Wenn plötzlich der Rücken schmerzt oder das Fieber steigt, hilft der Griff zum Telefon. Die neue Nummer für die Notfallpraxis am Krankenhaus gilt vom 1. Juli an. Bei schweren Verletzungen oder Herzbeschwerden ist aber nach wie vor die 112 aktuell.

Leonberg - Wer nachts, am Wochenende oder an Feiertagen einen Arzt benötigt und nicht bis zur nächsten Sprechstunde warten kann, wird künftig noch schneller und vor allem gezielter medizinische Hilfe erhalten.

 

„Die neue Nummer lautet 116117“, sagt Robin Maitra, der Leiter der Notfallpraxis am Leonberger Krankenhaus. Diese bundesweit einheitliche Rufnummer für den ärztlichen Bereitschaftsdienst wird vom morgigen Mittwoch an auch in unserer Region frei geschaltet.

Die ärztliche Notfallpraxis am Leonberger Krankenhaus in der Rutesheimer Straße 50 ist 2014 aus dem Zusammenschluss der Praxen Leonberg und Ditzingen entstanden. An die können sich nun alle Patienten aus Leonberg, Ditzingen, Eberdingen, Hemmingen, Korntal-Münchingen, Magstadt, Renningen, Rutesheim, Schwieberdingen, Weil der Stadt und Weissach wenden.

Wenn plötzlich der Rücken schmerzt, bei Erkältungen das Fieber steigt oder nach einem ungeschickten Schnitt der Finger blutet, ist ärztliche Hilfe gefragt. Dafür hat die Ärzteschaft Leonberg eine medizinische Versorgung von Patienten im Notfalldienst organisiert und ist Träger der Notfallpraxis am Krankenhaus Leonberg. „An die Notfallpraxis können sich die Bürger wenden, die ärztlicher Hilfe außerhalb der Sprechzeiten bedürfen“, erläutert Robert Heger, der Vorsitzende der Leonberger Ärzteschaft.

Bereitschaftsdienst ist kein Rettungsdienst

Allerdings: „Der ärztliche Bereitschaftsdienst ist nicht zu verwechseln mit dem Rettungsdienst“, erklärt Robin Maitra, der auch Vorsitzender des Trägervereins der Notfallpraxis ist. In dem sind fast 150 niedergelassene Ärzte für den Betrieb der Praxis organisiert.

Bei schweren Verletzungen, Bewusstlosigkeit, starker Atemnot oder Herzbeschwerden, Lähmungen und anderen bedrohlichen Zuständen sei weiterhin der Notarzt die richtige Adresse. „Den erreicht man nach wie vor über die bekannte Rufnummer 112“, sagt Robin Maitra.

Wer vom morgigen 1. Juli an die Rufnummer 116117 wählt, hört in der Regel eine Bandansage mit der Adresse und den Öffnungszeiten der nächstgelegenen Notfallpraxis. „Wer den Standort der nächstgelegenen Praxis kennt. der muss die Notrufnummer nicht anrufen, sondern sie ohne vorherige Anmeldung aufsuchen“, erklärt Maitra. Wer aus medizinischen Gründen einen Hausbesuch benötigt, bleibt in der Leitung und wird dann zu der zuständigen Rettungsleitstelle des DRK verbunden, welche die Hausbesuche koordiniert, die aber weiterhin von der Notfallpraxis bedient werden.

„Die Leitstelle bedient auch die Notfallpraxen in Sindelfingen und Herrenberg“, erläutert Jörg Gaiser. Der Mediziner ist der Notfallpraxisbeauftragte Böblingen/Sindelfingen. „Alle haben etwas davon, die Wege werden kürzer, es können sich Synergien bilden.“

Die Postleitzahl wird abgefragt

Doch wie funktioniert das, wenn etwa ein Berliner mit seinem Handy am Leonberger Neuköllner Platz die 116117 anruft? „Das System kann anhand der Handynummer den Standort nicht erkennen, deshalb wird die Postleitzahl abgefragt“, erläutert Gerhard Fuchs, der Leiter der integrierten Leitstelle in Böblingen. „Weiß der Anrufer die nicht, wird er an die zentrale Vermittlung in Bayreuth weiter geleitet, die ihm weiterhilft.“

Die Zahl der Notrufe, die in der vom DRK betrieben Leitstelle eingehen haben in den vergangen Jahren deutlich zugenommen - und damit auch die Zahl der Einsätze. „Die Mitarbeiter sind spürbar mehr belastet“, so Fuchs. Mit der jetzigen Neuorganisation des allgemeinen ärztlichen Bereitschaftsdienstes, wurde ein weiterer Einsatzleitplatz in der Leitstelle eingerichtet. Dafür werden die Mitarbeiter bereits seit Mai geschult. „Damit sie passgenaue Entscheidungen treffen können“, sagt der Leiter des Rettungsdienstes. Vom 1. Juli an wird der Disponentenplatz, bei dem die Notrufe aus dem gesamten Landkreis für die Notfallpraxen in Leonberg, Sindelfingen und Herrenberg eingehen, dauerhaft besetzt sein. Dafür wurden 16 neue Teilzeitkräfte eingestellt. „Für die Patienten bedeutet das, dass ihre Versorgung außerhalb der normalen Sprechzeiten deutlich verbessert werden kann“, sagt Fuchs.

Böblingen und Göppingen schließen ab

Doch der Weg dahin war ein recht langer. Bis sich alle verantwortlichen Gremien geeinigt und beschlossen haben, die Leitstelle für diesen Service mit dem erforderlichen Personal zu verstärken, sind fast sechs Jahre ins Land gezogen.

Das ist auch der Grund, warum die Kreise Böblingen und Göppingen die letzten in Baden-Württemberg sind, die die 116117 einführen. Aber auch andere, etwa Ludwigsburg, haben sich erst seit wenigen Wochen dazu durchgerungen.

„Ein wichtiger Bestandteil eines gut funktionierenden Systems ist die hervorragende Kooperation mit dem Leonberger Krankenhaus“, sagt Robin Maitra. „Durch diese Zusammenarbeit gelingt es, dass selbst in tiefer Nacht mit den Ambulanzen des Krankenhauses ein Ansprechpartner für die Versorgung transportabler Patienten besteht“, erklärt Benjamin Stollreiter, der Leonberger Krankenhausdirektor.

So haben die Notfallambulanzen der Klinik 2014 rund 16 000 Patienten ambulant (8 Prozent mehr als im Vorjahr) und mehr als 8300 stationär (7 Prozent mehr) aufgenommen. Dabei reiche die Finanzierung hinten und vorne nicht, bemängelt Stollreiter. Von den Kassen bekomme das Krankenhaus gerade mal 30 Euro für eine ambulante Notfallberatung. „Uns entstehen aber um die 130 Euro Kosten pro Fall“, rechnet der Klinik-Chef vor.

„Verlängerter Arm der Ärzteschaft“

„Die Notfallpraxis ist eine Erfolgsgeschichte nicht nur für Hilfe suchenden Patienten außerhalb der Sprechzeiten, sie ist der verlängerte Arm der Ärzteschaft“, ist Maitra überzeugt. Allein im ersten Halbjahr 2015 konnten nahezu 10000 Patienten in der Praxis versorgt werden. Hinzu kommen noch etwa 1000 Hausbesuche.

Die Praxis erlaube es den Ärzten, zu dem Sicherstellungsauftrag, der ihre Bereitschaft rund um die Uhr einfordert, auch eine planbare Freizeit zu haben. „Zumal fast drei Viertel unserer Ärzteschaft Frauen sind“, wirft Robert Heger ein. Allerdings erhofft er sich vor der Notfallpraxis einen Anreiz, dass sich wieder mehr Ärzte auf dem Land niederlassen.

„Die bestehenden regionalen ärztlichen und notärztlichen Strukturen werden mit dem neuen System nun im Sinne einer zielgenaueren Versorgung der Bürger bestmöglich vernetzt“, ist der Vorsitzende der Kreisärzteschaft Leonberg zufrieden. Nicht ohne zu betonen, dass er die Finanzierung des Systems unfair findet. „Dafür müsse wir Ärzte fast 0,5 Prozent unseres Umsatzes in den Topf werfen“, rechnet Heger vor.