Im Bistro Domizil auf dem Leonberger Marktplatz stehen an diesem Montagabend Gaigel und Bennogl auf dem Programm. Wer meint, dies seien vielleicht rustikale schwäbische Musikinstrumente, dem sei gesagt: weit gefehlt

Leonberg -

 

Im Bistro Domizil auf dem Leonberger Marktplatz stehen an diesem Montagabend Gaigel und Bennogl auf dem Programm. Wer meint, dies seien vielleicht rustikale schwäbische Musikinstrumente, dem sei gesagt: weit gefehlt. Die Schwaben unter uns wissen, es handelt sich um schwäbische Kartenspiele. „Im Prinzip entspricht Gaigel dem Kartenspiel 66, und Bennogl ist eine Art Skat mit Reizen“, erklärt Elke Zinßer.

Die Mundartspezialistin und Kolumnistin der Leonberger Kreiszeitung hatte die Idee, diese alten Spiele in geselliger Runde wieder aufleben zu lassen. Und Domizil-Inhaber Lothar Mattner war gleich begeistert. Er ist selbst ein Fan. Beim Umzug in sein neues Bistro am Marktplatz hat er extra zwei große Holzregale eingebaut für seine Spielesammlung. Montags war schon seit vielen Jahren auch am alten Standort Spielen angesagt. „In Zeiten des Handy-Daddelns geraten klassische Spiele immer mehr in Vergessenheit bei den Jungen, viele lernen es erst bei mir in der Kneipe wieder neu“, freut er sich.

Das ist auch die Grundidee von Elke Zinßer. Sie selbst hat vor mehr als 40 Jahren zuhause in Feuerbach mit ihren Vettern beim Bennogl gezockt. Aber ein wenig war das Spiel auch bei ihr in Vergessenheit geraten. Als ihr erster schwäbischer Spieleabend konkret wurde, hat sie gemeinsam mit Ehemann Rainer Waldherr schnell noch ein paar Nachhilfestunden beim Schwiegervater genommen. Der zeigte eine Engelsgeduld und er unterstützt gemeinsam mit seinem Sohn an diesem Abend die Spieler. Fast 25 Gäste sitzen an den Tischen. Die meisten haben vor langer Zeit die Spiele gelernt und wollen jetzt wieder reinkommen. Es ist eine gesellige Runde. Wiedereinsteiger und Profis finden schnell ihre passenden Partner. Karten-Speed-Dating auf Schwäbisch ist das.

An einem der Tische treffen die Profis aufeinander. Jürgen Dautel kommt aus Gerlingen. Er war vom ersten Spieleabend so begeistert, dass er als einer der ersten am Tisch sitzt. Diesmal hat er sich für das Bennogl einen kleinen Spickzettel mitgebracht. „240 Augen sind im Spiel“ erklärt er enthusiastisch. „Man muss den Überblick behalten. Ziel ist es zu reizen, das ist das Spannende daran“. Er sitzt am Tisch mit Gabi Koch. Sie kommt aus Heimsheim, spielt leidenschaftlich gerne seit der Kindheit, hatte aber schon lange keine Gelegenheit mehr zum Kartenspielen. „Es gibt nicht mehr viele, die es können“, bedauert sie.

Am Anfänger-Tisch nebenan wird Gaigel gespielt, das ist etwas einfacher. Elke Zinßer erklärt geduldig, dass beim schwäbischen Kartenblatt statt Piek Schippe gesagt wird und dass Karo hier ein schwäbischer Bollen ist. „Aber viel mehr Schwäbisch muss man nicht können, um mitzuspielen“, lacht sie.

Auch ihre Kolumne ist durchaus tauglich für Reigschmeckte: „Wie ich erfahren habe, wird die Kolumne auch von Nicht-Schwaben gelesen. Das Schwierige ist nur, übrigens auch für Schwaben, dass es so ungewohnt ist, Schwäbisch zu lesen und man deshalb etwas Geduld braucht“. Vor gut einem Jahr hatte Elke Zinßer bei der Leonberger Kreiszeitung angeregt, doch die Mundart in den Artikeln stärker zu pflegen. Heute schreibt sie mit einem Augenzwinkern ein bis zweimal im Monat auf Schwäbisch über alles, was das Leben so hergibt: der Weltfrauentag ist genauso Thema wie der schwäbische Hefezopf und auch das Leonberger Krankenhaus. Hier hat sie viele Jahre lang in der Pathologie gearbeitet, bis sie sich ganz der schwäbischen Mundart verschrieben hat. Noch in Planung ist ein Schwäbisch-Stammtisch. „Wir sind bei der Ideenfindung, suchen noch ein Lokal dafür. Gedacht ist an kurze Lesungen, Vorträge und Aufführungen von Mundartkünstlern. Im Anschluss kann jeder in geselliger Runde schwäbisch schwätzen wie ihm der Schnabel gewachsen ist.“ Denn schon in der nächsten Generation gerät die Mundart manchmal in Vergessenheit. So übrigens auch bei ihrer eigenen Tochter Viktoria, die nur selten schwäbisch schwätzt.

Nachts um halb zwölf hat Elke Zinßer übrigens noch Doppelkopf gelernt, „von einem Nicht-Schwaben“, sagt sie, „das war vielleicht kompliziert, dagegen ist Gaigel ein Kinderspiel“.