„Orpheus und Eurydike“ meistern in der Stadthalle ihren ausweglos erscheinenden Weg zum Glück. Unterstützung erhalten die professionellen Solisten von den Sängern des Chorverbandes Johannes Kepler, dem Sinfonieorchester und Tänzern.

Leonberg - Gerade standen Orpheus und Eurydike noch ganz in Weiß gekleidet und eng aneinandergeschmiegt im Fokus ihrer eigenen Hochzeit. Doch das Schicksal schreitet schnell voran. Ein Schlangenbiss überrascht Eurydike, und das gemeinsame Glück scheint vorüber. Stockend, stolpernd und schwindelerregend taumelt sie über die Bühne. Fällt und bleibt bewegungslos liegen.

 

So ist Wiebke Huhs, die Eurydike – schön, anmutig, lebens- und liebensfroh. Die blonden Haare zusammengefasst, in einem weißen Kleid mit Zierband steht sie da und verzaubert. Doch mit dem Tod auf der Bühne verschwindet Eurydike. Und mit ihr das Licht. Orpheus rückt leidend mit seinem wallendem, lockigen Haar und seiner Harfe in den Mittelpunkt. Ganz in Schwarz, rote Rosen in Händen, begleitet der Chor die Trauer des Orpheus. Nicht nur stimmlich überzeugt der Chor des Chorverbandes Johannes Kepler, auch die schauspielerische Leistung und die Hingabe zum Stück und der Choreografie sind erkennbar. Sie leiden gemeinsam. Trauern um den Verlust.

Das Ende einer vermeintlich unendlichen Liebe

Und auch Orpheus, verkörpert von Armin Gramer, lässt seiner Traurigkeit freien Lauf. Gesanglich und schauspielerisch tief in der Geschichte verankert, vermittelt er dem Publikum das Ende einer unendlichen Liebe. Er bespielt die gesamte Bühne. Einsam, allein und doch überaus charaktervoll. Mit der Rolle des Amor kommt zudem ein ganz eigenes Wesen auf die Bühne. Quirlig, frech und lebensfroh rennt und hüpft Amor, alias Sandra Schütt, um Orpheus. Stets hat Amor sein Glücks- und Liebessäckchen am Leib. Beseelt mit Amors Freude und Mut begab sich Orpheus in die Unterwelt, um, wie prophezeit, Eurydike wieder ins Leben zurückzuführen.

Wilde Furien tanzen dort in der Dunkelheit der Nacht. Ganz in Schwarz, mit zerrissenen Oberleibchen, dunkelroten Farbakzenten und wilden, langen Haaren rauschen sie über die Bretter, die die Welt bedeuten. Die 30 jugendlichen Ballett-Tänzer unter der Leitung von Anita Düster tanzen beeindruckend ausdrucksstark.

Orpheus zeigt sich auf der Suche nach seiner Geliebten unbeirrt. Bedeutet vereint zu sein, glücklich zu sein? Eines ist sicher – lieben bedeutet leben.

Neben der gesanglichen und schauspielerischen Leistung von Orpheus und Eurydike ist es Amor, der die Zuschauer immer wieder mit seiner lebensfrohen Art überrascht. So verstreut er zum Ende der Oper noch einmal kräftig seinen Liebesstaub. Dieser führt zu neuen Konstellationen innerhalb des Chores, aber auch zu schmunzelnden Liebesverwirrungen. Und nicht nur die Akteure kommen in diesen ganz besonderen Genuss, sondern auch das Publikum selbst. So glitzerte und knisterte es nicht nur in den Herzen, sondern auch in der Luft der Leonberger Stadthalle.

Oper mit einem Amateurensemble professionell aufführbar

Das Veranstaltungswochenende zeigt, dass eine Oper wie „Orpheus und Eurydike“ durchaus mit einem Amateurensemble und in Großbesetzung professionell aufführbar ist. Die beiden Chorleiter Samuel Schick und Till Weibel teilten sich die Einstudierung und das Dirigat. Wiebke Huhs kümmerte sich um die Inszenierung. Die drei professionellen Solisten Orpheus, Eurydike und Amor knüpften gekonnt die Verbindung zu den Amateuren und zum Leonberger Sinfonieorchester. Unter der Leitung des Bildhauers Fero Freymark und weiteren Künstlern des Kunstvereins Artifex entstand das Bühnenbild. In einem Jugendprojekt mit dem Jugendtreff Rutesheim wurde die Bühnenbildgestaltung mal farbintensiv, aber auch düster inszeniert. Ein Großprojekt, welches mit viel Hingabe und Liebe zum Detail aufgeführt wurde und augenscheinlich den Nerv des Publikums in seiner Mitte traf.