe junger Migranten in Winterbach im Rems-Murr-Kreis beteiligt. Das Urteil gegen ihn vom März dieses Jahres lautete zwei Jahre fünf Monate, ist aber noch nicht rechtskräftig.

Das erwartete Urteil musste Amtsrichter Armin Blattner am gestrigen Donnerstag vorerst vertagen. Die Nebenklage, der Anwalt des Geschädigten, und Verteidiger Steffen Hammer beantragten beide das Gutachten eines Waffenexperten. Damit soll geklärt werden, aus welcher Distanz der 22-jährige Neonazi auf den Jugendlichen geschossen hat. Die Verteidigung geht von einer größeren Entfernung aus und will den Schuss nach eigener Aussage als Notwehrsituation darstellen. Der Anwalt des Opfers ist dagegen davon überzeugt, dass der Schuss aus nächster Nähe abgegeben wurde. „Die Mündung der Waffe war auf Höhe meiner Nasenspitze“, gab der Geschädigt bei seiner polizeilichen Vernehmung zu Protokoll.

Der Prozess wird am Donnerstag, 26. Juli, in Leonberg fortgesetzt.