Der Gemeinderat diskutiert über Gründächer. Reißen sie ein Lochs ins Stadtsäckel und erschweren die Ansiedlung neuer Unternehmen? Die Verwaltung hält dagegen: Es sei nicht so viel teurer und gespart werde damit vor allem hinterher.

Leonberg - Ein kleiner Absatz sorgt für eine große Diskussion. Lang haben sich die Mitglieder im Gemeinderat die Köpfe darüber zerbrochen, an welcher Stelle man bei der geplanten Flüchtlingsunterkunft in Höfingen noch an den Baukosten sparen könnte. Vieles war diskutiert worden: die Größe der Räume, die Notwendigkeit von Fahrradboxen oder einem Anbau für die Mülltonnen, die Ausstattung der Zimmer oder auch die Frage nach einer zentralen Satelliten-Anlage . . . 

 

Schlechte Karten bei Neuansiedlung?

Dieter Maurmaier (FDP) war noch auf etwas anderes gestoßen. „Die Dachbegrünung ist doch ein erheblicher Mehraufwand“, meinte der Stadtrat, als es um den Bebauungsplan für das Gebiet neben der Strohgäuhalle ging. In den darin enthaltenen Bauvorschriften ist vorgesehen, dass alle Dachformen, vom Flach- bis zum Satteldach, begrünt werden sollen. Der Gemeinderat bestätigte nach langer Debatte das begrünte Flachdach (siehe Infobox).

Doch nicht nur beim Thema Flüchtlingsunterkunft trieb die Dachbegrünung die Stadträte um. „Eine Firma im Ramtel baut gerade neu. Dort macht das eine Million Euro mehr aus“, warf Jörg Langer von den Freien Wählern ein. Die Statik mache es so teuer. Der Landwirt sah darin ein großes Problem, das später auch beim geplanten Gewerbegebiet Längenbühl auf die Stadt zukomme. Mit diesen Vorschriften verteuere man den Gewerbebau erheblich. „Das entspricht nicht mehr der wirtschaftlichen Realität“, meinte Langer.

Doch so schwarz, wie der Freie-Wähler-Rat die Situation malte, wollte der Oberbürgermeister sie nicht sehen. „Wir werden um das Thema Versickerung von Oberflächenwasser nicht herumkommen“, sagte Bernhard Schuler. Es habe hier ein Paradigmenwechsel stattgefunden. Habe man früher fleißig freie Flächen bebaut und Flüsse und Bäche kanalisiert, versuche man heute, so viel Wasser wie möglich direkt vor Ort aufzufangen.

„Nach dem Wassergesetz Baden-Württemberg muss ein Grundstückseigentümer alles dafür tun, damit so viel Regenwasser wie möglich versickern kann“, erläuterte die Sprecherin der Stadtverwaltung Undine Binde-Farr. Eine Dachbegrünung sei eine sehr gute Möglichkeit dafür. Damit könne bis zur Hälfte des Regens aufgefangen werden. Ein Flachdach, auf dem Gräser und Deckpflanzen wachsen, könne sogar günstiger sein als ein Satteldach.

Bei größeren Gewerbebauten sei dies schwieriger zu beurteilen. Aber hier würden sehr oft die Dächer mit Kies gedeckt, was ebenfalls bei der Berechnung der Statik berücksichtigt werden müsse.

Wer sein Dach nicht bepflanze, müsse sich zudem um Alternativen kümmern. „Das kann zum Beispiel der Bau einer Regenwasser-Zisterne sein, aber das ist auch finanziell aufwendig.“, sagt Binder-Farr.

Dafür gebe es aber finanzielle Anreize für die Gründächer. „Wir haben in Leonberg die gesplittete Abwassergebühr. Wer also eine Dachbegrünung hat, zahlt weniger fürs Abwasser“, erklärt die Stadtsprecherin. In den älteren Bebauungsplänen für Leonberg sind die bepflanzten Dächer allerdings meist noch nicht vorgeschrieben, wohl aber in den jüngeren. Zudem gibt es Pläne der Landesregierung, dies nicht nur im Wassergesetz, sondern auch im Baugesetz zu verankern.

Stuttgart ist Vorreiter

Der Fachverband Bauwerksbegrünung führt eine ganze Reihe von Vorteilen für die grünen Dächer an. Zum einen halten sie sommers wie winters die Temperaturen in den Gebäuden konstanter, schützen vor Wärme oder Kälte. Feinstaub und Schadstoffe würden durch die Pflanzen gebunden, die zudem für Sauerstoff sorgten.

Grüne Dächer können auch schalldämmend wirken. Ein Vorreiter in Sachen Gründächer ist übrigens die Landeshauptstadt Stuttgart. Bereits 2008 gab es dort 180 000 Quadratmeter davon. Kein neues Flachdach bleibt dort unbepflanzt.

Der Gemeinderat segnet am ende das grüne Flachdach ab

Zähe Debatte
: Es war eine schwere Geburt, bis sich der Gemeinderat endlich dazu durchgerungen hatte, einer Dachbegrünung für die neue Flüchtlingsunterkunft an der Strohgäuhalle zuzustimmen. Erst beantragten die Freien Wähler eine Sitzungsunterbrechung, um sich intern abzustimmen. Dann wurde das Thema ans Ende der Sitzung verschoben, um mehr Zeit zum Nachdenken zu haben.

Kostenfrage
: Alles drehte sich um die entscheidende Frage, ob ein Satteldach oder ein Flachdach kostengünstiger ist. Ein begrüntes Satteldach sei auf jeden Fall teurer, erklärte Gabi Ludmann (CDU). Die Architektin plädierte daher für ein Satteldach mit Ziegeln. Mit einem „extensiv begrünten“ Flachdach könne Wasser abgehalten werden, hielt Bernd Murschel, Fraktionschef der Grünen, dagegen.

18 Enthaltungen
: Auch der OB meinte, dass ein begrüntes Satteldach „allein schon bauphysikalisch“ nicht billiger sein könne. Bernhard Schuler warnte vor weiteren Verzögerungen durch eine neuerliche Dachdebatte. Der drängende Bedarf an Flüchtlingsplätzen lasse keine Zeit. Eine Meinung, der sich eine knappe Mehrheit anschloss. Bei 18 Enthaltungen wurde das Flachdach beschlossen.