Das Insekt aus Asien befällt rote Trauben. Die hiesigen Winzer beklagen deutliche Mengenverluste und kämpfen um die Qualität.

Leonberg: Thomas Slotwinski (slo)

Leonberg - Dem Wengerter schwant nichts Gutes. „Das wird eine Noternte“, sagt Axel Röckle, als er seine rund 20 Helfer zur Lese am Ehrenberg begrüßt. Einen Monat früher als im vergangenen Jahr wird nicht nur in den Steilhängen der Familie Röckle geherbstet. Nebenan sind auch Martin Hartmann und seine Leute mit der Lese beschäftigt.

 

Der Grund für die frühe Ernte ist klein und stechfreudig: Die Kirschessigfliege hat in diesem Jahr erstmals die deutschen Weinberge erreicht und bereitet den Winzern landauf, landab Probleme. Nicht nur in Eltingen. Das aus Asien stammende Insekt bohrt die Beeren regelrecht an und legt dort seine Eier ab. Damit sind die Beeren unbrauchbar. Sie schmecken nach Essig.

Noch retten, was zu retten ist

Deshalb gilt für die Leonberger Wengerter die klare Devise: retten, was zu retten ist. Alle nutzen das Traumwetter am langen Wochenende, um die Trauben hereinzuholen. „Eigentlich hätten ihnen noch ein paar Sonnentage gut getan“, sagt Axel Röckle. „Doch wenn wir noch eine Woche warten, ist alles vorüber.“

Also rücken die Erntehelfer mit Knipsschere und Eimer bewaffnet aus und erleben am Morgen ein Naturschauspiel. Oben steht die Sonne, im Tal liegt der Nebel. Von der Autobahn ist noch nichts zu sehen. Zu hören ist sie freilich permanent. Doch viel Zeit, den Blick in die Ferne schweifen zu lassen, bleibt den Helfern nicht. Es ist steil am Ehrenberg und der Boden ist feucht. Da kann man leicht ausrutschen.

Und die beiden kleinen Treppchen, die oben vom Wengerterhäusle in die Tiefe führen, müssen für den Buttenmann frei bleiben. An diesem Morgen ist das Peter Aldinger. Der hauptberufliche Physiotherapeut aus Heimsheim hat die Butt auf dem Rücken und ist permanent im Weinberg unterwegs. Auf und ab. Ab und auf. Er sammelt die gelesenen Beeren in dem langen Bottich, um sie nach unten zu bringen. Dort steht schon die Abbeermaschine bereit, in der die Trauben noch direkt im Wengert von Stielen und Stengeln befreit werden.

Doch der Buttenmann muss sich gedulden. Das Leseteam hat mehr Arbeit als in den vergangenen Jahren. Es reicht nicht, einfach nur die Reben abzuschneiden. Fast jede Beere muss einzeln herausgepult werden – getreu dem alten Motto: „Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen.“ Eine Beerenauslese im Wortsinn. Axel Röckle hat seinen Helfern genau gesagt, worauf sie achten müssen: Wenn die Beeren zu sehr nach Essig riechen, sind sie von der Fliege befallen und müssen weg.

Und es sind viele, die auf dem Boden landen. „Übrig geblieben sind gute 600 Liter“, resümiert der Nebenerwerbswinzer am Dienstag. „Das ist ein Drittel eines normalen Jahrgangs.“ Seinen Helfern macht Röckle ein Kompliment: „Sie haben alle ein gutes Näschen gehabt. Denn nach Essig riecht hier nichts.“

Wie sich am Ende die frühe Lese auf die Qualität auswirkt, das bleibt abzuwarten. „Da muss im Keller noch einiges passieren.“

Enttäuscht vom Ertrag sind auch Gisela und Gerhard Dittrich, die ihre Lagen in der Feinau haben. Einen Ausfall von 60 Prozent beklagt das Wengerter-Paar. Nicht nur die Kirschessigfliege hat einen großen Teil der roten Trauben vernichtet. Der verregnete August hat auch den weißen Trauben arg zugesetzt. „Man arbeitet das ganze Jahr, und dann so etwas“, klagt Gisela Dittrich. „Das frustriert.“

Nicht vollends frustriert ist Martin Hartmann. „Die Basisqualität ist in Ordnung“, sagt der Wengerter. „Aber unsere Dornfelder- und Trollinger-Trauben sind von der Fliege stark befallen. Deshalb mussten wir früh lesen.“ Ein Barrique-Ausbau sei unter diesen Umständen nicht möglich. „Dabei habe ich schon Fässer bestellt.“

Die Lese ist äußerst aufwendig

Mittelprächtig fällt das Fazit seines Kollegen Stefan Hartmann aus. „Vom Material her war’s lumpig“, bringt er es auf den Punkt. Und die Lese war bei ihm genau so aufwendig wie bei den anderen. Doch die Öchsle-Grade mit 75 für Weiß und 71 für Rot stimmen. Und auch mit der Ertragsmenge von 900 Litern ist Stefan Hartmann zufrieden. „Das ist nicht weniger als in den vergangenen Jahren.“

Das Wetter war nicht optimal, aber auch für ihn ist die Kirschessigfliege die Quelle allen Übels. „Die hat ja nicht nur die Trauben, sondern auch unsere Mirabellen und Zwetschgen befallen.“ Kollege Martin Hartmann drückt es noch drastischer aus: „Entweder die Fliege oder wir.“

Doch kann man den Schädling wirksam bekämpfen? „Es gibt ein Spritzmittel“, berichtet Albert Kaspari, der Vorsitzende des Obst-, Garten und Weinbauvereins Eltingen-Leonberg. „Doch das ist sehr spät auf den Markt gekommen und war ruckzuck ausverkauft.“ Die Winzer sollten also in der nächsten Saison sehr schnell bestellen.