Das Quartett der unterirdischen Partyräume schrumpft weiter zusammen. Nachdem der Abele- und der Burkharts-Keller seit einigen Jahren ihre Tore nicht mehr öffnen, sagen auch die Schmauders nach diesem Pferdemarkt Ade. Übrig bleibt noch der Metzger Ruff.

Leonberg - Mit 75 Jahren steigt man nicht mehr in den Keller“, sind sich Ursula und Dieter Schmauder einig. Damit meinen die beiden ihren beliebten Pferdemarktkeller. Denn zum Leidwesen vieler begeisterter Kellergänger haben sich die Schmauders zu dem Entschluss durchgerungen, in diesem Jahr ihren großen Gewölbekeller in der Hinteren Straße zum letzten Mal für die Pferdemarktgäste zu öffnen.

 

Besonders dem Kaufmann im Ruhestand ist der Entschluss entschieden nicht leicht gefallen, einer langen Tradition nun doch ein Ende zu setzen. „Ich muss mich schon noch an den Gedanken gewöhnen“, meint Dieter Schmauder ein bisschen wehmütig. Jedes Jahr hat er am Pferdemarkt in dem großen Gewölbekeller, den man von der Hinteren Straße aus betritt, hinter der Theke gestanden und die hungrigen und durstigen Gäste empfangen. „Die vielen interessantem Schwätzle, die sich da angebahnt haben, werden mir schon fehlen“, ist sich Dieter Schmauder sicher. „Wir feiern eigentlich beide gern, und deshalb haben wir auch den Keller gern gemacht“, sagt Ursula Schmauder im Rückblick.

Wie hat eigentlich alles angefangen? Wie alle riesigen Gewölbekeller unter den Fachwerkhäusern der historischen Altstadt, in denen früher unter anderem die Weinreserven der Leonberger Bürgerschaft lagerten, hatte auch der von Familie Schmauder ursprünglich einen Lehmboden. Auf den wurde dann irgendwann ein Backsteinboden verlegt und so feierte hier im Untergrund Dieter Schmauder 1991 seinen 50. Geburtstag mit zahlreichen Freunden. Und in diesem Freundeskreis wurde dann die Idee geboren, in dem Keller nach den beiden Beispielen in der Nachbarschaft – bei den Abeles und bei Burkharts – Gäste des Pferdemarktes zu bewirten.

„Wir hatten null Erfahrung, von allem zu wenig und die gesamte Familie war voll eingespannt“, sagt Ursula Schmauder lächelnd über die Premiere. „Im nächsten Jahr haben wir dann vieles dazu gekauft, auch Bedienungen engagiert, die uns seither die Treue halten, und an zwei Tagen geöffnet“, erinnert sich Dieter Schmauder. Im dritten Jahr wurde noch eine industrielle Spülmaschine gemietet und seither ist an vier Tagen geöffnet.

„Von Anfang an waren wir ein Weinkeller“, sagt Dieter Schmauder stolz. Der im Keller kredenzte Rotling stammt aus dem eigenen Wengert im Gewann „Lange Furche“ am Engelberg. Den keltert Dieter Schmauder selbst – bei der Lese helfen die Freunde. Den Wengert hat sein Vater August Schmauder eigenhändig angelegt. Der Schumachermeister hat auch 1952 das mehrstöckige Fachwerkhaus am Marktplatz gekauft und im Erdgeschoss zum Ladengeschäft umfunktioniert, nachdem das von ihm gebaute Schumachergeschäft in der Schloßstraße zu klein geworden war.

„Den alten Herren war die Menge wichtiger als die Qualität des Weines“, erinnert sich Kellerwirt Dieter Schmauder. „Da durfte kein Blatt abgerissen und von den Kindern keine Beere abgezupft werden, sonst gab es ein Familien-Drama“, sagt er schmunzelnd. „Wenn einer davon sprach, sein Most habe 68 Öchsle, nickten alle, meinte einer, seiner schaffe 72 Öchsle, tuschelten die anderen etwas von Lügner“ erinnert sich Dieter Schmauder, der selbst noch das Schuhmacherhandwerk, aber dazu auch Kaufmann gelernt hat.

Den Familien-Weinberg am Engelberghang hat Dieter Schmauder inzwischen gründlich umgekrempelt und die Rebenreihen weiter auseinander angelegt. „In dem sonnengesegneten Ausnahmejahr 2015 haben wir bei den Burgunder-Trauben sogar 106 Öchsle geschafft – ganz ehrlich!“, versichert Dieter Schmauder.

Was kommt auf den Tisch?

Und was bietet die gebürtige Stuttgarterin Ursula Schmauder den Gästen? „Von Anfang an habe ich selbst gemachte Maultaschen serviert.“ Aus einer Wette heraus habe sie sich dabei auf das Rezept ihres Schwiegervaters spezialisiert („Er hat auch den besten Käsekuchen gebacken“). So viel verrät sie: „Hinein kommt Hackfleisch, Spinat, Weißbrot, Petersilie, Majoran, Gewürze und auf keinen Fall Zwiebeln.“

Warum wird man zum Keller-Wirt? „Es ist eine besondere Art, wie hier die Menschen beisammensitzen. Und es macht Spaß!“ sagt Ursula Schaumader. „Und das Geld nimmt man mit, denn niemand arbeitet gern umsonst, denn es braucht zehn Leute, damit alles funktioniert“, sagt Dieter Schmauder als guter Kaufmann.

Die Schmauders geben ihren beliebten und geliebten Pferdemarktkeller zwar altershalber auf. „Aber die in letzter Zeit zunehmenden Vorschriften machen es doch etwas leichter“, das will Dieter Schmauder noch loswerden. Das habe zum einem reichlich Nerven und auch viel Geld gekostet, wie etwa ein Fluchtweg, der ins Nachbarhaus gelegt werden musste und der dann um einige Zentimeter zu klein geraten sei. „Bei einer feuerfesten Tür für die Toilette habe ich zuerst gedacht, es sei ein Scherz“, erzählt Dieter Schmauder.

Doch wie wäre es, wenn jemand anders die Kellertradition weiterführt? Dieter Schmauder hat diese Alternative schon durchdacht. „Das geht technisch nicht“, sagt er. Zu vieles werde in privaten Räumen und auch im vermieteten Schuhgeschäft abgewickelt. „Schweren Herzens müssen wir am Pferdemarktdienstag nun Ade sagen“, so Ursula und Dieter Schmauder.