Lilly Back spielt das Instrument in der Eltinger Michaelskirche bereits seit 1964. Jetzt wird doppeltes Jubiläum gefeiert: 50 Jahre Eltinger Orgel und 50 Jahre deren Organistin.

Leonberg - Wenn Lilly Back in Eltingen beim Metzger in der Schlange steht, denkt sie nicht unbedingt ans Mittagessen. Sie sinniert eher über die Musikstücke, die sie bei den nächsten kirchlichen Terminen auf der Orgel spielen wird.

 

Denn Lilly Back ist fast ein Fall fürs Guinness-Buch der Rekorde: Sie spielt auf der Orgel in der evangelischen Michaelskirche, seit das Instrument vor 50 Jahren dort eingebaut wurde, kennt es in- und auswendig. „Mein offizieller Dienstantritt war der 17. April 1964. Da habe ich mein erstes Honorar für das Orgelspielen bekommen“, erzählt die muntere Dame. Doch bis dahin war es ein weiter Weg.

Am Anfang stand das Akkordeon

„Mein Vater war Akkordeonlehrer, also habe ich ursprünglich dieses Instrument gelernt“, sagt sie. Ihr Vater, Paul Eiß, ist den Eltingern als Mitbegründer des Vereins der Harmonikafreunde Leonberg/Eltingen noch wohlbekannt.

Als für sie der Konfirmandenunterricht begann, legte der damalige Pfarrer Kappus seinen Zöglingen nahe, sich in die Gemeinde einzubringen; die junge Lilly dachte sich, das könne sie am besten über die Musik. Also belegte sie beim ehemaligen Bezirkskantor Eberhard Jörg einen Hilfsorganistenkurs und begann, bei den sonntäglichen Gottesdiensten das Harmonium zu spielen. Nicht die Orgel? „Nein“, sagt sie und lacht, „denn im Juli 1963 wurde unsere Kirche über ein Jahr für Renovierungsarbeiten gesperrt. Die Gottesdienste fanden im Gemeindehaus statt, und dort gab es nur ein Harmonium.“

Für die Akkordeonspielerin war es nicht einfach, auch mit der linken Hand zu spielen, aber: „Ich habe mich durchgebissen, ich wollte unbedingt Orgel spielen lernen. Mein großes Vorbild war Friedrich Fröschle“, erinnert sie sich. Fröschle ist Kennern der Kirchenmusik wohl bekannt: klassischer Organist, Dirigent, Kirchenmusikdirektor, Hochschullehrer und Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande. Anfang der 60er-Jahre spielte er im Wechsel mit dem Organisten Heinz Kienzle in der Eltinger Kirche und weckte den Ehrgeiz in Lilly Back. Sie nahm privaten Unterricht und legte 1969 die Prüfung zur nebenberuflichen Organistin ab. „Das war damals noch mit der Funktion des Chorleiters gekoppelt“, erzählt sie, „und so habe ich zusätzlich einige Jahre die Chorleitung im Silberberger Chor und später auch im Eltinger Singkreis übernommen.“

Den Beruf als Finanzbeamtin in Leonberg hat sie nach der Geburt ihres zweiten Kindes aufgegeben, Familie und Musik haben sie ausreichend beschäftigt. Zumal sie sich Ende der 80er-Jahre einen musikalischen Traum erfüllen konnte: „Musik für Orgel und Trompete hat mich schon immer fasziniert“, erzählt sie begeistert. Als sie den Trompeter Rudi Schenk kennenlernte, war die Eltinger Marktmatinee geboren. Seit 26 Jahren spielt sie mit Schenk donnerstags auf dem Eltinger Markt, von der Adventszeit bis zur den Sommerferien.

Die Marktmatinee gibt es auch schon seit 26 Jahren

Die Marktbesucher lieben ihre Matinee, sie dehnen den Einkauf aus, bleiben an der Kirche stehen und freuen sich an der Musik. Deshalb ist auch die Marktmatinee der perfekte Rahmen, das doppelte 50-Jahr- Jubiläum von Organistin und Orgel zu feiern: Am Gründonnerstag wird es um 10.30 Uhr einen Stehempfang in der Kirche, bei schönem Wetter im Freien, geben. Und sicher wird dabei auch die Geschichte der Orgel zur Sprache kommen: Sie ist nämlich die Stiftung eines einzelnen Eltinger Ehepaares zum Gedenken an ihr einziges Kind, ihre Tochter Pauline, die bei einem tragischen Verkehrsunfall ums Leben kam.

Lilly Back ist mit ihren 66 Jahren eigentlich schon in Rente, doch ans Aufhören denkt sie nicht. Ein Glück, denn flexible Organisten gibt es im Kirchenbezirk nicht mehr viele. Deshalb spielt die Musikerin nicht nur bei den sonntäglichen Gottesdiensten in der Michaelskirche, sondern begleitet auch alle evangelischen Beerdigungen im Bezirk. „Ich versuche immer, mich in die Angehörigen hineinzudenken und ihnen etwas mitzugeben. Neulich zum Beispiel wusste ich, dass die verstorbene Oma immer ein bestimmtes Lied mit ihrer Enkelin gesungen hat. Also habe ich das auch bei der Beerdigung gespielt.“ Die Menschen danken es Lilly Back, dass sie versucht, immer persönlich zu sein. Und so lange es die Gesundheit zulässt, wird sie auch weiterhin beim Metzger in der Schlange stehen und über die musikalische Gestaltung ihrer Termine nachdenken.