So verwirrend wie mancher Straßenatlas ist derzeit die Diskussion um das Radverkehrskonzept in Leonberg. Verabschiedet wurde es 2013 einstimmig im Gemeinderat – doch die Kritik reißt nicht ab.

Leonberg - So verwirrend wie mancher Straßenatlas ist derzeit die Diskussion um das Radverkehrskonzept in Leonberg. Verabschiedet wurde es 2013 einstimmig im Gemeinderat, erarbeitet in mehreren Gremien und mit allerlei Interessenvertretern, von Verkehrsverbänden für Zwei- und Vierräder über die Polizei bis hin zu Schulen und sogar Fahrlehrern.

 

Bereits im vergangenen Jahr hat die Verwaltung die drei Projekte vorgestellt, die 2015 umgesetzt werden. Seitdem reißt die Kritik besonders an zweien davon nicht ab. Das ging sogar so weit, dass bei den Haushaltsverhandlungen im Dezember ein Sperrvermerk für die 50 000 Euro verhängt wurde, die die Umsetzung kosten soll. Erst, wenn die Stadt eine Bürgerbeteiligung durchgeführt und die Ergebnisse vorgestellt hat, soll das Geld freigegeben werden. Diese Bürgerinfo fand im März im Eltinger Rathaus statt, etwa 70 Menschen waren gekommen – Radfahrer, Autofahrer und Anwohner der betroffenen Straßen.

Die städtische Radexpertin Andrea Wexel hat den Abend ausgewertet, bei dem auf bunten Zetteln Kritik und Anregungen abgegeben werden konnten und mithilfe von Klebepunkten das persönlich Wichtigste der Projekte markiert werden sollte.

Negativpunkte?

Was eigentlich für ein klares Votum sorgen sollte, hat aber anscheinend mehr zu Verwirrung geführt. „Da die Klebepunkte rot waren, haben einige Teilnehmer gedacht, sie würden Negativ-Punkte verteilen“, berichtet Andrea Wexel. Man habe vor Ort noch versucht, dies richtigzustellen. Ob es funktioniert hat, ist unklar. Umso schwerer ist deshalb das Ergebnis zu beurteilen: Der Radstreifen in der Renninger Straße erhielt 31 Punkte, der in der Rutesheimer Straße 27 und das Projekt Fahrradstraße in der Bismarckstraße noch 25 Punkte. Auch bei den Kritik-Kärtchen seien wenige Anregungen gekommen, vielmehr seien oft völlig gegensätzliche Meinungen geäußert worden. Was der eine besonders gut findet, ist für den anderen ein absolutes Unding.

Der Gegenwind aus einigen Fraktionen im Gemeinderat sowie von Anwohnern vor allem der Renninger Straße hat die Stadtverwaltung nun aber offensichtlich veranlasst, die drei für dieses Jahr geplanten Projekte nur teilweise umzusetzen. Aber auch das war einigen Gemeinderäten noch nicht genug. Eine Übersicht:

Fahrradstraße Bismarckstraße

Dieses Projekt ist wohl am heftigsten diskutiert worden und wird vorerst aufgeschoben. Denn zunächst soll eine Verkehrszählung Klarheit bringen, wie stark die Strecke von Rad- und Autofahrern überhaupt genutzt wird. Fahrradstraße heißt, dass Radler Vorrang vor Autofahrern haben und sogar nebeneinander fahren dürfen. Tempo 30 gilt auf der Strecke ohnehin schon. Für die Stadtverwaltung spricht für die Bismarckstraße vor allem die nahe gelegene Mörike-Schule (Schulweg), aber auch eine gute Verbindung von den überörtlichen Radwegen etwa im Glemstal zur neuen Stadtmitte. Die Kritik konzentriert sich vor allem auf drei Punkte. Für 27 Hinweisschilder und Markierungen an den vielen Kreuzungen sind 17 000 Euro fällig.

Die parallel verlaufende Wilhelmstraße werde viel stärker von Radfahrern genutzt. Und die veränderten Verhaltensregeln auf einer Fahrradstraße würden die Radler, vor allem Kinder und Jugendliche, eher gefährden als ihnen nützen.

„Es ist einfach falsch, wenn man Kinder auf der einen Straße nebeneinander fahren lässt, und auf der nächsten müssen sie wieder hintereinander fahren“, kritisiert Dieter Vestner (Freie Wähler), ein vehementer Gegner des Projekts. Dem widerspricht Christa Weiß (SPD): „Ich denke, die Kinder kennen die Regeln.“ Jörg Langer von den Freien Wählern hat schließlich Erfolg mit seinem Antrag: Die Verkehrszählung soll nicht nur in der Bismarck- sondern auch in der Wilhelmstraße stattfinden (8 Ja-Stimmen, 4 Enthaltungen).

Renninger Straße:

Der beidseitige Radschutzstreifen – eine gestrichelte Linie, die von Autos bei Bedarf überfahren werden darf – wird nicht durchgängig verwirklicht. Und zwar nur vom Wirtschaftsweg nahe der Südrandstraße bis zur Kreuzung Klingen-/Niederhofenstraße. Bei diesem Vorhaben hatte es vor allem Protest von Anwohnern gegeben, die um die Parkplätze entlang der Renninger Straße fürchten. Denn beim Bau des Radstreifens kommen diese weg. „So viel Radverkehr gibt es dort gar nicht“, meint Wolfgang Röckle (CDU). Wer sich auskenne, nutze ohnehin andere Strecken. „Als die Renninger Straße noch Bundesstraße war, durfte dort auch nicht geparkt werden. Und es ging auch“, sagt Bernd Murschel (Grüne), der mit seinem Antrag zur sofortigen Umsetzung von durchgehenden Schutzstreifen scheitert (3 Ja, 2 Enthaltungen). Ein Streifen, der plötzlich aufhört, gefährde die Radfahrer viel mehr, als wenn überhaupt keiner da wäre, moniert er. Die verkürzten Streifen sollen noch in diesem Jahr für 15 000 Euro angelegt werden.

Rutesheimer Straße

Das einzige Projekt, das durchweg auf positives Echo stößt, vor allem wegen der geplanten Ampel an der Kreuzung Mühlenstraße. Diese können Radler, das sind vor allem Schüler aus Höfingen, bei Bedarf betätigen. Dazu kommt ein Radschutzstreifen von dort bis zur Klinik, der mit Ampel 18 000 Euro kostet.

„Die Stadt muss etwas für die Radfahrer tun, vor allem für deren Sicherheit“, sagt der Grüne Bernd Murschel und fordert eine durchgehende Radkonzeption, ohne Lücken. „Wir müssen zurück zu dem, was im Radverkehrskonzept geschrieben steht“, meint SPD-Fraktionschefin Christa Weiß, die gleichzeitig froh ist, dass die Bürgerbeteiligung auch mal einen anderen Blick auf das Thema Radwege gebracht habe.