Das Leonberger Ausdauer-Ass Tobias Sauter kämpft sich zurück und erzählt Lauf-Geschichten aus Kenia. In knapp vier Wochen spult er im Trainingslager insgesamt 790 Kilometer herunter.

Leonberg - Nicht wenige haben ihn belächelt. Aus dem deutschen Langstrecken-Ass Tobias Sauter mit Starts bei Welt- und Europameisterschaft war ein kleines Pummelchen geworden. Verletzungen und andere Rückschläge brachten den Leonberger vom Kurs ab. Doch der 30-Jährige wollte es noch einmal wissen, innerhalb von 90 Tagen 15 Kilogramm abnehmen und sich fitmachen für den Hamburg-Marathon am 4. Mai – und das öffentlich per Facebook und Laufblog. Jetzt ist er wieder da, auf dem besten Weg zu alter Leistungsstärke und zurück vom Trainingslager aus Kenia.

 

Fünf Jahre ist es her, dass ich das letzte Mal in Kenia war. Viel hat sich seitdem verändert, die Form ist lang nicht die, die sie 2009 war. Dann bekam ich die Möglichkeit, nochmal in dieses Land zu reisen. Ich überlegte. . ., ja wieso überlegte ich überhaupt? Was kann es Besseres geben, als alle paar Jahre aus seiner Welt, der stressigen westlichen Welt auszubrechen? Mal über den komfortablen Luxus-Tellerrand schauen. Werde ich nochmal die Möglichkeit haben, in den nächsten Jahren nach Kenia zu kommen? Nach fünf Minuten war mir klar, das mache ich.

Fast vier Wochen lang hat sich Tobias Sauter in Kenia aufgehalten. Der Mann mit der Marathon-Bestzeit von 2:17,27 Stunden startet mittlerweile für das Laufteam Haspa Marathon Hamburg. Das finanzierte Trainingslager im 2100 Meter hoch gelegenen Eldoret diente in erster Linie dazu, die Gewinnerin eines Startplatzes für den Hamburg Marathon fachlich zu begleiten und ganz nebenbei auch sich selbst auf Norddeutschlands größten Marathon vorzubereiten.

Angekommen in Kenia: das Camp hat einen Pool, einen Fitnessraum, alles was man als Sportler braucht. Wenn man nun die Zimmer und das Essen beschreiben sollte, dann würden es wohl die meisten von uns als „einfach“ bezeichnen. Tja, seit ich dann meine ersten Läufe durch das kenianische Land gemacht hatte, dachte ich nur: „Wie dehnbar ist dieser Begriff wohl“. Die Leute leben größtenteils in einfachsten Verhältnissen, wir würden Hütten dazu sagen. Das von mir bezeichnete „einfach“ ist für den durchschnittlichen Kenianer purer Luxus. Junge, Junge, ging mir die Pumpe bei den ersten Läufen. Der weiße dicke Muzungu wackelte im Fünf-Minuten- Schnitt für den Kilometer durch die Lehmlandschaft, die lieben kleinen Kinder schrien alle „How are you Muzungu“ und kicherten – oder lachten sie mich aus? Die einzigen, die mein Dauerlaufniveau hatten, waren die Kühe, die einem zu Hauf auf den Wegen begegneten. Teilweise rennen Fünfjährige schon mit. Und das sogar einige Kilometer. . .

In der Marathon-Weltrangliste 2013 kommen 36 der besten 50 Läufer aus Kenia, bei den Frauen sind es 23. Seit einigen Jahren sind die Einheimischen in ihren Trainingsorten Eldoret oder Iten nicht mehr alleine. Die Muzungus (übersetzt aus der Bantu-Sprache bedeutet das: Mensch mit weißer Hautfarbe) kommen. Unter anderem bereiten sich auch deutsche Lauf-Asse wie Jan Fitschen oder Sabrina Mockenhaupt in Kenia vor.

Das Interessante an der Sache, die Einheiten werden auf einer Aschenbahn absolviert, nicht die Luxusvariante aus Deutschland. Loch hier, Loch da, und die Länge ist auch nicht so genau bekannt. Es ist der Wahnsinn was dort los ist. Nicht zwei Läufer oder drei, wie bei uns in Deutschland, nein, Gruppen aus 20 Läufern drehen Ihre Runden. Alle zwei Minuten wurden wir von einem Kenia-Train überholt. Was für ein Niveau, was für eine Leistungsdichte. Der Kenia ICE Train, Kenia ICE B Train, der IC Train und schlussendlich tuckerte ich mit dem Europe D-Zug Train über den Rübenacker. Was für ein Training. . .

Training in Kenia – ein Abenteuer

In seinem Trainingscamp in Eldoret findet Tobias Sauter für kenianische Verhältnisse beste Bedingungen vor. Sogar eine Tartanbahn. Dennoch geht er mit seinem afrikanischen Tempomacher Simion, mit dem er in 26 Tagen insgesamt 790 Kilometer abspult, auch immer wieder auf die holperige Rundlaufstrecke aus roter Asche. Das Gewicht ist weg, die Form kommt zurück. Nach der Rückkehr nach Deutschland stuft sich Sauter – auf der Waage war er noch nicht – zwischen 64 und 65 Kilogramm ein. Im Herbst waren es noch 80. Zu seinen besten Zeiten betrug das Idealgewicht des Marathonläufers 62 Kilogramm.

19 Tage und 590 Kilometer sitzen tief in meinen Knochen. Es ist 7.45 Uhr, ich habe verschlafen. Um 8 Uhr wartet Simion schon vor dem Tor. Nach dem gestrigen 15-Kilometer-Tempodauerlauf fühle ich mich wie Matsch. Ich kann mich nicht erinnern, mich so abgequält zu haben in einem Training der letzten Monate wie gestern bei diesem Lauf. Apropos Matsch. Es hat geregnet die halbe Nacht und alles ist Matsch. Eigentlich könnte ich mich auch auf den Boden legen, zwischen dem Matsch würde ich sicher nicht auffallen.

Unter Druck setzen will sich Tobias Sauter nicht mehr. „Ich will beim Marathon in Hamburg gut durchkommen“, sagt er deshalb nur. Nicht mehr und nicht weniger. Was danach kommt, ist offen. Bis Ende Juni muss die Master-Arbeit im Studiengang Sport-Management fertig werden. Wenn es gut läuft, dann will der Leonberg anschließend vielleicht doch noch einmal richtig angreifen und gezielt auf den Herbst hintrainieren. Am 12. Oktober findet in München die deutsche Marathon-Meisterschaft statt.

Da stand ich nun: 650 Kilometer und drei Wochen Trainingslager vorüber. Der teure Masseur aus dem Camp hatte mich versetzt. Super, klappt ja wunderbar. Ein Holländer erzählte mir ein paar Tage vorher von einem einheimischen Masseur, der echt toll behandeln soll. Soll ich das nun mal ausprobieren? Ach wieso eigentlich nicht, bei einem Totalschaden kann ja nicht mehr viel schief gehen. Wir trafen uns an der Hauptstraße vor meinem Camp und trotteten zu seiner Bleibe. Ach du Schande, eine Mini-Holzhütte. Ein Bett, ein Gaskocher und ein paar Kleider. An den Wänden hängen überall Zeitungsartikel von irgendwelchen erfolgreichen Läufern. Ich soll mich auf den Bauch legen. Es geht los. Und was soll ich sagen? Eine Stunde Behandlung, die sich wunderbar anfühlt. Der Mann hat sein Handwerk gelernt. Seit fünf Jahren behandelt er jeden Tag 10 bis 15 Läufer. Der Junge weiß genau, wo was zwickt, und er weiß auch, wie man es lockert. Ich bin beeindruckt! Ach ja, die Stunde Behandlung hat 2,50 Euro gekostet.

Die Mühen des Trainingslagers zeigen Wirkung. Beim Zürich-Marathon spielte Tobias Sauter Tempomacher für Mona Stockhecke und kam nach 2:34,03 Stunden ins Ziel. Am Ostersamstag gewann er den Halbmarathon von Rheinzabern in 1:09,17 Stunde. In der Vorbereitung auf den Hamburg-Marathon wird der Trainingsumfang in den kommenden Tagen zurückgeschraubt. Um aber noch einen Leistungsimpuls zu setzen, startet der Langstreckenläufer am Sonntag, 27. April, voraussichtlich über die Zehn-Kilometer-Distanz bei der 29. Auflage des Gerlinger Solitudelaufes. Tobias Sauter ist zurück.