Beim 70. Geburtstag der Leonberger CDU blickt der Chef des Hauses der Geschichte auf die Anfänge des Landes zurück. Ihren ersten Vertreter im Gemeinderat hatte die Partei erst im Jahr 1959.

Leonberg - Historiker haben keine Handlungsanleitungen für Politiker parat.“ Das schickte Thomas Schnabel seinem Festvortag voraus. Der Direktor des Stuttgarter Hauses der Geschichte war als Gastredner beim CDU-Stadtverband eingeladen. Der blickte mit einem kleinen Festakt in den Räumen des Galerievereins – wie vor zehn Jahren auch – diesmal auf sein 70-jähriges Bestehen zurück.

 

„In den Anfängen war die CDU ein Beispiel erster Ökumene in Leonberg – so ist es auch mir ergangen, als ich als erster katholischer und einziger CDU-Stadtrat 1959 in Leonberg gewählt wurde unter fast lauter evangelischen Kollegen“, zitierte die seit zwölf Jahren amtierende Stadtverbandsvorsitzende Sabine Kurtz, das Gründungsmitglied Gustav Bohnacker. Bis dahin musste die CDU immer einen Großteil ihrer Stimmen an den Bund der Vertriebenen abgeben, der mit einer eigenen Liste immer beste Ergebnisse erzielte.

Sie erzähle das, so die christdemokratische Landtagsabgeordnete, weil die Themen Religion, Flucht und Vertreibung, die zu Beginn der Bundesrepublik und den Anfängen der CDU-Geschichte standen, damals und auch heute wieder im Zentrum der Politik stehen. Mit dem Unterschied, dass die CDU sich in diesen 70 Jahren von einer Sammlungsbewegung zu einer Volkspartei gewandelt habe.

„Wer kann sich noch daran erinnern, was uns vor 15 Jahren aufgeregt hat?“, fragte Thomas Schnabel ins Auditorium. Ein Blick in die Geschichte relativiere die Aufgeregtheiten der Gegenwart. Seine Botschaft: „Wir haben schlimmste Zeiten bewältigt und wir schaffen das auch heute, es dauert nur ein wenig und es kostet ein bisschen Geld.“ Dafür seien die Anfänge der Demokratie in Deutschland und die Integration von Millionen Vertriebenen der beste Beweis, meinte der Historiker.

Dass Leonberg zur amerikanischen Besatzungszone kam, verdankte die Stadt ihrer Lage an der Autobahn: „Die gut motorisierten Amerikaner liebten und wollten sie“, weiß der Historiker. Das Parteiensystem hingegen sei ein Geschenk der Sowjets, die diese früh zuließen und die anderen in Zugzwang brachten, berichtete Schnabel.

Auch in Leonberg habe es turbulente Anfänge bei der CDU gegeben, die ihr bei der Kreistagswahl 1946 von 24 sogar 20 Sitze einbrachten. Die guten Ergebnisse wurde mit der Gründung der liberalen DVP eingebüßt, wie die Landtagswahl im selben Jahr zeigte. Interessant für Leonberg sei, so Schnabel, dass hier so viele Wahlberechtigte aus politischen Gründen von der Wahl ausgeschlossen waren wie sonst nirgends im Land – nämlich 7,9 Prozent.

Dass die Integration Millionen Vertriebener im Südwesten – „jeder vierte Baden-Württemberger hat Vertriebenenwurzeln“ – gelingen werde, habe der damalige Ministerpräsident Reinhold Maier im März 1946 prophezeit, so Schnabel. Der sagte: „Menschenreichtum ist nie ein Nachteil oder eine Last, sondern ein Aktivum.“

Einen Einblick in den Aufstieg der CDU zur stärksten Fraktion im Leonberger Gemeinderat von den 70er-Jahren bis heute, gewährte Alwin Grupp. Der ist seit 1961 Parteimitglied, gehörte 35 Jahre lang bis 2005 dem Gemeinderat an und war hier drei Jahrzehnte Fraktionsvorsitzender.

Grupp sprach über die Turbulenzen bei der Auflösung des Kreises Leonberg, den Kampf um die Stadthalle, die gescheiterte Ansiedlung von IBM, die die CDU als zweites Steuerstandbein zur Leobau wollte, die ewige Verkehrsproblematik in Leonberg. Und er lobte die lokale politische Stabilität, die darauf basiere, dass Leonberg seit 1969 mit Dieter Ortlieb und Bernhard Schuler nur zwei Oberbürgermeister hatte und hat.