Seit 20 Jahren züchtet der Eltinger Kurt Widmaier Burenziegen. Viele schätzen ihr zartes Fleisch als Osterbraten. Doch die Tiere werden hierzulande nicht nur deswegen gehalten, sondern auch in der Pflege der Kulturlandschaft eingesetzt.

Leonberg - Noch vor wenigen Jahren hat man sich am Morgen des Ostersamstags beim Ziegenstall von Kurt Widmaier in Griechenland gewähnt. Jeder kannte jeden, es wurde lebhaft und natürlich auf Griechisch diskutiert. Wer sich so früh auf den Weg gemacht hatte, wollte nur eines – zügig die frisch geschlachteten Zicklein abzuholen, die nach altem Brauchtum am Ostersonntag am Spieß zubereitet wurden.

 

Doch die Zeiten ändern sich. Kurt Widmaier kennt den Grund: „Junge Griechen stehen nicht mehr auf den alten Brauch, den älteren ist es zu aufwendig geworden, aber zum Glück schätzen immer mehr deutsche, und zwar jüngere Familien die Vorzüge von zartem Zickleinfleisch.“ Und so wird auch heute wieder einiges beim Ziegenstall los sein, wenn der rechtzeitig bestellte Osterbraten abgeholt wird.

Kurt Widmaier ist „auf die Ziege gekommen“

Manche Menschen kommen auf den Hund, vom Eltinger Kurt Widmaier kann man sagen, dass er auf die Ziege gekommen ist. Der gelernte Mechaniker der Leonberger Firma Pfau hatte, bevor er sich vor zehn Jahren mit einem Hausmeisterservice selbstständig machte, nebenbei immer noch eine kleine Landwirtschaft mit ein paar Schafen und Pferden als Hobby. Irgendwann erstand er, begeistert vom lustigen Wesen der Tiere, zwei Deutsche Edelziegen. „Da bin ich dann von Kunden, die sonst Osterlämmer kauften, angesprochen worden, dass sie lieber Zicklein kaufen würden“, erzählt Widmaier.

Auf die Burenziegen, die heute den Stall bevölkern, ist Widmaier vor etwa 20 Jahren zufällig gekommen. Er wollte einer Familie ein Pferdegeschirr verkaufen, wobei die Pferdebesitzerin anbot, es mit Burenziegen zu bezahlen. „Als die Frau dann gesagt hat, wie hoch der Gegenwert einer Ziege sei, bin ich mit dem Pferdegeschirr wieder heimgefahren, aber mit dem festen Entschluss, selbst Burenziegen anzuschaffen“, sagt der Eltinger im Rückblick.

„Die Ziegen haben bei uns schon immer dazugehört“, sagt Kurt Widmaiers 21-jährige Tochter Katja. Als Kind schätzte sie sie als lustige Spielkameraden. „Ich hatte meine Lieblinge, besonders die Kleine, für die ich meinen Babyschnuller eingetauscht habe.“ Als Zweijährige begleitete Katja den Vater beim Ziegenkauf. Eine kleine Ziege hatte es ihr sofort angetan, doch ihrem Vater gefiel sie gar nicht. Als sie dann jedoch ihren Schnuller zum Tausch anbot, konnte er nicht widerstehen. Die Ziege hat zwölf Jahre bis zu ihrem Tod auf dem Hof gelebt.

Die Rasse der Burenziegen stammt aus Namibia. Sie haben ihren Namen nach den europäischstämmigen Siedlern, die von den Briten Buren genannt wurden. Die stämmige Ziegenart züchtete man ihres Fleisches wegen. Nach Deutschland wurden im 19. Jahrhundert solche Tiere lebendig verschifft und an die Raubtiere in der Wilhelma verfüttert. Doch dann lernte man auch hierzulande nach und nach ihr schmackhaftes Fleisch zu schätzen.

Im Sommer sind die Ziegen wichtige Landschaftspfleger

Im Sommer sind Kurt Widmaiers Burenziegen Naturschützer und Landschaftspfleger. Dann dürfen sie das tun, was sie am liebsten machen – an den Hängen herumspringen, grasen und Büsche und Sträucher abknabbern. In Leonberg gibt es eine ganze Reihe von trockenen, wenig ertragreichen Hangflächen wie am Schopflochberg, die früher als Schafweide dienten. Auf diesen haben sich Pflanzen angesiedelt, die zum Teil sogar unter Naturschutz stehen. Wird nichts getan, nehmen Büsche Besitz von der Landschaft, Schlehe, Weißdorn oder Robinie machen sich breit. Geht aber eine Ziegenherde über die Fläche, werden solche riebe abgeknabbert.

In den 20 Jahren, seit Kurt Widmaier die Zucht betreibt, ist er zum Fachmann geworden. Seine Rassetiere sind auch im Ausland begehrt. Ziegen aus seinem Bestand gibt es inzwischen in Ungarn, Griechenland, Brasilien, Polen und auf der Insel Réunion. Es gab Zeiten, da tummelten sich mehr als 100 Tiere in seinem Stall – inzwischen hat er den Bestand auf 25 reduziert. „Ganz auf meine Burenziegen verzichten kann ich aber nicht“, sagt Widmaier.

„Mir würden sie auch fehlen, denn ich bin ja praktisch mit ihnen aufgewachsen“, ergänzt Tochter Katja und nimmt behutsam ein wenige Tage altes Kitz in die Arme. Die Ziegenmutter kommt herbei und knabbert an ihrem Ärmel – sie hat ihr Junges doch lieber auf dem Boden, in ihrer Nähe.