Wenn die Stadtwerke die Tiefgarage unter dem historischen Marktplatz übernehmen, gelten auch dort neue Tarife. Die Einzelhandelgeschäfte bangen jetzt um Kunden.

Leonberg - Stellen Sie sich vor, Sie müssen beim Hausarzt in der Altstadt ein Rezept abholen. Sie parken Ihr Auto in der Tiefgarage und nutzen die sogenannte Brezel-Taste: eine halbe Stunde gebührenfrei. Beim Arzt dauert’s dann doch etwas länger. Wenn Sie zurückkommen, prangt an Ihrer Windschutzscheibe ein Protokoll: 60 Euro Strafe plus 25 Euro Bearbeitungsgebühr. Macht zusammen 85 Euro. Dafür kann man sonst einen ganzen Monat lang parken.

 

Dieses Szenario kann spätestens dann Wirklichkeit werden, wenn die Stadtwerke zum 1. Oktober die unterirdische Anlage übernehmen. Dann treten dort jene Regeln in Kraft, die auch schon im Parkhaus am Bahnhof gelten: Es gibt keine Schranken mehr, dafür müssen die Nutzer vorher entscheiden, wie lange sie ihr Auto abstellen. Die erste halbe Stunde kostet nichts. Von der 31. Minute an sind pro angefangene sechs Minuten zehn Cent fällig.

Tagesticket ist für 5 Euro zu haben

Ein 24-Stunden-Ticket kostet fünf Euro, sieben Tage sind für 20 Euro zu haben, ein ganzer Monat für 80. Wer schwarz parkt oder nach der ersten halben Stunde nicht verlängert, der ist mit 85 Euro dabei.

Der Einzelhandel reagiert schockiert: „Die Strafmaßnahmen in Höhe von 85 Euro gegenüber diesen Kunden, Gästen und Patienten halten wir für kontraproduktiv und im Verhältnis zu den an anderen Parkplätzen erhobenen Strafgebühren für mehr als unangemessen“, schreibt Joachim Heller, der Chef der Werbegemeinschaft Faszination Altstadt an alle Stadträte. „Ein so abgestrafter Kunde würde nachvollziehbar die Altstadt nicht mehr besuchen!“

Dass im Bahnhof-Parkhaus die gleichen Tarife gelten, lässt Heller nicht gelten: „Am Bahnhof muss man im Parkhaus parken, um mit dem Zug weiterzukommen“, schreibt er an den Gemeinderat. „In der Altstadt muss man nicht im Parkhaus parken. Es gibt durchaus Alternativen, sein Geld woanders loszuwerden: Stuttgart, Ludwigsburg und Sindelfingen sind nicht weit.“

Die Argumente des Handels und die Höhe der Strafgebühr sorgten am Donnerstagabend im städtischen Finanzausschuss für Erstaunen und Nachdenklichkeit. Zwar hat das Gremium die neuen Tarife beschlossen. „Doch mir war nicht klar, dass auf die 60 Euro fast noch einmal die Hälfte der Summe als Verwaltungsgebühr hinzu kommt“, erklärte Axel Röckle, der Fraktionschef der Freien Wähler. Elke Staubach (CDU) verwies darauf, dass in anderen Städten nur zehn Euro Strafe fällig würden. Ottmar Pfitzenmaier (SPD) hielt „die Sorgen am Marktplatz für nicht unbegründet“.

OB Schuler warnt vor Schaden für den Handel

„Wir dürfen nicht nach dem Motto agieren: Operation gelungen, Patient tot“, erklärte Bernhard Schuler. Der Oberbürgermeister warnte vor einem Schaden für den Handel. Auch ihm seien die 25 Euro Verwaltungsgebühr neu gewesen.

Ulrich Vonderheid, Bürgermeister und Stadtwerke-Chef, rechtfertigte die Gebühr. Die Namen der Parksünder müssten kostenpflichtig beim Kraftfahrtbundesamt ermittelt werden. Zudem koste eine Arbeitsstunde der Sachbearbeiterin 52 Euro.

Vonderheid versicherte, dass die Kontrollen „mit sehr viel Fingerspitzengefühl“ durchgeführt würden. Für eine komplette Änderung der Tarife bedürfe es aber eines neuen Gremienbeschlusses. Dazu konnte sich der Finanzausschuss nicht durchringen. Zunächst sollen erste Erfahrungen in der Altstadt-Garage abgewartet werden.