Nachdenkliche Töne: Bei der Narrentaufe der Lewenbercher steht die Predigt in der Leonberger Michaelskirche im Zeichen der Terroranschläge in Frankreich.

Leonberg - Es ist nicht der beste Tag, den sich die Maskengruppe des Karnevalvereins Leonberg Gesellschaft Engelberg für den Start in die Saison ausgesucht hat. Zumindest mit Blick auf das Wetter. Es ist stürmisch, und um die Mittagzeit wehen Graupel und Regenschauer den Lewenberchern und den zahlreich angereisten befreundeten Maskengruppen auf dem Eltinger Kirchplatz entgegen. Erst einmal können alle in der Michaelskirche Zuflucht vor dem unwirtlichen Wetter finden.

 

Dort beginnt das närrische Treiben mit einem ökumenischen Gottesdienst. Bereits zum vierten Mal öffnet Pfarrerin Claudia Trauthig die Pforten, um gemeinsam mit dem katholischen Pastoralreferenten Jürgen Oettel einen ganz speziellen Narrengottesdienst zu feiern.

Oettel hat wie in den Vorjahren die Predigt in Reimform vorbereitet. Das kommt beim Publikum bestens an. Mittlerweile hat sich wohl herumgesprochen, dass er das ausgezeichnet kann. Die Michaelskirche ist bis auf den letzten Platz belegt, auch auf der Empore sind kaum noch Plätze frei.

Auch wenn sein Vortrag durchaus humoristische Qualitäten hat, transportiert Oettel doch ein klassisches Predigtthema: Nicht zu sehr nach dem schnöden Mammon zu streben, sondern sich vielmehr für andere einzusetzen. Ein buntes und lautes Völkchen hat sich in dem sonst eher ruhigen Gotteshaus eingefunden, die Schellen am einen oder anderen Häs klappern, und schließlich ziehen die Leo-Valentinos mit Pauken und Trompeten in die Kirche ein.

Die Pfarrerin freut sich, begrüßt aber doch alle mit dem nötigen Ernst eines Gottesdienstes. Vor allem angesichts der terroristischen Anschläge in Paris stellt Trauthig ihre Predigt in den Dienst der Freiheit. „Humor ist ein machtvolles Kind der Freiheit“, sagt Trauthig und betont, wie wichtig es sei, dass das französische Satireblatt „Charlie Hebdo“ weiterarbeite. Und so steht bei diesem Narrengottesdienst auch in den Fürbitten der Besucher an diesem Tag die Bitte um Toleranz und Frieden in der Welt im Mittelpunkt.

Claudia Trauthig bittet für die Narren um unbeschwertes Feiern, mahnt aber auch speziell für die Faschingszeit deren Verantwortungsgefühl im Umgang mit dem Alkohol und den Mitmenschen an. Als sich schließlich die Sonne den Weg durch die bunten Fenster der Michaelskirche bahnt, sagt sie: „Ich freue mich, dass es uns gelungen ist, mit fröhlichem Gesang die Sonne herauszulocken.“

Gute Voraussetzungen also für die nach dem Gottesdienst auf dem Kirchplatz anstehende Narrentaufe. Der elfjährige Leon Busch aus Leonberg wird in die Narrenzunft aufgenommen. Als Mutprobe wird er sanft geteert und gefedert und muss einen mit Salz gefüllten Schaumkuss essen. Kein Problem für den Nachwuchs. Er weiß, was auf ihn zukommt. Beide Elternteile sind schon bei den Lewenberchern aktiv.

Viele befreundete Gruppen sind der Einladung von Zunftmeisterin und Rudelführerin Nicole Stuible, genannt Nici, gefolgt. Mit dabei sind die Contacter aus Gerlingen, die Leonberger Waldhexen, die Narrenzunft Renningen, die Hutzelmännlein der Stuttgarter Zigeunerinsel, die Cannstatter Quellenweiber, die Strudelbachhexen aus Flacht und die Schwieberdinger Gagerbach-Hexen.

Sie alle werden, wie auch Pfarrerin Trauthig und Jürgen Oettel, mit dem Jahrespin des Vereins dekoriert, der in diesem Jahr den sonst üblichen Jahresorden ersetzt. Der Humor lässt sich jedenfalls nicht so schnell vertreiben . . .