Günter Bauernfeind präsentiert seine Fotografien im Bauernhausmuseum Gebersheim. Zehn Jahre lang hat er wie ein Verrückter fotografiert. Zehn Jahre lang ist er in ähnlich ausufernder Weise Mountainbike gefahren. 15 Jahre lang ist er gerannt, als würde er vom Krokodil verfolgt Auf diese drei Phasen folgt nun erneut die Fotografie.

Leonberg - Es gibt solche Menschen. Was sie tun, tun sie extrem. Bei Günter Bauernfeind könnte man es so zusammenfassen: Zehn Jahre lang hat er wie ein Verrückter fotografiert. Zehn Jahre lang ist er in ähnlich ausufernder Weise Mountainbike gefahren. 15 Jahre lang ist er gerannt, als würde er vom Krokodil verfolgt. Auf der Weltrangliste der über 55-Jährigen im 50-Kilometer-Lauf ist er immerhin mal auf den zweiten Platz gedüst: Die 50 Kilometer hat er damals in vier Stunden und vier Minuten abgespult. Auf diese drei Phasen folgt nun erneut die Fotografie. Weil er zu der zurückgefunden hat, zeigt Günter Bauernfeind nach seiner ersten Einzel-Ausstellung vor fast 30 Jahren nun die zweite: „Flüssigkeiten“ ist die Schau überschrieben.

 

In seiner ersten Fotografie-Phase in den 80er-Jahren hatte Günter Bauernfeind den Fotoclub Leonberg mitbegründet. Er war der erste Kassier des Vereins, wurde dann erster und später zweiter Vorsitzender. „Wir haben damals deutschlandweit an Wettbewerben teilgenommen und viele Ausstellungen bestückt“, erinnert sich der Offsetdrucker, der seinerzeit auch die wechselnden Fotoausstellungen seines Clubs in der Stadthalle initiiert hatte. Weil die Leute sagten: „Mensch Günter, du fotografierst doch so gut!“, fotografierte er in jener Zeit zehn Hochzeiten im Bekannten- und Freundeskreis in Folge. Und das, obwohl er von sich sagt, er fotografiere just Menschen eigentlich nicht gern. „Danach habe ich mit dem Fotografieren komplett aufgehört und bin in die Ausdauerszene abgerutscht“, sagt der 61-Jährige.

Blubberndes Wasser ist typisch für den Hobby-Fotografen

Nachdem der passionierte Wettkämpfer zweieinhalb Jahrzehnte mit 24-Stunden-Ultraläufen, Marathonläufen, Treppenläufen, Radrennen und Co. verbracht hatte, und nachdem seine erste Enkelin geboren war, erinnerte Bauernfeind sich an sein einstiges Hobby. Seit eineinhalb Jahren ist er nun schon Mitglied im Höfinger Fototreff und hat bei dessen jüngster Foto-Ausstellung auch das Titelbild geliefert: „Wasserfarben“, die Aufnahme dreier Buntstifte in perlendem, blubberndem Wasser. Das Bild ist typisch für die Vorlieben des Hobby-Fotografen. Er kann sich zwar auch fürs Fotografieren von Vögeln oder taufeuchten Blüten begeistern – wobei er seinen Raureif selbst dank Sprühflasche organisiert. Seine große Liebe aber gilt der „Table-Top-Fotografie“, auch Objekt-Fotografie genannt, und der Tropfen-auf-Tropfen-Fotografie (Tat).

„Ich fotografiere gern Dinge, die die Welt nicht braucht“, erklärt er selbstironisch: Buntstifte, Seifenblasen, Wassertropfen. In der Schau sind viele brillante, gestochen scharfe Aufnahmen von fallenden, in einer Flüssigkeit landenden Tropfen zu sehen, die in Schalen oder Gläsern, die mit farblosen und gefärbten Flüssigkeiten gefüllt sind, bizarre Wellen- und Spritzerformen erzeugen. Aber es gibt auch zart gefrorene Seifenblasen mit schillernden Interferenzfarben auf Ästen zu sehen, in denen sich die Umgebung auf zauberhafte Weise spiegelt oder Fotos von Küstenabschnitten mit Wellenbrechern und tosendem Meer.

Günter Bauernfeind mag die Einengung auf spezielle Themen, ist dann mit „Scannerblick“ unterwegs und er stellt sich auch gern der Kritik im Fototreff, wenn es daran geht, bei den Zusammenkünften dort das Foto des Monats auszuwählen. Die Themen werden immer schon für ein halbes Jahr festgelegt und lauten beispielsweise „Geschwindigkeit“ und „Holz“ oder „Vögel“ und „Rinde“. „Ich greife dann bei diesen Themen auch nicht ins Archiv, sondern mache tatsächlich neue Bilder“, erklärt er. So hat er etwa beim Thema „Eis“ kürzlich im wahrsten Sinn des Wortes unter anderem auch „Eiswürfel“ fotografiert – Eis, in das er Spielwürfel eingefroren hatte. Und beim Thema „Holz“ will er sich der Schönheit von gut aufgenommenen Zahnstochern nähern.

Der Leonberger liebt das Austüfteln seiner Bilder

Der 61-Jährige liebt das Austüfteln gelungener Bildern, die akribische Beschäftigung mit der dafür notwendigen Technik. Abends baut er oft zu Hause auf dem Küchentisch seine „Stillleben“ auf. „Die Profis machen Tropfenfotografie mit Mikroprozessoren, Magnetventilen und Lichtschranken“, erklärt Bauernfeind. Er hatte es zunächst mit einem Infusionsset versucht und sich dann ein Gestell gebaut, in das er eine Wasserflasche mit Hahn klemmen kann. Dann gilt es, die Tropfen und vor allem seine Fotoausrüstung, zu der in dem Fall bis zu vier Blitzgeräte gehören, so zu steuern, dass die in die Flüssigkeit darunter fallenden Tropfen Gegentropfen, sehenswerte Wellen oder Flüssigkeitskrönchen hinterlassen.

Seine Flüssigkeiten färbt der Tüftler manchmal mit Lebensmittelfarben. Zwei Tage Vorbereitung und gewisse Kochkünste braucht es, wenn er mit Guarkernmehl, Zucker und Sieb arbeitet, um die Flüssigkeit zäher zu machen. Aus 1000 Aufnahmen, die so entstehen, wählt Bauernfeind am Ende 10 bis 20 Stück aus, die seinen Ansprüchen genügen. Wer die sehenswerte Ausstellung besucht, erkennt schnell, dass der Hobby-Fotograf ziemlich hohe Ansprüche hat.