Die Bürger kommen zum Infoabend zum Lärmaktionsplan, die Bürgermeister nicht. Nicht nur das sorgt für Ärger. Die vorgeschlagenen Maßnahmen sind den lärmgeplagten Einwohnern zu wenig.

Leonberg - Dass Leonberg eine laute Stadt ist, steht außer Frage. Bahnstrecke, Autobahndreieck, Umleitungsverkehr und jede Menge Pendler, dazu eine schwierige Topografie. Doch wie lässt sich das Lärmproblem lösen? In der Hoffnung, auf diese Frage eine Antwort zu bekommen, sind etwa 50 Menschen zu einer Informationsveranstaltung in die Stadthalle gekommen. Denn derzeit wird an der zweiten Stufe des Lärmaktionsplans gearbeitet, die auch eine Bürgerbeteiligung vorsieht.

 

Viele Lärmbetroffene sitzen auf den Stühlen des Seminarraums, dazu Vertreter aller Bürgervereine der Stadt. Sie lauschen den Ausführungen des Ordnungsamtsleiters Jürgen Beck, des Stadtplaners Norbert Geissel und Jürgen Roth vom Büro Soundplan, das den Lärmaktionsplan erstellt. Vergebens warten die Anwesenden jedoch auf eines der drei Stadtoberhäupter. Der Oberbürgermeister und seine beiden Bürgermeister sitzen nebenan im großen Saal beim Immobiliengespräch (wir berichteten). „Warum ist keiner von der politischen Führung der Stadt da?“, fragt Charly Heisterborg vom Bürgerverein Silberberg und erhält dafür Applaus. „Wir sind als Fachleute angetreten, um mit ihnen fachlich zu diskutieren“, entgegnet der Stadtplaner Geissel.

Die Erklärungen zum Lärmaktionsplan sind in der Tat ausführlich und verständlich, doch an einigen Stellen für die Bürger nicht nachvollziehbar. Warum beispielsweise bei der Lärmpegel-Berechnung im Stadtteil Silberberg bereits der Flüsterasphalt einbezogen ist, der aber erst im kommenden Jahr auf der A 8 aufgetragen wird. Oder warum im Teilort Höfingen die Pforzheimer Straße und der Schlossberg im Maßnahmenpaket vorgesehen sind, die Ditzinger Straße aber nicht. Obwohl es dort genauso viel Verkehr gibt. Warum werden getrennte Karten für Straßen- und Bahnlärm erstellt, obwohl man beides ja nicht getrennt wahrnehme? Letzteres ist eine Vorgabe des deutschen Gesetzgebers, erläutert Jürgen Roth.

Auch über die Zielsetzung des Lärmaktionsplan wird heftig diskutiert. Geht es darum, die am stärksten betroffenen Einwohner vor Lärm zu schützen, in dem man beispielsweise den Einbau von Lärmschutzfenstern finanziell unterstützt? Oder geht es auch darum, zu laute Schallpegel erst gar nicht entstehen zu lassen, etwa durch die Verwendung von Flüsterasphalt?

Wie sehr der Lärm die Menschen belastet, verdeutlicht eine Anwohnerin der Feuerbacher Straße nahe der Altstadt. „An meinem Haus fahren die Autos mit anderthalb Metern Abstand vorbei, da vibriert alles. Die Lärmschutzfenster mögen mich zwar schützen, wenn ich drinnen bin. Aber als Fußgängerin bin ich dem doch trotzdem hilflos ausgesetzt“, berichtet sie.

Was bringen Tempolimits, wenn die keiner kontrolliert? „Dann reduziert sich der Lärm nur auf dem Papier, nicht in der Realität“, kritisiert etwa eine Bürgerin aus Höfingen. Gerade die Diskussionsteilnehmer aus Leonbergs größtem Stadtteil fordern mehrfach Hilfe angesichts der Menge an Autos, die sich zwischen Ditzingen und dem Autobahnanschluss Rutesheim durch Höfingen und Gebersheim quält. „Warum ist hier keine Ortsumfahrung möglich, wo die doch alle Nachbarorte haben?“, fragt ein Mann. Generell vermissen die Diskutanten bei der Stadt einen thematischen Weitblick. „Warum wird das, was in ganz Leonberg passiert, nicht auch im Verbund betrachtet?“, fragt ein Teilnehmer. So wurden etwa Maßnahmen entlang der Bahnstrecke und in Verbindung mit der Autobahn ausgeklammert. Schließlich sind einmal die Deutsche Bahn und einmal das Verkehrsministerium beziehungsweise das Regierungspräsidium zuständig, argumentiert die Stadt.

„Das ist eine politische Frage. Es ist Aufgabe der Stadt, hier politisch Druck zu machen. Aber da fehlt es in Leonberg“, merkt Ewald Thoma an, der Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Verkehrslärm Region Leonberg (AGVL). Dafür erhält er viele Applaus.

Die Bürgermeister der Kommunen entlang der A 8 sollten sich zusammentun und gemeinsam beim Regierungspräsidium vorstellig werden, um wirksameren Lärmschutz an der Autobahn zu erwirken.

Gleiches gelte für die Anliegerkommunen der Bahnstrecke. „In Südbaden hat das bereits funktioniert, dort gab es für Kommunen Lärmschutz für mehrere Millionen Euro“, nennt Thoma ein Beispiel. Auch fordert er, die Bürgerbeteiligung um eine zweite Stufe zu erweitern.

Bis zum 4. Januar können die Bürger Stellungnahmen zum Lärmaktionsplan einreichen, die Unterlagen liegen bis 18. Dezember im Rathaus aus. Danach werden die vorgeschlagenen Maßnahmen ausgearbeitet und dem Gemeinderat vorgelegt, der sie dann beschließen soll. Davor sollten aber nochmals die Bürger gehört werden, fordert Ewald Thoma. Aber auch darüber muss der Gemeinderat abstimmen.