Beim Tag der offenen Tür erhalten die Besucher einen Einblick in die Welt des Jugendhofs Seehaus.

Leonberg - Ein perfekter Tag im Seehaus in Leonberg: Alle sitzen pünktlich und motiviert am Frühstückstisch, sind nett und freundlich zueinander, beten, spülen und putzen freiwillig. Dass die Realität gerne auch mal ganz anders aussehen kann, haben junge Bewohner des offenen Vollzugs in einem amüsanten Theaterstück präsentiert, indem sie einen perfekten Tag und dann das genaue Gegenteil auf die Bühne brachten.

 

Denn oft läuft eben nicht alles so ideal: Erst kommt die Hälfte zu spät zum Essen, keiner hat so richtig Lust, dann latscht auch noch einer der Jungs über den frisch gewischten Boden und fängt Streit an. Das Publikum amüsiert sich prächtig – nicht zuletzt die Mitarbeiter, die bei dem Bühnenstück das eine oder andere Mal selbst durch den Kakao gezogen werden.

Das Stück ist nur ein Teil des bunten Programms beim Tag der offenen Tür des Seehauses, in dem straffällige Jugendliche in Wohngemeinschaften zusammenleben. Die Einrichtung existiert seit 13 Jahren. 90 Prozent der jungen Bewohner haben in dieser Zeit ihren Schulabschluss gemacht oder ihr erstes Lehrjahr absolviert, berichtet der Leiter Tobias Merckle stolz. Ganze 98 Prozent haben anschließend einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz gefunden, „und über 75 Prozent haben es geschafft, dass sie nicht wieder ins Gefängnis mussten.“ Die Erfolge dieser besonderen Form des Strafvollzugs können sich also sehen lassen – was auch der Landesjustizminister Guido Wolf (CDU) honoriert.

Seehaus behält hohen Stellenwert

Er bezeichnet die Einrichtung als ein Kulturhaus, in dem die Jugendlichen in ihren Familien eine ganz neue Form von Leben und Zusammenleben erfahren. Ganz wichtig dabei: „Die jungen Leute hier werden an ihren Talenten und Fähigkeiten gemessen.“ Er sichert zu, dass das Seehaus weiterhin „einen hohen Stellenwert im Justizministerium hat“.

Von den ersten Erfolgen des jüngsten „Babys“ der Einrichtung, wie Birgit Wagner es liebevoll formuliert, berichtet die Seehaus-Mitarbeiterin zusammen ihren neuesten Schützlingen. Das heißt – eigentlich sind das ja nicht die Schützlinge des Seehauses. Seit Herbst 2015 kümmert sich der Verein nämlich auch um die Vermittlung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen. Wagner arbeitet dazu mit mehreren Jugendämtern zusammen und ist stets in Kontakt mit den Familien, die sich dazu entschlossen haben, einen jungen Asylbewerber in ihr Zuhause aufzunehmen.

Kulturen treffen aufeinander

Das bedeutet natürlich eine Umgewöhnung für die Gastfamilien wie für die Jugendlichen. Das gegenseitige Verstehen und Vermitteln der jeweiligen Kulturen hat durchaus seine Tücken, berichten zwei Familienväter. „Wir haben vorher ja auch noch nie Ramadan gefeiert“, erzählt einer von ihnen. Im islamischen Fastenmonat darf tagsüber nichts gegessen oder getrunken werden – erst ab Sonnenuntergang, dann aber meist im großen Stil. Mit noch einer 18-jährigen Tochter und einem 14-jährigen Sohn im Haus, „da hat man das Gefühl, es ist 24 Stunden am Tag Halligalli im Haus“. Zugleich bringe das Zusammenleben viele schöne und spannende Momente mit sich. „Als ich draußen den Rasen gemäht habe, hat er mir sofort helfen wollen“, erzählt eine Gastmutter begeistert. Auch witzige Momente gibt es reichlich, ergänzt einer der Gastväter: „Besonders sprachlich, wenn dann aus der Kartoffel plötzlich ein Katholik wird.“