Ortrun Kollmann, die vielseitig interessierte und engagierte Warmbronnerin, wird am Dienstag 75 Jahre alt.

Leonberg - Was wäre aus Ortrun Kollmann geworden, wenn sie in ihrer Kindheit nicht sieben Mal die Schule hätte wechseln müssen? Wenn sie, wie bis zum Aufstand des 17. Juni 1953 in der DDR üblich, als Kind von Akademikern-Eltern tatsächlich nicht auf die Oberschule gedurft hätte? Eine Maurerin oder Traktoristin? Aber das Leben hat es gut gemeint mit der gebürtigen Berlinerin, die nun schon seit vier Jahrzehnten in Warmbronn lebt. „Ich habe immer wieder Glück gehabt“, das sagt die Frau , aus der eine Apothekerin geworden ist, immer wieder selbst.

 

Ihr Glück hat Ortrun Kollmann aber auch genutzt, und wer sich mit der Warmbronnerin unterhält, geht nach dem Gespräch mit dem Gefühl fort, einem Menschen gelauscht zu haben, der ein gutes äußeres Leben, vor allem aber ein reiches, gehaltvolles Innenleben hat. Die 75-Jährige ist ein bedachter Mensch. „Ziemlich ordnungsliebend“, sagt sie von sich selbst. Vor allem aber ist sie vielseitig interessiert und der Tag, so scheint es, reicht ihr auch heute noch nicht aus für all das, was sie gerne tut oder tun würde. Endlich mehr Klavier üben. Mit mehr Zeit an ihren Bildern arbeiten. Den Christian-Wagner-Garten noch penibler auf Vordermann bringen, gehaltvolle Literatur lesen. Mit den Enkeln malen, Wald oder Staatsgalerie besuchen und Kasperlepuppen basteln. Und so weiter.

Kriegs- und Flüchtlingskind

„Ich bin ein echtes Kriegskind und ein politisches Flüchtlingskind“, erzählt Ortrun Kollmann. Sie ist am 26. August 1939 geboren, dem Tag der Mobilmachung. Und so konnte ihr Vater sie nur ganz kurz durch eine Glasscheibe betrachten, bevor er einberufen wurde. Vier Monate später kam der Deutsch- und Geschichtslehrer auf Weihnachtsurlaub und konnte seine Tochter zum ersten Mal auf den Arm nehmen. 1956 floh die Familie in den Westen – ganz kurz, bevor Ortrun Kollmann im Osten ihr Abitur gemacht hätte. Sie machte es dann eben im Westen, kämpfte sich ab mit dem fehlenden Englisch- und Lateinstoff, brillierte dagegen in den Naturwissenschaften und im Kunstunterricht.

„Mach die Kunst nicht zu deinem Broterwerb“, hatte Ortrun Kollmanns Mutter, eine Kunsterzieherin, ihr geraten. In der Tochter lebten ohnehin zwei Seelen, glücklicherweise auch die Naturwissenschaften. Sie begann in Karlsruhe Pharmazie zu studieren, nachdem sie das zweijährige Vorpraktikum durchgezogen hatte und auch großen Geschmack am Leben mit Feten, Tanzen und Kinobesuchen gefunden hatte. Hier traf sie ihren späteren Mann Karl, dessen Mutter, wie es der Zufall so will, mit Ortrun Kollmanns Vater in der Jugend befreundet war. Es folgten das Approbationsjahr in der Apotheke am Stuttgarter Hauptbahnhof, die Heirat, zwei Söhne und eine Tochter, der Umzug nach Warmbronn. 20 Jahre lang hat Ortrun Kollmann hier stunden- und tageweise in der örtlichen Apotheke gearbeitet.

Drei Kinder studieren an der Kunstakademie

Ihre geliebte Kunst hat sie nie aus den Augen verloren und wohl kaum umsonst haben alle drei Kinder an der Stuttgarter Kunstakademie studiert. Selbst als der Nachwuchs noch klein war, machte sie schon Kurse und tut das noch heute intensiv. Mit Radierung, Aktzeichnen, Krippe- und Kasperlefiguren fing es vor Jahrzehnten an. Sie war drei Jahre lang Gasthörerin der Kunstgeschichte an der Stuttgarter Hochschule, hat im Funkkolleg eine Prüfung zur „Modernen Kunst“ abgelegt und sich jahrelang mit Philosophie auseinandergesetzt. Das Wissen helfe ihr auch in der Kunst, sagt sie und man spürt, dass diese Frau gern gefordert wird und viel von sich selbst fordert. Hätte sie sonst vor 20 Jahren auch noch die Pflege des Christian-Wagner-Gartens übernommen? Wäre sie sonst in der Hospizarbeit mit Kindern, die ein Elternteil verloren haben, aktiv geworden? Ortrun Kollmann muss das gar nicht selbst sagen. Auch so ist klar, dass diese Frau, die sich mit Büchern wie Matthias Bormuths „Ambivalenz der Freiheit“ oder Jean Gebsers „Ursprung und Gegenwart“ befasst, mehr vom Leben erwartet als gute Unterhaltung. Sie will etwas bewegen und viel aus dem Glück machen, das sie im Leben, dem holprigen Beginn zum Trotz, dann doch hatte.