Gemeinderat sucht nach Wegen für besseren Nahverkehr. Frank Albrecht hält Nulltarif für machbar.

Leonberg - Wer in Leonberg auf den Bus angewiesen ist, braucht mitunter viel Zeit. Längst nicht alle Stadtteile sind optimal mit dem Zentrum verbunden. Fahrgäste, die sonntags vom Leo-Center zum Höfinger Rathaus möchten, sind bisweilen eine dreiviertel Stunde unterwegs und müssen vom Bus in die S-Bahn und dann wieder in den Bus umsteigen.

 

Auch das Tarifsystem animiert nicht unbedingt zum Umsteigen. Im Vergleich zu anderen Verkehrsverbünden ist der VVS recht teuer. Vergünstigungen für Dauerkartenbesitzer, etwa die Mitnahme von weiteren Erwachsenen in den Abendstunden oder an Wochenenden, in den Verbünden Rhein-Neckar und Rhein-Main üblich, gelten im Stuttgarter Verbund nicht. Hier dürfen lediglich an den Wochenenden bis zu drei Kinder, die eigenen Kinder und ein Hund kostenlos mitgenommen werden.

Kompliziertes System

Auch das komplizierte System der Tarifwaben stößt auf anhaltende Kritik, soll aber überarbeitet werden. Und letztlich sorgen die zahlreichen Verspätungen bei der S-Bahn immer wieder für Unmut und schrecken Pendler ab, das Auto stehen zu lassen.

In Zeiten, in denen verstopfte Straßen, Dauerstaus und Feinstaubalarm fast schon die Regel und nicht mehr die Ausnahme sind, ein nicht hinnehmbarer Zustand. Das wissen auch die Mitglieder des Gemeinderates. Auf einer Klausurtagung wollen die Stadträte gemeinsam mit der Verwaltungsspitze um Oberbürgermeister Martin Kaufmann Strategien entwickeln, wie die Verkehrsprobleme gemindert, und insbesondere das Angebot von Bus und Bahn im gesamten Stadtgebiet, aber auch in den Nachbarkommunen verbessert werden kann. Der Termin steht noch nicht fest.

Aber Vorschläge liegen schon auf dem Tisch. SPD und FDP wollen, dass im Stadtgebiet ein Kurzstreckenticket für 1,40 Euro eingeführt wird. Was gut klingt, hat dennoch Haken. Denn einfach eine autonome Leonberger Lösung ist nicht möglich, argumentieren die Stadtwerke, die für den Busbetrieb im Stadtgebiet zuständig sind.

SPD will Kurzstreckenticket

Im Verkehrsverbund Stuttgart gibt es bereits ein Kurzstreckenticket. Das umfasst aber nur drei Bushaltestellen oder eine S-Bahn-Station. Ergo müssten die Stadtwerke mit viel Personalaufwand eine Art eigenes Tarifsystem einführen.

Die Tickets wiederum, so sagt die Stadt, könnten dann nicht an den üblichen Fahrkartenautomaten oder per Handy gekauft werden. Auch Besitzer von Zeitkarten blieben außen vor. Und Busfahrer müssten eine zweite Kasse haben, um dort die Leonberg-Tickets abzurechnen. Realistischer sei, für eine Verlängerung der Kurzstrecke im gesamten Verbund zu werben.

Auch der in diesen Tagen heiß diskutierte kostenlose Nahverkehr für alle eignet sich nicht für eine singulär Leonberger Lösung. Wobei sich ein Lokalpolitiker bereits Gedanken gemacht hat. Frank Albrecht hält Bus und Bahn zum Nulltarif für machbar.

Um wirklich attraktiv zu sein, so meint der Stadtrat der Wählergemeinschaft SALZ (Stadt, Arbeit, Leben, Zukunft), dürfe solch ein Angebot nicht auf die Stadt oder den Landkreis beschränkt werden. Vielmehr müsse es in der ganzen Region gelten – von Weil der Stadt bis Waiblingen.

Albrecht macht folgende Rechnung auf: In der Region Stuttgart leben rund drei Millionen Menschen. Würde man pauschal 200 Millionen Euro in den Nahverkehr investieren, wären das umgerechnet 70 Euro pro Person.

Diese beträchtliche Gesamtsumme könne freilich nicht von einem Träger, etwa dem Land oder dem Regionalverband, allein geschultert werden. Stattdessen müssten alle Kommunen in der Region ihren eigenen Beitrag leisten.

Kommunen müssten zahlen

Für die Stadt Leonberg mit ihren knapp 50 000 Einwohnern kommt der Kommunalpolitiker auf ein jährliches Investitionsvolumen von 3,5 Millionen Euro. „Mit diesem Betrag können die Betriebs- und Erhaltungskosten gedeckt werden“, sagt Albrecht, der sich bei seinen Berechnungen auf Angaben von Experten aus verschiedenen Fachbehörden beruft. Deren Namen dürfe er nicht nennen. Aber Albrecht versichert, dass es sich um verlässliche Fachleute mit hoher Expertise handelt.

„Wenn aber tatsächlich immer mehr Leute auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen, steigt natürlich der Bedarf an Bussen und Waggons, die auch finanziert werden müssen“, sagt der Stadtrat

Dafür schlägt er eine Art Jahreskarte für 100 Euro vor. Die solle in der ganzen Region rund um die Uhr gelten. Ein verbundweites Tagesticket für drei Euro sei darüber hinaus eine interessante Möglichkeit. Diese Karten sollten für Bedürftige, Schüler, Azubis und Studenten ermäßigt angeboten werden.

„Das Entscheidende ist, dass die Menschen ohne großes Nachdenken in einen Bus oder eine Bahn einsteigen können“, sagt Frank Albrecht.