Viele Gäste beklagen den Rückgang der Kneipenkultur. Doch wer Hunger und Durst hat, wird selbst zu später Stunde gut bedient. Ein bisschen Party gibt es auch. Die Knöpfles sagen endgültig Servus. Ein vorweihnachtlicher Rundgang durch die Altstadt.

Leonberg - Wenn die Turmuhr der Stadtkirche abends zehnmal läutet, tritt der Paragraf 8 der „Polizeilichen Umweltschutzverordnung“ in Kraft. Demnach ist es von 22 Uhr an verboten, „die Nachtruhe anderer ohne berechtigten Anlass zu stören“. Das ist für den Magen aber lange kein Grund, nicht mehr zu knurren.

 

Abhilfe schafft da beispielsweise Kay Philipp in seinem Schwarzen Adler. „Solange es Gäste gibt, gibt es bei uns Essen“, sagt er und zieht drei dampfende Gänse aus dem Ofen. „Unsere mit Zwiebeln und Äpfeln gefüllten Gänse sind im Moment der absolute Renner“, hat er auch heute wieder festgestellt. Sein Kollege garniert derweil zwei Matjes neben die Petersilienkartoffeln. Selbst um zehn Uhr abends also noch Vollbetrieb in der Adlerküche.

Das Ziel: Marktplatz beleben

Zum Nachtisch einen Kaiserschmarrn? Das ist die Spezialität der österreichischen Kochs Manfred Koplenig im „Ralph’s“ in der Hinteren Straße. Auch der bleibt bis mindestens 22 Uhr in seiner Küche, sagt sein Chef Henrik Voß, der hinter der Bar steht und gerade ein frisches Weihnachtsbier vom Freisinger Brauhaus aus dem Fass lässt. Die Bar hat sogar bis drei Uhr morgens offen. „Die Leute, die spät aus Stuttgart kommen, sollen wissen, dass im Ralph’s noch jemand da ist“, sagt Henrik Voß. Vor einem halben Jahr hat er eröffnet. „Wir wollten damals den Marktplatz beleben, weil da ja nicht so viel los ist.“

Mittlerweile ist es elf, Peter Knöpfle hat seine Küche schon geputzt. Nicht nur für heute Abend, sondern für immer. 15 Jahre hat er sein Restaurant hier am Marktplatz betrieben, jetzt ist Schluss. Gemeinsam mit seiner Frau Bettina hat er ein kleines Hotel in Altglashütten im Schwarzwald übernommen. Zeit für einen kleinen Rückblick. „Die Laufkundschaft, die in der Altstadt bummelt und bei uns reinschaut, ist weggebrochen“, sagt er. Nach Gründen muss „Piet“, wie ihn seine zum Abschied zahlreich erschienen Stammgäste nennen, nicht lange suchen. Das Rauchverbot war einschneidend. Das Kino in der Grabenstraße hatte früher ebenfalls für Frequenz gesorgt.

„Allerschlimmste Katastrophe“

„Die Altstadt ist ein schwieriges Pflaster“, bestätigt sein Kollege Guiseppe in seiner Pazzo-Cafébar. Das hat er kaum ausgesprochen, da ist an seiner Bar schon eine wilde Diskussion entstanden. Leonberg nach 22 Uhr? Das sei die „allerschlimmste Katastrophe“, sagt etwa Frank Schreiner. „Wer abends ausgehen will, muss nach Stuttgart“, findet der 42-Jährige. Neben ihm sitzt Ursula Schäffer. „Es gibt einfach keine Kneipen mehr, wo sich viele Leute treffen können“, sagt sie. „Alles wird durch die Politik eingeschränkt.“

Wie zum Beweis zieht Wirt Guiseppe einen Bußgeldbescheid des Ordnungsamtes hervor. Am 15. November um 2.03 Uhr sei „sehr laute Musik“ um sein Lokal herum festgestellt worden. „An dem Abend war Partynacht und endlich mal der Laden voll“, sagt Guiseppe. „Und dann das. Da verliere ich langsam die Lust am Barbetrieb.“

War früher alles besser?

Anfang der Achtziger dagegen sei Leonberg „eine richtig coole Stadt gewesen“, schwärmt Dagmar hinter ihrem Weinglas und träumt vom Uhlenspiegel, vom Kaktus, vom Club, der Bierakademie und vom Blauen Engel. Nur der Blaue Engel hat davon noch überlebt.

Dort sitzen die zwei Freundinnen Davina und Roxana. Für sie ist es die „coolste Kneipe in der Altstadt“ und deshalb wollen sie auch bleiben. Der Wirt Wolfgang Wendorf kann getrost als Leonberger Kneipeninstitution bezeichnet werden. Der 67-Jährige steht immer noch persönlich hinter der Theke und mixt gerade einen „Spuz“. „Das ist Asbach mit Cola. Das gab es früher zu meiner Zeit und seit drei Wochen biete ich es wieder an.“ Auch Wolfgang Wendorf beobachtet einen Rückgang der Kneipenszene. „Leider“, wie er sagt, „denn erst wenn viele Kneipen voll sind, kommen die Leute, und die Wirte freuen sich.“

Das ist auch das Anliegen von Lothar Mattner. Anfang des Jahres ist er mit seinem Domizil von der Hinteren Straße direkt an den Markt gezogen. Mit Live-Konzerten, Spieleabenden und anderen Aktionen will der Gastronom und Fußballtrainer das Image der Altstadt aufpolieren. Auch er setzt auf Vielfalt: „Je größer das gastronomische Angebot, desto mehr Leute kommen.“ Bei ihm und seiner Frau Marie herrscht jedenfalls Betrieb.

Ärger mit der Polizei

Genau wie in der Treffbar in der Schloßstraße. „Hier ist mehr los, als ich dachte“, sagt Alex Schmidt und stellt sich hinten an der Schlange an. Drinnen legt Treff-Bar-Chef Ralf gerade einen neuen Musiktitel auf. Für Gespräche hat er da nicht viel Zeit.

Viel „Ärger mit der Polizei und den Nachbarn“ kann er erwähnen, da muss er auch schon um den nächsten Jacky-Cola mischen. Die Leute haben Durst.

Die Nachtruhe des Paragrafen 8 der Leonberger „Umweltschutzverordnung“ gilt noch bis sechs Uhr morgens. Und solange müssen die Betten der Nachtvögel wohl auch noch warten.