Der Steinbildhauer Jörg Failmezger hat für die alte Autobahntrasse „Mutter Erde“ gestaltet.

Leonberg - Steinmetze stellen ein Jahr lang ihre eigens für die Ausstellung „Grenzüberschreitungen erleben“ geschaffenen Arbeiten unter freiem Himmel aus. Jörg Failmezger ist mit seinem Werk „Mutter Erde“ dabei.

 

Der Besucher der Ausstellung „Grenzüberschreitungen erleben“ auf der alten Leonberger Autobahntrasse könnte diese „Mutter Erde“ fast übersehen neben den anderen hoch aufragenden Skulpturen. Dabei handelt es sich um eine ausgesprochen voluminöse Dame, die der Steinbildhauer Jörg Failmezger aus Pleidelsheim erschaffen hat. Aber sie steht eben nicht in voller Größe aufgerichtet da, sondern ist tief in die Knie gegangen, um zwei schwere Würfel gepressten Autoschrotts zu stemmen. Die Stange, die beide Würfel vergleichbar den Langhanteln von Gewichthebern verbindet, hat sich bereits tief in die Knie der „Gewichtheberin“ eingegraben. Wird die voluminöse Dame wohl in der Lage sein, diese Last zu stemmen?

Schon Homer besingt Mutter Erde

Jörg Failmezger, der bis 2015 langjährige Obermeister der Steinmetz- und Steinbildhauerinnung Ludwigsburg-Böblingen-Rems-Murr, konfrontiert den Betrachter mit einer Figur, die Vorstellungen vom Altertum bis zur Gegenwart miteinander verbindet. Bereits in den Homerischen Hymnen des siebten bis fünften Jahrhunderts vor Christus heißt es: „Die Erde will ich besingen, die Allmutter, die fest begründete, die älteste aller Wesen. Sie nährt alle Geschöpfe, alle, die auf der göttlichen Erde gehen, alle, die in den Meeren sich regen und alle, die fliegen. Von ihrer Fülle leben sie alle. Sei gegrüßt Mutter Erde, Gattin des gestirnten Himmels. Spende gütig zum Lohn für mein Lied herzerfreuende Nahrung.“

Viel später im 19. Jahrhundert wandelt sich „Mutter Erde“ zu einem strategischen Begriff der Indianer gegen die Landnahme durch die europäischen Einwanderer für eine gemeinsame erdverbundene indianische Spiritualität. Ganz aktuell fand der Begriff „Mutter Erde“ Eingang in die Präambel des international verbindlichen Dokuments der Klimakonferenz von Paris.

Die Figur beeindruckt durch ihre Sinnlichkeit

Unabhängig davon, ob sich hinter Failmezgers Mutter Erde die Personifikation der Erde verbirgt, oder ein religiöses Symbol, oder eine umweltpolitische Metapher – der Bildhauer zeigt sie als eine kraftvolle Frau, deren in Mühlbacher Sandstein ausgeführten, schwellende Formen durch ihre Sinnlichkeit beeindrucken. Lediglich der Sprache kann sie sich nicht bedienen, denn ihr Mund wurde verschlossen. Bei aller ihr innewohnenden Kraft bedarf sie ganz offensichtlich der Hilfe, damit sie über ihre Bedürfnisse sprechen und sich von der Last des Schrotts befreien kann.

Das inhaltsreiche, steinerne Sinnbild „Mutter Erde“ reiht sich ein in eine Vielzahl von Werken Jörg Failmezgers im öffentlichen Raum. An dieser Stelle soll nur noch die Freiplastik an der Autobahnraststätte Sindelfinger Wald erwähnt werden.

Die Kenntnisse für sein bildhauerisches Schaffen hat er nach dem Erwerb des Gesellenbriefs als Steinbildhauer im Jahr 1965 in Luzern an der Hochschule für Gestaltung erworben. Seit 1975 lebt er als freier Bildhauer in Pleidelsheim und leitet dort die im Jahr 1873 gegründete Steinmetzwerkstatt.

Einjährige Ausstellung

Ausstellung
In loser Folge stellt Kulturamtsleiterin Christina Ossowski die insgesamt 19 Skulpturen der Ausstellung „Grenzüberschreitungen erleben“ vor, die noch bis zum 3. Juni 2018 zu sehen sind. Die Künstler haben für ihre Ausstellung das einstige Autobahngelände unterhalb des alten Engelbergtunnels als „Ort des Übergangs“ gewählt.

Christina Ossowski
Seit dem Jahr 1991 ist Christina Ossowski bei der Stadt Leonberg tätig. Von 1991 bis 1999 ist sie die Leiterin des Schul-, Kultur- und Sportamtes, das später umbenannt wurde in Amt für Kultur, Erwachsenenbildung, Sport und Stadtmarketing.