Brunhilde Steinmetz schreibt wunderbare Gedichte – und ist überhaupt ein überaus kreativer, aber noch öffentlichkeitsscheuer Mensch. In drei Anthologien sind bereits lyrische Verse der Leonbergerin erschienen.

Leonberg Welch verborgene Talente blühen in Leonberg! Brunhilde Steinmetz ist eins von ihnen. Dazu noch ein vielseitiges. Das sieht, wer die Gartentreppen der gebürtigen Aspergerin Richtung Haus erklimmt, die von ihr gestalteten Mosaiktische sieht, die Kunstwerke in ihrer Garage, die sie unter anderem mit Hilfe des einstigen giftgrünen Noppenbodens der Stuttgarter Staatsgalerie geschaffen hat. Oder die aus Drahtkleiderbügeln gewundenen „Spinnweben“, die den Besucher auf der Gartentreppe begleiten. Die Glaskunst und ihre kalligrafischen Arbeiten. Nicht zu vergessen ihre am Fenster hängenden „Rollbilder“, derzeit aus Kunstpostkarten von lesenden Menschen.

 

Aber das wäre eine andere Geschichte. Denn schon das literarische Talent der 68-Jährigen, die besonders die Gedichte von Rose Ausländer und Hilde Domin liebt, ist bemerkenswert. „Kein Leben auf der Überholspur/meist in der Mitte/Oft auf der Standspur/ Sehr bedacht, auch zögerlich vorsichtig/Dann und wann überholend/ aufdrehend, wagend/Doch eher selten!!“ lauten die Verse des Gedichts „Leben II“, das in einem der handgeschriebenen, wunderschön gestalteten Lyrik-Bücher von Brunhilde Steinmetz zu finden ist. Das Gedicht, so meint man herauszuhören, nachdem man die so lebendige wie nachdenkliche Wahl-Leonbergerin ein wenig kennengelernt hat, sagt viel über sie und ihren Charakter aus. Denn nur per Zufall ist diese Zeitung auf sie aufmerksam geworden.

Brunhilde Steinmetz schreibt schon seit 36 Jahren Gedichte

Dabei schreibt Brunhilde Steinmetz schon seit 1978 Gedichte. Damals waren es eher sporadische Schreibversuche – was nicht bedeutet, dass sie nicht gelungen gewesen wären. So ist eins ihrer ersten Gedichte, „Erinnerungen“ aus dem Jahr 1978, vor zwei Jahren in die „Anthologie deutschsprachiger Gedichte“ aufgenommen worden. „Kleine Inseln im Strom der Zeit/Sandbänke für Gedanken/Parkbuchten für Gewesenes/Wartehäuschen für Bilder/Schubladen im Kopf.“, lautet es und im „Basisgutachten“ der Bibliothek deutschsprachiger Geschichte heißt es: „Was Sie eingesandt haben, bietet in zweifellos einfallsreicher Weise eine Schöpfung, die in sprachlicher Hinsicht aus der Menge herausragt . . . und was den Bilderreichtum betrifft, ist ungewöhnlich viel Sprachgefühl vorhanden“.

Auch wenn die Geschäftsmethoden des Verlags nicht unumstritten sind (siehe Kasten), und viele Autoren ähnliche Gutachten bekommen, so kann man die Aussage angesichts der Steinmetzschen Gedichte nur bestätigen. Illustriert hat die in kalligrafischer Schrift geschriebenen Bände Brunhilde Steinmetz’ Schwester Gisela Schiermann – und gerade das Zusammenspiel zwischen Text und mal poetischen, mal frechen Bildern und Skizzen machen den großen Reiz der Bücher aus. In ihren Versen schreibt die gelernte Buchhändlerin vom Alltag, ihren Träumen und Ängsten. Sie widmet ihrem Begleiter Wickie ein Gedicht, einem Yorkshire-Terrier, der ihr jetzt, wo ihr Mann schwer krank ist, Trost spendet.

In mehreren Gedichten schmiedet sie Verse über den Frühling, den Spatzen, der sie 13 Jahre ihres Lebens begleitet hat, aber auch über die Melancholie und Schwere des Karfreitags. Sie fragt nach dem Wesen von „Heimat“ und sinniert, halb schmerzlich, halb ironisch, über das Altwerden. „Ältere Frauen/manche auch ältlich/Krähenfüße/hungrig nach Kultur und Schlagsahne/Haltsuchend/Im Steinbruch des Lebens/für die letzten Jahre.“ Dieses Gedicht, „Im Museum“, ist 2013 in der Bibliothek deutschsprachiger Gedichte erschienen.

Denn vor zwei Jahren, nachdem Brunhilde Steinmetz jahrelang Adressen von Verlagen und Berichte über den Seniorenschreibwettbewerb aus der LKZ geschnitten und beiseite gelegt hatte, hat sie sich am Gedicht-Wettbewerb der Bibliothek deutschsprachiger Gedichte beteiligt. Nun liegen drei Anthologien auf dem Wohnzimmertisch. Zuletzt ist nämlich auch noch ihr Gedicht „Am Meer“ in die „Frankfurter Bibliothek – Jahrbuch für das neue Gedicht“ der Brentano-Gesellschaft aufgenommen worden.

Ganz intensiv zum Schreiben von Lyrik gefunden hat Brunhilde Steinmetz, nachdem sie als 36-Jährige einen Schlaganfall erlitten hatte und dabei monatelang nicht nur halbseitig gelähmt war, sondern auch ihre Sprache verloren hatte. „Da flossen stattdessen dann die Verse nur so“, erzählt sie rückblickend.

„Ich schreibe, um mich selbst besser zu verstehen“

Ohnehin betrachtet sie das Schreiben ebenso wie ihre anderen kreativen Tätigkeiten auch als Therapie, und sie schreibt, „um mich selbst besser zu verstehen“. Warum sie so lange nur „für die Schublade“ geschrieben hat, kann die Mutter einer Tochter und vierfache Großmutter selbst nicht recht erklären. Wahrscheinlich sei sie dazu erzogen worden, sich nicht in den Vordergrund zu drängen.

Die Veröffentlichung der Gedichte sieht sie realistisch und denkt nicht an eine große Autorenkarriere. In den Anthologien habe sie viel Lesenswertes entdeckt, aber auch Banales. Und der Verlag, weiß sie, will mit dem Verkauf der Bände an die Autoren Geld verdienen. Das macht die dort versammelten Gedichte nicht automatisch schlecht.

Immerhin bieten solche Anthologien Lyrikfans einen Querschnitt gegenwärtiger deutscher Dichtung und geben auch Hobbydichtern die Möglichkeit, ihre Gelegenheitsdichtungen und lyrischen Verse aus dem Alltag einem breiteren Publikum zu präsentieren.