Die Schwangerenberatungen schlagen Alarm, weil für die Mütter und ihre Babys immer weniger freiberufliche Geburtshelferinnen zur Verfügung stehen. Die aber beklagen, dass hohe Risiken und Belastungen den Beruf unattraktiv machen.

Leonberg - Den Hebammen geht der Nachwuchs aus. Das heißt nicht, dass in Leonberg und Umgebung weniger Kinder geboren werden, sondern dass immer weniger Frauen den Beruf der Geburtshelferin ausüben, vor allem freiberuflich. Die Beratungsstellen und das Muttergenesungswerk schlagen Alarm.

 

„Die Versorgung von Schwangeren ist nicht weiter gesichert“, erklärt Ute Ahrens-Dreisen von der zuständigen Beratungsstelle im Leonberger Haus der Diakonie. „Ob bei uns, Caritas, Pro Familia oder beim Gesundheitsamt des Landkreises tut sich der Mangel an Hebammen fast täglich als Problem auf“, sagt auch Simone Zwicker, die Geschäftsführerin des Hauses der Diakonie in Leonberg. Der evangelische Diakonieverband deckt mit 2,4 Stellen die Schwangerenberatung in Leonberg und Umgebung und einer halben Stelle in Herrenberg ab.

Das Problem ist, dass immer mehr freiberufliche Hebammen aufhören. „Die verbliebenen Hebammen sind überlastet und müssen oft Anfragen ablehnen“, weiß Ute Ahrens-Dreisen aus Erfahrung. Es komme zu Engpässen sowohl bei der Versorgung von schwangeren Frauen vor der Geburt, als auch danach bei der Betreuung der Mütter und Säuglinge.

Besonders im fortgeschrittenerem Stadium der Schwangerschaft sei es schier unmöglich, einen Platz in einem Geburtsvorbereitungskurs zu finden. „Doch was nutzt es, sich früher nach einer Hebamme umzuschauen, wenn es nicht genug gibt?“, bringt es die Beraterin auf den Punkt.

„Das ist eine sensible Zeit“, sagt auch Angelika Klingel, die Geschäftsführerin des evangelischen Müttergenesungswerkes in Württemberg, das nicht selten Probleme auffangen muss, die in dieser Zeit entstanden sind. „Es ist ein Lebensabschnitt, in dem sich die Frauen in einer Situation befinden, in der sie noch nie waren“, weiß die zweifache Mutter. Sie bemängelt, dass die Hebammen kaum eine Lobby, dafür aber hohe wirtschaftliche Risiken und finanzielle Belastungen haben, denen ein relativ geringes Einkommen entgegen steht.

„Vor allem für Erstgebärende ist der Zustand oft belastend, ist doch das Neugeborene in vielen Fällen das erste Kind, das die Frau auf dem Arm hat. Die großen familiären Netze von früher, in denen man Erfahrung sammeln konnte, sind eher selten“, kennt Hebamme Tina Kotte die Realität. Da sei Beratung und Begleitung vor und nach der Geburt sehr wichtig. Das beginne mit der Windel, gehe weiter mit der Technik, wie man einen Säugling hochnimmt, bis hin zum Stillen und dem Umgang mit dem Baby. „Wir geben der Mutter ihr Urvertrauen in die eigenen Kompetenzen zurück“, sagt Tina Kotte.

Sie gehört noch zu den zehn Freiberuflerinnen, die in Leonberg, Rutesheim, Renningen und Weil der Stadt ihrer Berufung nachgehen. Noch vor vier Jahren waren hier 13 Hebammen tätig. Im Krankenhaus Leonberg teilen sich in der Geburtenklinik zehn Hebammen 6,5 Stellen. Es sei belastend, die Frauen abzuweisen, im Wissen, dass jede dritte keine Hebamme hat, schildert Tina Kotte. Sie selbst sei schon seit Jahresanfang bis September ausgebucht.

Doch warum hören immer mehr auf? „Eine Familie ernähren kann man damit nicht, die Bürokratie ist groß, da gehört viel Enthusiasmus dazu“, sagt die junge Leonbergerin, für die schon in Klasse vier feststand, dass sie Hebamme werden will. Das Paradoxe sei, dass der Gesetzgeber jeder Schwangeren und ihrem Baby das Recht auf zwölf Wochen Betreuung durch eine Hebamme zugestehe, aber nichts unternehme, dass der Beruf auch attraktiv bleibt, sind sich Ute Ahrens-Dreisen, Simone Zwicker, Angelika Klingel und Tina Kotte einig.