Fast vier Jahrzehnte lang hat Wolfgang Fürst für seinen Ortsteil Höfingen im Gemeinderat dicke Bretter gebohrt und dabei auch das Wohl der Gesamtstadt nicht aus den Augen verloren.

Leonberg - Wem die Genossen die Willi-Brandt-Medaille geben, der muss schon einiges geleistet haben. Bei Wolfgang Fürst sehen die nackten Zahlen so aus: 39 Jahre Höfinger Ortschaftsrat, 34 Jahre Stadtrat und zum Abschluss auch noch fünf Jahre Kreisrat. Doch dahinter stecken viele Tausend Stunden ehrenamtliches Wirken und unermüdlicher Einsatz zum Wohle der Allgemeinheit.

 

Doch wer ist der Mann, dem die Belange seiner Nachbarn so wichtig waren, dass er seine eigenen oft hintangestellt hat? Geboren am 11. August 1942, ist Wolfgang Fürst nach dem frühen Tod der Mutter bei der Oma in Seifhennersdorf im Kreis Zittau aufgewachsen. Als die erfuhr, dass das DDR-Regime elternlose Kinder in Heime stecken will, hat sie ihn 1952 rechtzeitig schwarz über die Grenze zum Vater nach Kiel geschafft.

Der Traum vom Meer

Der hielt nicht viel vom Traum seines Sohnes, Schiffselektriker zu werden und zur See zu fahren. Stattdessen verpflichtete er ihn, das Maurerhandwerk zu lernen. Mit 18 zog Wolfgang Fürst aus und wurde in Rastatt Fernmelde-Monteur bei der Gesellschaft Deutsche Fernkabel. Die legte unter anderem bundesweit Kabel für die NATO. So war er stets auf Reisen.

Das änderte sich 1965, als er seine spätere Ehefrau Theresia kennen lernte. „Meiner zukünftigen Schwiegermutter war die ewige Reiserei nicht geheuer“, erinnert sich Fürst. Nachdem 1967 geheiratet wurde und die Schwiegereltern von Aichelberg nach Höfingen zogen, wurde auch die junge Familie hier sesshaft.

Fürst wechselte zur Post und durchlief die mittlere Beamtenlaufbahn bis zum Fernmelde-Techniker. Als Bauführer der Außendienststelle Höfingen ging er 1997 im Zuge der Privatisierung der Telekom mit 55 Jahren in Pension.

Im Jahre 1971 wurde Tochter Bianka geboren. Ihr Kindergartenbesuch war eigentlich der Auslöser für die 40 Jahre politisches Engagement ihres Vaters. Wolfgang Fürst war 1966 in die SPD eingetreten. „Willi Brandt faszinierte mich, die 68er-Bewegung hatte mich in ihren Bann gezogen, ja selbst die RAF interessierte mich, bis ich merkte, dass das doch nicht mein Ding ist“, sagt Fürst im Rückblick.

Vom Elternbeiratsvorsitzen, der sich in der Ortschaftsverwaltung für ein Sonnensegel im Kindergarten der Tochter stark machte, war es kein großer Schritt bis in die Kommunalpolitik.

Der Weltverbesserer

„Es war allein schon ein erhabenes Gefühl, auf der Kandidatenliste zu stehen“, erinnert sich Wolfgang Fürst an seine Wahl in den Höfinger Ortschaftsrat 1975. „Als ich dann bei der Wahl 1980 und allen weiteren als Höfinger Stimmenkönig in den Gemeinderat gewählt wurde, war das Ehrenamt plötzlich eine Verpflichtung meinen Höfingern gegenüber. Jetzt hieß es, für sie dicke Bretter zu bohren und ihre Welt zu verbessern“, sagt Fürst.

Für die Einwohner des Stadtteils war er immer da, auch als Stellvertreter der hauptamtlichen Ortsvorsteher Helmut Noë, Dieter Girrbach, Ekkehard Fauth, Dieter Hofmann, Ursula Kreutel und zuletzt Bärbel Sauer.

Das Fazit

Worauf ist der Kommunalpolitiker stolz? „Dass wir in den 80er Jahren verhindern konnten, dass eine Entsorgungsfirma ein Zwischenlager für Sondermüll im Mischgebiet Pfad einrichtet.“

Was bedauert er? „Gemeinsam mit Oberbürgermeister Dieter Ortlieb konnten wir die Naturfreunde nicht überzeugen, das Freibad im schattigen Höfinger Täle aufzugeben und dafür ein neues am Waldeck zu bauen.“

Dabei meint Fürst: „Als guter Demokrat erlebt man keine Enttäuschungen. Man setzt sich zwar mit aller Kraft für etwas ein, aber wenn man nicht die Mehrheit bekommt, muss man damit leben.“

Kein politisches Mandat mehr – fehlt etwas? „Je länger der Abstand, desto leichter wird es. Man muss sich daran gewöhnen, dass man nicht mehr so gefragt ist. Es ist so, als ob jemand mit einer Schere viele Fäden durchschnitten hat“, sagt Fürst. „Der Postkasten ist nicht mehr so voll, das Telefon läutet weniger und man kann unterwegs sein, ohne angesprochen zu werden.“ Ganz so schlimm scheint das für ihn aber nicht zu sein: „Der Tag hat mittlerweile andere Qualitäten.“