Ein seltener Anblick hat sich am Sonntag auf dem Leonberger Schlosshof geboten: Bruder Antonius, ein Franziskanermönch aus dem 15. Jahrhundert in brauner Kutte, wartet dort im Schatten des alten Baumes.

Leonberg - Ein seltener Anblick hat sich am Sonntag auf dem Leonberger Schlosshof geboten: Bruder Antonius, ein Franziskanermönch aus dem 15. Jahrhundert in brauner Kutte, wartet dort im Schatten des alten Baumes. Rund zwei Dutzend „moderne“ Menschen möchten ihn auf einem Rundgang durch das mittelalterliche Leonberg begleiten. Der Mönch freut sich darüber, denn schließlich „ist das Mittelalter die Wiege der heutigen Gesellschaft“, wie Bruder Antonius alias Dr. Uwe Painke, Leiter der Leonberger VHS, weiß.

 

Bruder Antonius führt seine wissbegierigen Schäfchen zurück ins Jahr 1457. Da war ganz schön was los in Leonberg: Der erste Landtag berät über die Vormundschaft des Knaben Eberhard, dem späteren Grafen, und damit über die Zukunft des Landes Württemberg. Die Stadt mit ihren rund 1000 Bewohnern ist wie im Kriegszustand, abgeriegelt und bewacht. Nur wenige wissen, worum es geht und dass im Zuge der Geschehnisse die „Bürgerliche Ehrbarkeit“ künftig Einfluss nehmen kann auf die Geschicke der Stadt, die bisher allein von Adel und Klerus geleitet werden.

Keine Politik im Schwarzen Adler

„Viele denken, im heutigen Schwarzen Adler hätte der Landtag getagt, aber das stimmt nicht“, weiß Bruder Antonius. „Hier wurden hochwohlgeborene Gäste untergebracht“, erklärt er. Der ehemalige Adelssitz ist aus Stein gebaut, was sich nur sehr reiche Leute leisten konnten – daher der Ausdruck steinreich.

Der Landtag dürfte an verschiedenen Plätzen stattgefunden haben, vorwiegend in der damaligen Burg – ein Schloss wurde erst später in Leonberg errichtet – und im Bürgerhaus, das heute noch an der Ecke Marktplatz/Oberamteistraße steht. Das Bürgerhaus war das erste Rathaus in der Stadt und wurde noch genutzt, als kurze Zeit später das neue Rathaus erbaut wurde“, erzählt er. Und schmunzelt: „Zwei Rathäuser in einer Stadt, das leistet ihr euch in eurer Zeit wohl nicht mehr!“ Überhaupt weiß der fromme Bruder aus dem 15. Jahrhundert einige Vergleiche anzustellen, mit deren Hilfe das Mittelalter ganz nahe rückt: Vom Münzvertrag, der in den Nachbarländern Baden und Württemberg den Württembergischen Schilling als Zahlungsmittel einführten, spricht er voll Stolz und bezweifelt augenzwinkernd, dass es dergleichen Fortschritt in unserer modernen Zeit gäbe. In der Tat wünscht sich ja so manch einer das heutige europäische Zahlungsmittel in eine andere Zeit.

Der Dank ist ein Gebet

Bruder Antonius erzählt während der Stadtführung der etwas anderen Art auch von seinem Orden: Die drei Knoten im Gewandstrick stehen für Armut, Keuschheit und Gehorsam. Der Franziskanerorden bevorzugte immer die Natur und zog Gottes Himmelszelt den prächtigen Kirchengemäuern vor. So auch der Seitenhieb beim Passieren der altehrwürdigen Stadtkirche: „Die Johanneskirche wurde durch Stiftungen und Schenkungen der Bürger erbaut und erhalten. Im Gegenzug beteten die Kirchenleute für das Seelenheil der großzügigen Spender.“ Die auch Minderbrüder genannten Franziskanermönche dagegen überschrieben den gesamten Ordensbesitz dem Papst.

Bruder Antonius führte die Gruppe weiter zum Haus der Beginen, einem Frauenorden, der außerhalb der Kirche stand und aus oft wohlhabenden, alleinstehenden und keusch lebenden Frauen bestand, die sich vorwiegend der Krankenpflege widmeten. Weiter ging es zum Kreuzgang des Franziskanerklosters im heutigen Spitalhof, zur Zehntscheuer in der Oberamteistraße, wo der Wein- und der Getreidezehnte für die Universität Tübingen abgegeben wurde.

Ein paar Häuser weiter machte der Mönch auf den hohen, fast quadratischen Klopfstein vor dem Eckhaus Schloßstraße/Pomeranzengarten aufmerksam. „Hier klopfen die Buchbinder mit bis zu zwölf Pfund schweren Klopfhämmern Papier und Buchrücken“, erklärt der Bruder. Und weil das so staubt, taten sie die Arbeit vor dem Haus.

Zum guten Schluss erzählt der Bruder von der Hochzeit des Grafen Eberhard, bei der aus dem Uracher Schlossbrunnen drei Tage lang der Wein in Strömen floss: „Manch einer der Gäste füllte seinen mitgebrachten Trinkstock bis zum Rande und war am Ende stockbesoffen“, schmunzelt der Mönch, bevor er sich in Dr. Painke zurückverwandelt und die Mönchskutte zurück in den Schrank hängt.