Die Agendagruppe Frauen für Gleichberechtigung weist mit einer Plakatausstellung im Bürgerzentrum auf die Benachteiligung von Frauen in der Arbeitswelt hin.

Leonberg - Familie und Beruf wird unvereinbar” lautet das Schlagwort auf einem der Plakate. Gleich daneben in fetten Lettern geht es um den „Mythos vom schwachen Geschlecht“. Und dass mit Blick auf eine berufliche Karriere „Frauen im Kommen sind“, klingt zwar nach einem hehren Versprechen, hat aber mit der Realität nicht viel zu tun, wenn man Renate Strauss von der Agendagruppe Frauen für Gleichberechtigung fragt. „Die meisten Aussagen sind noch heute aktuell, da hat sich nicht wirklich viel verändert“, sagt sie.

 

Die Posterserie zum Thema „Frauen Arbeit“ wurde vor mehr als 20 Jahren vom baden-württembergischen Familienministerium konzipiert. „Beim Umzug ins neue Rathaus wären die Plakate fast im Mülleimer gelandet”, erzählt Strauss. Jetzt aber hängen sie im Bürgerzentrum Stadtmitte aus, um den Besucherinnen einen „Denkanstoß“ zu geben. „Denn noch immer gilt: Sobald eine Frau Kinder bekommt, bleibt sie zu Hause, weil sie weniger verdient als ihr Ehemann“, sagt die Sprecherin der Gruppe.

Dagmar Sowa, die Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt im Jobcenter Landkreis Böblingen, liefert die Zahlen dazu. „Was den Stundenlohn angeht, verdienen Frauen in Deutschland bei gleicher Qualifikation im Schnitt 22 Prozent weniger als Männer“, erklärt sie. Damit liegt Deutschland im europaweiten Vergleich auf dem drittletzten Platz. „Wenn Kinder da sind, arbeiten nur noch etwa 30 Prozent der Mütter in Vollzeit.“ Und: „Kinderbetreuung und Haushalt sind noch immer Frauensache.“

Wenig Frauen in Führungspositionen

Die Erwerbstätigkeit der Frauen hat ihr zufolge aber in den verhangenen 20 Jahren deutlich zugenommen. „In Leonberg lag der Frauenanteil an der Arbeit bis 2013 sogar über dem bundes- und landesweiten Durchschnitt“, berichtet Sowa. Doch viele Frauen arbeiteten in Teilzeit. „Mehr als 80 Prozent der Beschäftigten im Land sind Frauen“, sagt Sowa. Rechne man noch die Minijobs dazu, seien es 92 Prozent. Das ist ein Spitzenwert in der bundesweiten Skala.

Nichts Neues gebe es bei der Berufswahl. „Im Landkreis Böblingen wählen 60 Prozent der Mädchen aus zehn Berufen wie etwa Einzelhandelskauffrau oder medizinische Fachangestellte aus.“ Nicht berücksichtigt sind in der Statistik schulische Ausbildungen wie Erzieherin oder Pflegerin. Und auch wenn es in Leonberg mit der Geze-Chefin Brigitte Vöster-Alber ein positives Beispiel gibt, so bleiben Frauen in Führungspositionen eine Ausnahme. „Baden-Württemberg liegt bundesweit auf dem letzten Platz“, berichtet die Beauftragte für Chancengleichheit.

Doch es gibt auch Lichtblicke. Immer mehr Mädchen verließen die Schule mit Abitur und studierten. „Heute steigen Frauen nach der Erziehungszeit auch wieder schneller in ihrem Beruf ein“, sagt sie. Mit dem Anspruch auf Kinderbetreuung oder Elterngeld trage auch der Gesetzgeber dazu bei, dass mehr Frauen einer Vollzeitbeschäftigung nachgingen. „Und mittlerweile gibt es auch die Möglichkeit einer dreijährigen Teilzeit-Ausbildung“, sagt Sowa und verweist auf die „Vorreiterrolle“ der Stadt Leonberg, die in dieser Form anlernt.

Arbeiten von Zuhause

Vom technischen Fortschritt könnten vor allem Frauen profitieren. „Die zunehmende Telearbeit ermöglicht die Arbeit von Zuhause. Paare können die Hausarbeit leichter aufteilen”, meint Sowa und nennt das von der Arbeitsministerin Andrea Nahles geprägte Schlagwort „Arbeiten 4.0“: „In der Zukunft werden mehr Jobs rationalisiert, aber eine Erzieherin lässt sich nicht einfach durch einen Roboter ersetzen.”

Dass es „kleine Schritte in die richtige Richtung“ sind, wie Renate Strauss befindet, das kann auch die Zuhörerin Mary-Anne Bauer unterschreiben. „Als ich 1965 ein Konto bei der Bank eröffnen wollte, hat man mich noch nach der Einwilligung meines Mannes gefragt“, erzählt die Leonbergerin, die auch der Antwort nicht schuldig bleibt: „Ich sagte: Dann kommt das Geld eben unter die Matratze.“

Ausstellung „Frauen Arbeit“ im Bürgerzentrum  (Neuköllner Straße 5)  ist bis Ende April 2017 täglich von 9 Uhr bis 12 Uhr und montags bis donnerstags auch nachmittags von 14 bis 17 Uhr zu sehen.