Der Besuch von Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) im September hat das Projekt in Frage gestellt. Nun gehen die Bürgerinitiativen aus Leonberg und Renningen auf die Barrikaden, halten die geplante Kreuzung für zu protzig. Die Kommunalpolitiker versuchen indes, mit dem Ministerium zu verhandeln.

Leonberg / Renningen - Die Bagger rollen schon. An der B 295 bei Renningen werden schon Erdwälle aufgeschüttet, erste Vorbereitungen für den „Lückenschluss“ zur B 464 nach Böblingen. Der Besuch von Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) im September hat das Projekt jedoch in Frage gestellt. Nun gehen auch die Bürgerinitiativen aus Leonberg und Renningen auf die Barrikaden, halten die geplante Kreuzung für zu protzig. Und sie fordern endlich Lärmschutzwälle zu den Baugebieten Hummelbaum und Kindelberg in Renningen und Lärm-Messungen für Eltingen und Ezach – bevor alles gebaut ist.

 

Der Protest beginnt in der Wohnstube von Wilhelm Schumm. Der 68-Jährige ist im Ruhestand, früher war er Ingenieur. Sein schön renoviertes Haus ist Baujahr 1937. „Ich bin hier aufgewachsen“, sagt er. Deswegen hängt so viel Herzblut daran. Als 1984 die neue Bundesstraße B 295 geplant wurde, war es hier ruhig, sehr ruhig. „Schon damals hat man uns versprochen, dass ein Grünwall aus Bäumen den Lärm abhalten soll“, schimpft sein Nachbar Gerd Schenk.

Inzwischen rollen gut 27 000 Fahrzeuge über die B 295. In der guten Stube von Wilhelm Schumm ist der Verkehr unüberhörbar, und man sieht ihn auch. „Wir liegen in einer Senke, der Schall wird gerade bei kalter Witterung reflektiert“, erzählen sie. Im Wohngebiet Hummelbaum sei das noch schlimmer. Denn dort entsteht bald eine Super-Kreuzung, wenn die dann ausgebaute Bundesstraße B 464 aus Magstadt angeschlossen wird.

Die Bürgerinitiativen finden dafür deutliche Worte. „Das wird wie ein neues Autobahndreieck“, sagen sie. Riesige Wälle und Brücken würden die Sicht auf die Natur versperren. Und natürlich werde die neue „Ersatzautobahn“ mehr Fahrzeuge anlocken, bis zu 50 000 fürchten sie.

Die Anlieger fühlen sich im Stich gelassen

Die drei Herren, die an dem Tisch in Renningen sitzen, repräsentieren drei Bürgerinitiativen. Zwei aus Renningen, für den Kindelberg und für den Hummelbaum, und die Arbeitsgemeinschaft Verkehr in Leonberg. Für sie sitzt Ewald Thoma dabei. „Man darf nicht immer nur die einzelnen Abschnitte betrachten“, sagt er. Viele Bürger hätten noch gar nicht verstanden, dass eine gewaltige Lawine auf sie zurolle. Das gelte auch für Leonberg, Eltingen und das Wohngebiet Ezach bekämen den Lärm der aufsteigenden B 295 ungefiltert ab. „Das ist eine sogenannte Lärmtrompete, der Krach geht in alle Richtungen“, sagt Thoma.

Sie werfen den Kreis- und Kommunalpolitikern und dem Regierungspräsidium vor, den Lärmschutz zu missachten. „Es sind keine Messungen vorgesehen“, kritisiert Thoma, „erst wenn alles fertig ist.“ Daher fordern sie „gebogene Lärmschutzwände“, bis zu vier Meter hoch. „Wenn man sie begrünt und in die Landschaft integriert, sieht man sie gar nicht mehr“, erklärt Gerd Schenk. Auf seinem Laptop hat er dazu Animationen gemacht.

„Wir wollen angehört werden, in einem echten Workshop, nicht in Alibiveranstaltungen wie bisher“, sagt er. Und Ewald Thoma verweist auf weitere Probleme: Lärm durch die S-Bahnstrecke S 60, und Schadstoffemissionen. „Der Raum Leonberg ist in der ganzen Region Stuttgart am höchsten belastet“, hat er ausgerechnet. Die Bürgerinitiativen fordern zudem, die neue B 464 nicht zu attraktiv für Lastwagen zu machen, etwa durch Ampeln und Tempolimits. Mindestens aber sollte Schwerlastern über 7,5 Tonnen verboten werden, von der Autobahn auszuweichen.

Warten auf Minister Winfried Hermann

Dabei setzen die Gruppen auf Mitarbeit statt Konfrontation. „Ich will kein Wutbürger, sondern ein Mutbürger sein“, sagt Thoma. Durch die Intervention von Minister Winfried Hermann fühlen sie sich bestärkt: „Auch er hält es für falsch, für den Lückenschluss so viel Land zu verbrauchen und Wälder zu roden.“ Der Lärmaktionsplan der Stadt Renningen reiche jedenfalls nicht aus, weil der zusätzliche Verkehr darin nicht einberechnet sei.

Wie gehen die politisch Verantwortlichen mit diesen Vorwürfen um? Der Renninger Bürgermeister Wolfgang Faißt sagt: „Wir arbeiten daran.“ Auch wenn er die Zahl von 50 000 Autos anzweifelt, hält er Lärmschutz für wichtig. Man müsse mit dem Regierungspräsidium sprechen, allerdings „im Rahmen der Gesetze“. Für das Verkehrsministerium erklärt der Sprecher Edgar Neumann, es sei noch zu früh, man sei erst noch in der Vorplanung.

Bleibt die Frage: Wie geht es überhaupt weiter mit dem restlichen Stück der B 464 nach Hermanns Bedenken? Der Landrat Roland Bernhard hat in seiner Haushaltsrede im Kreistag gesagt: „Hier wird ein sorgsam ausgehandelter Kompromiss ohne Not gefährdet, und zwar Knall auf Fall. Das ist unsportlich.“ Es drohe die Gefahr, dass man wieder zurück auf Los falle. Auch der Renninger Bürgermeister Wolfgang Faißt erklärt: „Wir haben zehn Jahre gebraucht für diese Lösung, wir können nicht weitere zehn Jahre im Stau stehen.“

Was sagt das Verkehrsministerium dazu? „Wir prüfen derzeit die Wirtschaftlichkeit und ökologische Verträglichkeit.“ Wichtig sei eine „funktionierende und verkehrssichere Kreuzung“, heißt es wenig konkret. Nächste Woche wollen sich nun der Landrat, die Bürgermeister Bernhard Schuler und Wolfgang Faißt sowie der CDU-Abgeordnete Clemens Binninger eine gemeinsame Strategie beraten..