Der Inhaber einer Reinigungsfirma hat nach Überzeugung des Gerichts die Abhängigkeit einiger Mitarbeiterinnen ausgenutzt.

Leonberg - Der Chef eines Unternehmens aus dem Altkreis ist zu einer Gefängnisstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt worden. Das entschied das Leonberger Schöffengericht. Dieses befand den 54 Jahre alten Mann der Vergewaltigung in zwei Fällen sowie exhibitionistischer Handlung für schuldig. Damit folgte das Gericht dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Die Verteidigung hatte einen Freispruch gefordert.

 

Es wurde lange beraten, ehe die Richterin Sandra De Falco nach mehr als einer Stunde das Urteil verkündet. Der angeklagte Firmenchef nahm diese ohne jegliche sichtbare Regung hin, wie auch die klaren Worte der Richterin im Anschluss. „Sie haben offenbar einen völlig falschen Umgang mit Ihren Mitarbeiterinnen und kennen keinerlei körperliche oder verbale Distanz“, monierte diese und sprach von einem „sexuell bestimmten Verhalten“, das „respektlos“ sei und „seinesgleichen“ suche. Die Richterin: „Sie haben Ihre Machtposition in einem Maße ausgenutzt, dass es einen erschaudern lässt!“

Gericht schenkt der Zeugin Glauben

Das Gericht war davon überzeugt, dass sich die angeklagten Taten so abgespielt hatten. Zwar habe der 54-Jährige eine Affäre mit seiner früheren Sekretärin und dabei regelmäßig einvernehmlichen Sex in einem Stuttgarter Hotel gehabt, doch nicht an jenem Tag im Juni 2016. „Da lockten Sie die Frau unter einem Vorwand in eine Kammer in Ihrem Büro und vergewaltigten sie dort“, sagte die Richterin, die keine Zweifel an den Aussagen der Frau hatte.

Auch wenn sich diese nicht mehr detailliert an das Kerngeschehen habe erinnern können, spräche vor allem ihr Aussageverhalten für ihre Glaubwürdigkeit. „Das Ganze kam erst zwei Monate später und nach Betreiben ihrer Freundin auf, als es um arbeitsrechtliche Dinge ging, sonst hätte sie die Sache wohl auf sich beruhen lassen“, meinte die Richterin, die auch den Kaufbeleg für die Pille danach als Indiz heranzog.

Übergriffe im Tagebuch dokumentiert

Nicht zuletzt habe die Ex-Sekretärin die ganzen Übergriffe in ihrem Tagebuch dokumentiert, weil sie schon in ihrem alten Job ähnliche Erfahrungen gemacht habe. Demzufolge war das Gericht zudem davon überzeugt, dass es keine einmalige Sache war, als der Firmenchef vor ihren Augen mit heruntergelassener Hose und erigiertem Penis auf die Toilette gegangen war.

Nach Ansicht des Gerichts hatte der Mann auch eine frühere Reinigungskraft während der Arbeit in der Sauna eines Fitnesscenters gegen ihren Willen zum Geschlechtsverkehr gezwungen. „Ihre Angaben, dass sie nicht nur einmal, sondern mehrmals pro Monat sexuelle Übergriffe erdulden musste, lässt die Sache monströs erscheinen“, sagte die Richterin.

Unternehmer nutzt Abhängigkeiten der Mitarbeiterinnen aus

Aber dies füge sich in das Bild ein, das viele ehemalige Mitarbeiterinnen, die in der Verhandlung vernommen wurden, gezeichnet hätten – je psychisch labiler oder wirtschaftlich abhängiger diese seien, desto zudringlicher sei der Angeklagte gewesen. Offenbar hatte dieser die beiden Frauen immer wieder unter Druck gesetzt, damit es zum Geschlechtsverkehr kam. Während die eine Geldprobleme hatte und auf den Job angewiesen war, erpresste er die andere mit der von ihm zur Verfügung gestellten Wohnung über den Geschäftsräumen.

Keine Verhütung

Im Rahmen der Strafzumessung konnte das Gericht nichts finden, das für den 54-Jährigen sprechen würde – dafür umso mehr Belastendes: Neben einer Verurteilung wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung legte das Gericht ihm auch zum Nachteil aus, dass es in beiden Fällen zum Samenerguss kam und er nicht verhütet hatte. Dann wären die Folgen für die Frauen, die teilweise nicht mehr arbeitsfähig und auf psychologische Behandlung angewiesen seien, erheblich gewesen, sagte Richterin De Falco. Vor allem der früheren Sekretärin mache die Sache auch in ihrem neuen Job zu schaffen, wie ihre Bekannte vor Gericht erzählte. Über die eingereichten Anträge auf die Zahlung von Schmerzensgeld fällte das Gericht derweil keine Entscheidung.

Der Familienvater, seit gut 20 Jahren Chef einer Firma mit rund 70 Mitarbeitern, hatte die Vorwürfe bis zum Schluss abgestritten und von einer „Verschwörung“ gegen ihn gesprochen, um „seine wirtschaftliche Existenz zu vernichten“.

Plädoyers nicht in der Öffentlichkeit

Dass die Initiative von den Frauen ausgegangen sei, wie er in der Verhandlung behauptet hatte, wertete das Gericht als reine Schutzbehauptung. Auch der Aussage einer Subunternehmerin, die am letzten Verhandlungstag angab, dass sie mit dem 54-Jährigen an dem Tag der ersten Vergewaltigung beruflich unterwegs war, schenkte die Richterin keinen Glauben.

Die Plädoyers der Staatsanwältin, der beiden Verteidiger und der Nebenklage-Anwälte sowie das letzte Wort des Firmenchefs fanden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt – wie schon zuvor die Vernehmung der beiden Frauen, die in der Verhandlung als Nebenklägerinnen auftraten.