Feierabend für den Motorradtester, Pause für den Biker, der aus Ungarn kommt, und die Sorge um den langjährigen Treffpunkt: Ein ganz normaler (Pfingst-)Sonntag am Glemseck.

Leonberg - Genug gegrast. Die Kuh trottet vom einen Ende der Wiese zum anderen. Da ist der Blick besser, auf Motorräder beispielsweise. Artig aneinandergereiht wie eine Blech-Perlenkette stehen sie da. Die Kuh fängt an wiederzukäuen. Und die Herren der Blech-Schätzchen? Die brauchen erst mal was zwischen die Zähne!

 

„So einen guten Kaffee gibt es nirgendwo sonst“, sagt Armin Ziegler und macht sich auf zum Biergarten neben dem Glemseck-Hotel. Den Kaffee hat er sich wahrlich verdient. Aus Kecskemét in Ungarn ist er angereist, wo er derzeit arbeitet. Ob er damit den weitesten Anreiseweg hatte? Vielleicht, aber jetzt gibt es erst mal Kaffee, für sich und seinen Kumpel Harald Gessler.

An einem der Stehtische genießt der den Ausblick und stellt schließlich die alles entscheidende Glemseck-Frage: „Was gibt es Schöneres, als so viele Motorräder anzuschauen?“

Ein seltenes Stück

Natürlich nichts! Am Pfingstsonntag fällt der Blick da zum Beispiel auf die nagelneue Kawasaki H2. „Von dieser Maschine gibt es nur 50 Stück in ganz Deutschland“, berichtet Patrick Sauter. Er lehnt nach einem anstrengenden Arbeitstag erschöpft an der lasterprobten Glemseck-Leitplanke.

Der Testfahrer der Fachzeitschrift „Mo“ hat die Kawasaki heute durch den Schwarzwald gejagt. Sein Zwischenfazit: „Die 200 PS gehen gut ab. Aber leider regelt die Maschine bei 299 Stundenkilometern ab.“

Ob die zehn Kühe gegenüber wissen, was sie da zu sehen bekommen? Motorisierte Krafträder kennen sie jedenfalls, seit 1925 führt die Solitude-Rennstrecke durchs Glemstal. Bis 1965 fanden hier die legendären Solitude-Rennen statt.

„Mythos“, nennt Jürgen Otto daher dieses Fleckchen Erde. Auch wenn er selbst gar nicht mit dem Motorrad hier ist. „Ich fahre einen Piaggio-Motorroller“, sagt er, „Motorroller haben ein automatisches Getriebe, und das finde ich viel bequemer.“ Bis nach Bad Liebenzell im Schwarzwald ist Jürgen Otto heute gefahren, wo er eine riesige Schwarzwälder Kirschtorte entdeckt hat.

Wenn sich die Glemseck-Biker am frühen Abend wieder in ihrer guten Stube treffen, haben sie sich also so einiges zu erzählen. Was sie seit einiger Zeit umtreibt: „Unser Treffen hier am Glemseck muss auch in Zukunft möglich sein“, sagt Jürgen Otto. Was er damit meint: Im April hat Glemseck-Wirtin Hannelore Sonnet bekannt gegeben, dass sie ihr Haus an die Hoffungsträger-Stiftung verkaufen will.

Wie geht es weiter?

Seitdem kursieren die Gerüchte. Wird der Biergarten abgerissen und das Haus erweitert? „Wir haben Angst um unser Zuhause“, sagt die Bikerin Sigi Schwarz. Denn das Glemseck und die Betreiberfamilie Sonnet – das gehört für die Biker einfach zusammen. Die gemeinnützige Hoffnungsträger-Stiftung freilich hat schon versichert, dass das Glemseck weiterhin ein Ort des Motorsports bleiben wird.

„Die Sonnets kenn ich seit meiner Kindheit“, sagt Ralf Eberhardt aus Leinfelden-Echterdingen. Er sitzt zusammen mit seinem Sohn Julian im gemütlichen Biergarten. Und da kommen die Erinnerungen an früher. „Meine Eltern hatten drüben in Büsnau eine kleine Drogerie“, erzählt Ralf Eberhardt. „Da bin ich dann immer rübergeradelt und hab hier am Glemseck die ganzen Motor-Kuriositäten bestaunt.“

Kuriositäten gibt es immer noch, gelegentlich auch Lärm. Etwa wenn 70 Motoren gleichzeitig aufheulen und um die Ecke davonbrausen. „Das ist jetzt ein türkischer Bikerclub“, erklärt Sigi Schwarz. „Die kommen selten, ich finde so ein Gehabe nämlich eher peinlich.“ Die zehn Rindviecher gegenüber scheinen sich selbst an 70 solcher heißen Öfen nicht zu stören.