Wolfgang Diehm, der Präventionsbeauftragte des Polizeireviers, geht in den Ruhestand.

Leonberg - Keine Frage, bei Jugendlichen im Altkreis ist der Protagonist dieser Geschichte bekannt und beliebt zugleich. Nein, die Rede ist nicht vom Weihnachtsmann, wenngleich Wolfgang Diehm ebenfalls in guter Mission unterwegs war, machte er doch als Präventionsbeauftragter der Polizei Leonberg die Kinder fit für den Kampf gegen die Gefahren des Alltags. Nach 16 Jahren in dieser Funktion und 41 Jahren Dienst hat sich der Rutesheimer jetzt in den Ruhestand verabschiedet.

 

„Jetzt ist Gartenarbeit angesagt, das ist ein großes Hobby von mir“, freut sich Diehm schon. Auf dem Grün vor dem Haus in Rutesheim wuchere derzeit nur Gras. „Künftig möchte ich dort Gemüse anbauen.“ Und abends mal gemütlich „Tatort“ schauen? Nein, danke! „Im Dienst erlebt man schon allerlei, aber die Handlungen sind maßlos übertrieben,“ moniert er.

Guter Draht zu jungen Menschen

Der Abschied sei ihm schwer gefallen. „Daher habe ich auch noch ein Jahr draufgesattelt, weil mir die Arbeit immer viel Spaß machte.“ Für diese Arbeit war der Polizeihauptkommissar mit seiner aufgeschlossenen Art und der Bereitschaft, auch mal über den Tellerrand hinauszuschauen, wie gemacht. „Ich komme mit jungen Menschen einfach gut klar“, sagt er selbst. Deswegen lauschten die jungen Zuhörer auch immer gespannt, wenn Diehm beim Klassenbesuch zu ihnen sprach – über Gewalt, Schutz vor Missbrauch, Drogen oder Gefahren im Internet.

Handschellen gingen nicht mehr auf

Und wollte einer mal wissen, wie es sich anfühlt, wenn die Handschellen „Klick“ machen, dann fackelte er nicht lange. „Bei einem meiner letzten Besuche in einer Grundschule bekam ich sie aber nicht mehr auf“, verrät er mit einem Schmunzeln. Am Ende ging es mit dem Viertklässler, der schon ganz feuchte Augen bekam, auf die Wache. „Zum Glück fand bei uns gerade die Geräte-Revision statt, und die Spezialisten konnten die Handschellen aufschließen“, berichtet er und schüttelt den Kopf.

Doch auch bei den vielen Veranstaltungen mit jungen Menschen durfte er nicht fehlen. Stammgast war er außerdem bei Elternabenden, und nicht selten schlug er im Seniorenheim auf, um die älteren Herrschaften etwa vor dem Enkeltrick zu warnen. Der Imam fragte ihn um Rat, und im offenen Strafvollzug Seehaus waren die Jungs „seine Jungs“. Häufig klingelte das Telefon auch noch nach Dienstschluss, wenn sich ein Jugendlicher den Frust von der Seele reden wollte.

150 Klassenbesuche pro Jahr

An die Anfänge erinnert er sich mit einem Schmunzeln: „Damals musste ich noch viel Werbung für mich machen“, sagt er. „Am Ende war es aber ein Selbstläufer.“ Zuletzt standen pro Jahr allein 150 Klassenbesuche in seinem Terminkalender. Dass er an den 30 Schulen in seinem Bezirk ein- und ausging, war Alltag. „Normalerweise war es kein gutes Zeichen, wenn die Polizei auf dem Schulhof aufgetaucht war, doch heute ist die Präventionsarbeit ein fester Bestandteil“, sagt er stolz.

Der Erfolg seiner Arbeit lässt sich nicht an Zahlen festmachen. Die Jugendkriminalität sei hierzulande zwar zurückgegangen. „Doch es ist nicht messbar, ob es einen direkten Bezug zu meiner Arbeit gibt“, sagt er. „Wenn aber einer mal etwas ausgefressen hat, dann wusste er, dass er auf dem Revier ordentlich behandelt wird.“ Und ist der Rutesheimer mal auf Achse, dann muss er Hände schütteln im Akkord. „Ich habe schon den Eindruck, dass sich die jungen Leute freuen, wenn sie mich sehen“, sagt er.

Ausbildung mit Schwerpunkt Fitness

Dass er mal bei der Polizei anheuert, war übrigens nicht sein Plan. „Ein Freund meines Vaters, der Polizist war, fragte mal, ob ich als sportlicher Bursche denn nicht zur Polizei möchte“, erinnert sich der Mann, der mit zwei Schwestern in Wertheim am Main aufgewachsen ist.

Diehm machte die Ausbildung bei der Bereitschaftspolizei in Bruchsal, wo er als Fußballer und Schwimmer in einem Sportlerzug unterkam. „Das war eine Ausbildungseinheit mit dem Schwerpunkt Fitness“, erklärt der 61-Jährige, der später zur Autobahnpolizei nach Tauberbischofsheim oder zumindest in deren Nähe wollte. „Die Stammdienststelle war aber die Autobahnpolizeidirektion in Stuttgart-Vaihingen, und so landete ich in Böblingen.“

Seit 2000 Präventionsbeauftragter im Revier

In Leonberg erlernte der Polizeihauptwachtmeister den Beruf „von der Pike auf“. Nach einem Abstecher zur Zivilfahndung nach Böblingen wurde er stellvertretender Postenführer in Rutesheim, wo er bis 2000 blieb. „Im Zuge einer Umorganisation kam ein neuer Dienststellenleiter, und damit waren wir einer zu viel“, erklärt er. Eine der Möglichkeiten, die sich ergaben, war die neue Stelle des Präventionsbeauftragten.

Für Themen rund um Kinder und Jugendliche brannte er schon seit seinem Antritt im Rutesheimer Gemeinderat im Jahr 1994 – dort saß er zunächst für die SPD, seit 2014 vertritt der stellvertretende ehrenamtliche Bürgermeister die BWV. So hatte der frühere Elternvertreter dazu beigetragen, dass das Rutesheimer Gymnasium gebaut wurde.

Ganz loslassen geht nicht

Seine Arbeit als Präventionsbeauftragter hat auch auf seine Tochter abgefärbt. Melanie Diehm, die Konrektorin der Friedrich-Schiller-Schule in Renningen, machte eine Weiterbildung zur Präventionsbeauftragten und berät nun Schulleiter und Kollegen. „Das ist ein schöner Nebeneffekt meiner Arbeit“, sagt der Rutesheimer, der seit 1982 verheiratet ist und noch einen Sohn hat.

Komplett verschwinden von der Bildfläche möchte er nicht. „Ich werde auf ehrenamtlicher Basis noch die ein oder andere Veranstaltung machen“, sagt er: „Ganz loslassen, das geht nicht!“ Sein Nachfolger Jürgen Hach tritt in große Fußstapfen.