Der Eltinger Pfarrer Dennis Müller hält mit Jazz-Sängerin Katrin Bürck eine musikalische Pfingstpredigt.

Leonberg - Wohl die wenigsten wissen, was eigentlich genau an Pfingsten gefeiert wird – außer Grillfest, Radtour oder Kopfsprung im Schwimmbad. In der Apostelgeschichte kann man es nachlesen: Es ist die Ausgießung des Heiligen Geistes über Jünger und Apostel, die beauftragt werden, das Evangelium (die „gute Botschaft“) in allen Sprachen zu verkünden – mithin der „Geburtstag“ der Kirche. Beschrieben wird das Pfingstwunder mit den Worten: Ein Brausen erfüllte das Haus, „und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer und setzten sich auf jeden unter ihnen“.

 

Dass Feuerzungen auch über den Tasten eines Klaviers lodern können, hat der Eltinger Pfarrer Dennis Müller an Pfingsten klanggewaltig in der ausverkauften Lahrensmühle demonstriert. Zusammen mit der jungen Jazz-Sängerin Katrin Bürck hat er dem Publikum vor historischer Kulisse Jazz vom Feinsten geboten: von Johann Sebastian Bach über Nat King Cole bis hin zu eigenen Kompositionen.

Wo einst die Mühle klapperte

Das Publikum genießt den lauen Frühsommerabend im romantischen Garten, wo einst die Mühle am rauschenden Bach klapperte, die sogar mal in Besitz des Eltinger Pfarrers gewesen ist. Dann die ersten Töne, nur mit der rechten Hand gespielt: scheu, meditativ, achtsam – wie ein Gebet. Das Publikum hört förmlich die Stille zwischen den hingetupften Tönen. Dann wird’s jazzig – und es geht richtig ab!

Die zierliche Sängerin mit der kraftvollen Stimme interpretiert „Summertime“ von George Gershwin, dazu zackige Synkopen am Klavier – ein groovy Sound erfüllt den Raum, wo einst aus hölzernen Getreideschütten der Mahlgang „beschickt“ worden ist. Beide Musiker, die so perfekt aufeinander eingespielt sind, dass Atemzug und Wimpernschlag zur Kommunikation genügen, haben einen besonderen Draht zu Johann Sebastian Bach: sie als „Kirchenmusikerkind“, er als Pfarrer sowieso. Müller spielt ein Bach-Präludium erst ganz klassisch, luzide und eindringlich, dann der Übergang ins Jazzige. Katrin Bürck interpretiert die „Air“ von Bach sehr innig-warm scattend, dazu improvisiert der Pfarrer fantasievoll und einfühlsam.

Bei seinem selbst komponierten Solostück für Klavier imitiert Müller mit dem Fuß die Percussion-Begleitung, beat-boxt und schlägt mit den Händen wuchtig auf die Oberschenkel. Sein Stück „Coming home“ – „extra für heute geschrieben“, sagt er – will Konflikte überwinden und malt die Utopie einer Heimat für alle, die im Blochschen Sinne erst herzustellen ist. Rasendes Crescendo, Donnerschlag-Akkord, dann oben leise verklingend.

Spirituelle Jazzmusik

Müller, der seit seinem achten Lebensjahr Klavier spielt, besitzt eine professionelle Ausbildung, die ihn zu Klaus Wagenleiter, Chef der SWR-Big-Band, und sogar ans „Berklee College of Music“ in Boston führte. Er spielt im Jazz-Trio mit Bezirkskantor Attila Kalman und in der Gemeindeband Eltingen.

Pfarrer und Jazz? Auf die Frage, ob dann der Jazz spiritueller oder die Kirche peppiger werde, erläutert Dennis Müller: „Meine spirituelle Jazzmusik ist inspiriert von Johann Sebastian Bach und seinem Motto ‚Soli Deo Gloria’ (Gott allein sei die Ehre). Die Musik gewinnt dadurch an Tiefe.“ Er tritt auch bewusst in die Fußstapfen von Martin Luther, der die Musik als Gabe Gottes gesehen hat, welche die Leute „gelinder und sanftmütiger, sittsamer und vernünftiger macht“.

Nach der Pause kündigt Müller an: „Jetzt wird’ s definitiv geistlich!“ Der Choral „Nun danket alle Gott“ und sogar das Beerdigungslied „So nimm’ denn meine Hände“ mit einem ergreifenden Klaviersolo folgen. Dennis Müller ist mit Jörg Zink der Ansicht: „Es ist am Ende ein Gehen ins Licht.“ Sein Lied „Der Sonne entgegen“ ist daher zuversichtlich, strahlend hell und rhythmisch. Die musikalische Pfingstpredigt von Dennis Müller ist viel zu schnell zu Ende: Ein intensiver, berührender Abend voll Charme, Witz und Esprit. Stürmischer Applaus fordert mehrere Zugaben, bevor das Publikum beseelt in den lauen Abend hinausgeht.