Ein kleiner Teil der Unteren Burghalde soll verkehrsberuhigt werden. Doch die Stadt macht einen Rückzieher.

Leonberg - Bleibt ihr bitte drüben? Da kommt ein Auto!“, ruft Annika Frey den drei Kindern zu. Auch wenn die Untere Burghalde spielenden Kindern eigentlich wenig bietet, hat der Nachwuchs den Asphalt in Beschlag genommen. Eng und ohne Bordstein windet sich die Straße hier zwischen Wohnhäusern hindurch. Doch der Abschnitt zwischen den Hausnummern 4 und 21 ist eben und von Mauern und Zäunen begrenzt. Ein Spielplatz ist dagegen keiner in der Nähe.

 

„Früher haben hier nur drei oder vier Kinder gespielt. Mittlerweile sind es manchmal fast 20“, hat Stephan Breisacher beobachtet, der mit seiner Familie in dem Bereich wohnt. Gemeinsam mit anderen Anwohnern wie Annika Frey kämpft er dafür, dass der Abschnitt in eine Spielstraße umgewandelt wird, im Verwaltungsdeutsch verkehrsberuhigte Zone. Diese habe der Erste Bürgermeister Ulrich Vonderheid (CDU) in Aussicht gestellt. Auch das Ordnungsamt habe keine Gründe gefunden, die dagegen sprächen. Doch nun habe der Bürgermeister einen Rückzieher gemacht, kritisieren die Anwohner. Dabei sehen sie ihr Anliegen als noch dringlicher an, nachdem Anfang Oktober eine Fünfjährige bei einem Zusammenstoß mit einem Auto schwer verletzt worden ist.

Ortstermin bereits im März

Schon seit einer Weile bemühen sich die Bewohner am Beginn der Unteren Burghalde um die Spielstraße. Im Frühjahr fand bereits eine Ortsbegehung mit Ulrich Vonderheid statt, an der auch 13 Anwohner teilnahmen. Die Befürworter brachten ihr Anliegen vor.

Doch es gab auch gegenteilige Meinungen von Nachbarn. „Einer meinte, die Spielstraße sei noch gefährlicher, weil die Kinder sich dann erst recht bemüßigt fühlten, auf der Straße zu spielen“, erzählt Stephan Breisacher, der betont, dass weit mehr Anwohner für die Spielstraße seien, als beim Vor-Ort-Termin erschienen sind.

Kristina Saalfeld, eine weitere Nachbarin, war ebenfalls dabei. „Einer war dagegen, weil dessen eigene Kinder nicht dort draußen spielen“, sagt sie und zählt weitere Gründe der Gegner auf: Es sei noch nie etwas passiert. Es sei unzumutbar sowohl für die Anwohner, als auch für Paketdienste oder Mitarbeiter der Sozialstation, in dem Bereich Schritttempo fahren zu müssen. Alles Gründe, die die Befürworter nicht nachvollziehen können. „Es spricht nichts dagegen, außer, dass man langsam fahren muss“, meint Saalfeld.

Nicht alle Nachbarn sind dafür

„Am Ende der Begehung hat Herr Vonderheid abstimmen lassen. Zehn Anwohner haben sich für die Spielstraße ausgesprochen, drei dagegen“, berichtet Breisacher. Nach dem Termin wurde in der Unteren Burghalde das Tempo von 30 auf 20 Kilometer pro Stunde begrenzt. Nach etwas mehr als einem halben Jahr hat Stephan Breisacher erneut bei der Stadt nachgefragt. „Ich erhielt von Herrn Vonderheid die Auskunft, er wolle noch die Verkehrsschau im Frühjahr abwarten und den zuständigen Ausschuss im Gemeinderat hinzuziehen“, berichtet der Familienvater.

„Schon fast beschlossen“

Als Grund habe er angegeben, dass sich die Anwohner in der Sache nicht einig seien, erzählt Breisacher weiter, der dieses Vorgehen nicht nachvollziehen kann, zumal dieses Prozedere beim Termin im März mit keinem Wort erwähnt worden sei.

„Das war vonseiten des Ersten Bürgermeisters doch schon fast beschlossen.“ Die letzte Verkehrsschau (siehe Infobox) hat im Juli stattgefunden. Die Untere Burghalde war dem Vernehmen nach dabei kein Thema. Vonderheid war für eine Stellungnahme am Montag nicht zu erreichen.

Mädchen prallt gegen Auto – schwer verletzt

Doch bis zum nächsten Termin im Frühjahr – ein Datum steht noch nicht fest – wollen die Anwohner keineswegs warten. „Jetzt im Winter ist es nachmittags schon früher dunkel“, sagt Kristina Saalfeld. Von der Kälte ließen sich die Kinder auch nicht vom Spielen abhalten. Dazu kommt der Unfall von Anfang Oktober. Nach Angabe der Polizei ist ein fünf Jahre altes Mädchen beim Spielen hinter einem Auto hervor auf die Straße gelaufen und gegen ein anderes Auto geprallt. Dieses hatte laut Polizei schon gebremst und war fast zum Stillstand gekommen, als der Zusammenstoß passierte. Doch die Wucht reichte aus, dass das Mädchen zurückgeschleudert wurde und sich schwer am Kopf verletzte.

Während des Gesprächs in der Unteren Burghalde sind ein Dutzend Autos vorbeigefahren. Zwar ist keiner gerast. „Im Auto scheinen 20 Stundenkilometer sehr langsam. Aber im Freien fühlt sich das immer sehr schnell an“, sagt Kristina Saalfeld, die oft mit draußen ist, wenn ihr Sohn im Kindergartenalter hier auf der Straße spielt. „Wir wollen nur einen anderen Status für unsere Kinder und eine gleichberechtigte Nutzung der Straße.“

Info: Verkehrsschau und Spielstraße

Verkehrsschau:
Hier werden verschiedene Punkte in der Stadt Leonberg begutachtet und mögliche Maßnahmen diskutiert, von anstehenden Bauprojekten bis hin zu Unfallschwerpunkten. Der Verkehrsschau gehören neben der Verwaltung (Ordnungsamt, Straßenbau) Mitglieder unterschiedlicher Organisationen an. Hierzu zählen etwa das Landratsamt Böblingen, die Polizei, die Straßenmeisterei, der ADAC und der ADFC sowie der Fahrlehrerverband. In diesem Jahr gab es nur eine Verkehrsschau, in früheren Jahren haben teilweise bis zu vier Termine stattgefunden.

Spielstraße:
Die offizielle Bezeichnung ist verkehrsberuhigter Bereich, der mit dem typischen blauen Schild gekennzeichnet ist. Fahrzeuge müssen mit Schrittgeschwindigkeit fahren, auch Fahrräder. Fußgänger dürfen die ganze Straßenbreite nutzen, Kinder darauf spielen. Autofahrer dürfen sie dabei nicht behindern, umgekehrt gilt das aber genauso. Parken ist nur in gekennzeichneten Flächen erlaubt.