Notunterkünfte und die Anschlussunterbringung sind zwei verschiedene Paar Schuhe. OB Bernhard Schuler erklärt den Unterschied, erwartet mehr Transparenz vom Landkreis und fordert dringend kürzere Verfahrenswege, um Neubauten beschleunigen zu können.

Leonberg: Thomas Slotwinski (slo)
Leonberg – - Notunterkünfte und die sogenannte Anschlussunterbringung sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Im LKZ-Gespräch erklärt OB Bernhard Schuler den Unterschied, erwartet mehr Transparenz vom Landkreis und fordert dringend kürzere Verfahrenswege, um Neubauten beschleunigen zu können.
Herr Oberbürgermeister, in der Flüchtlingsdiskussion ist immer wieder von Notunterkünften und der Anschlussunterbringung die Rede. Was ist der Unterschied?
Genau besehen gibt es drei Kategorien von Unterkünften in Baden-Württemberg. Zum Ersten die sogenannten LEAS – Landeserstaufnahmestellen – die vom Land betrieben werden und sich beispielsweise in Ellwangen, Meßstetten oder Heidelberg befinden. Im Anschluss daran geht es in die Gemeinschaftsunterkünfte der Stadt- und Landkreise, so wie sie im Moment der Landkreis zum einen beim Krankenhaus, im ehemaligen Online-Hotel im Ramtel und in der Sporthalle des Berufsschulzentrums betreibt. Hierbei handelt es sich um die sogenannte vorläufige Unterbringung.
Der städtische Beitrag in dieser Kette kommt zum Schluss, oder?
Das kann man so sagen. Denn danach folgt die Anschlussunterbringung bei den Städten und Gemeinden, die wir bisher immer in Wohnraum geleistet haben. Hier geht es darum, dass die Menschen zum größten Teil in der Stadt wohnen und leben werden, also um die Integration der Menschen in unserer Stadt.
Das heißt, die beiden neuen Häuser in Höfingen und das geplante Haus im Bereich Niederhofen haben nichts mit den Notunterkünften zu tun?
Nein, diese Unterkünfte sind als Wohnungen geplant. Wie viele Personen dort einziehen werden, ist jedoch im Moment noch offen.
Sie haben in Ihrer Ansprache zum 3. Oktober die hohen Standards in der Folgeunterbringung kritisiert. Was bemängeln Sie konkret?
Ich habe in meiner Rede nicht die bisherigen Standards kritisiert. Diese haben wir in den vergangenen Jahren mit Augenmaß erfolgreich umgesetzt. Ich habe kritisiert, dass das Land noch zu Beginn des Jahres die Zuschüsse für den Bau neuer Wohnungen davon abhängig gemacht hat, den bisher vom Bundesverwaltungsgericht festgelegten Maßstab nach oben zu korrigieren. Zwischenzeitlich sind erste Korrekturen erfolgt – weitere Korrekturen auch im Hinblick auf die Standards der Landesbauordnung müssen folgen, da ansonsten die finanziell geschwächten Kommunen die Menschen nicht mehr vernünftig unterbringen können. Hinzu kommen müssen erhebliche Verfahrensvereinfachungen. Unsere bisherigen Verfahren mit Flächennutzungsplan, Bebauungsplan, Baugenehmigung dauern viel zu lang und sind zu aufwendig.
Werden die Flüchtlinge insgesamt zu schnell an die Kommunen „weitergereicht?“
Ich halte es für dringend erforderlich, dass bei der Verteilung der Flüchtlinge ein abgestimmtes und transparentes Verfahren herrscht. Aus meiner Sicht sollte der Landkreis für die zuständigen städtischen Mitarbeiter einsehbar auf einer Homepage hinterlegen, wie viele Flüchtlinge sich in den Unterkünften des Landkreises an welchem Ort befinden. Außerdem sollte bekannt sein, wie viele Flüchtlinge seit Januar in den Kommunen untergebracht wurden. Damit könnte der Landkreis einen ganz erheblichen Beitrag zu Transparenz und der Folgenabschätzung leisten.
Sie hatten an die Neuankömmlinge appelliert, einen „positiven Beitrag für die Gesellschaft“ zu leisten? Was könnten sie machen?
Das beginnt bei Fragen der Stadtsauberkeit, geht über Hilfsdienste für ältere Menschen zum Beispiel beim Einkauf oder an den Bahnhöfen und anderem mehr. Wir sollten hier gemeinsam neue Wege gehen.
Ist in Leonberg irgendwann eine Obergrenze erreicht?
Die Obergrenze kann verschieden definiert werden. Zum einen über die Möglichkeit, wie viele Räume zur Verfügung gestellt werden können. Im Hinblick auf die Genehmigungspraxis des Regierungspräsidiums muss außerdem geklärt werden, wie viel Geld man zum Bau von Unterkünften am Kreditmarkt aufnehmen kann. Denn nur über Kredite oder neue Investorenmodelle werden diese Unterkünfte finanziert werden können. Zum Dritten durch die Fragestellung, welche Flüchtlinge man bekommt und wie viel für Integrationsmaßnahmen wie Sprachkurse, Hilfe bei Behördengängen und anderem die Stadtgesellschaft leisten kann.
Es gibt also noch viele offene Fragen.
Sicher ist, dass wir uns in den nächsten zwölf Monaten an völlig andere Zahlen werden gewöhnen müssen, als dies in der Vergangenheit der Fall war. Viele Flüchtlinge sind im Moment noch in den LEAS untergebracht, der Kreis hat seine Sammelunterkunftskapazität noch nicht vollständig ausgebaut und ein Ende des Flüchtlingsstroms ist nicht abzusehen.
Auf die Kommunen kommt eine Langzeit-Herausforderung zu.
Ja, das ist so. Denn eines ist schon jetzt klar: Die Integration der bei uns ankommenden Flüchtlinge wird eine gewaltige Herkulesaufgabe, die uns über viele Jahre beschäftigen wird.